Titrationskurven zeichnen, wie ansetzen?

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Fangen wir mit dem einfachsten aller Beispiele an, der Titration einer starken Säure mit einer starken Base. Das ist so einfach, daß man die Kurve leicht punktweise be­rech­nen kann: Wenn man V₀ einer Salzsäure mit Konzentration c₀ vorlegt und dann mit NaOH der Konzentration c titriert, dann bekommt man nach Verbrauch V den pH

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Diese Formel ist nicht schwer abzuleiten, und man kann es sogar noch einfacher ha­ben, wenn man einfach stöchiometrisch vollständigen Umsatz annimmt und den Rest an Säure bzw. Base berechnet und logarithmiert; das braucht allerdings zwei ver­schie­­dene Formeln für vor und nach dem Äquivalenzpunkt, und die Vorgangsweise ver­sagt in einem ganz schmalen Bereich rund um den Äquivalenzpunkt.

Das kannst Du also leicht selbst zeichnen.

Bei der Titration schwacher Säuren mit NaOH ist es deutlich schwieriger; zwar gibt es eine Formel, aber die ist nur beschränkt praxistauglich, ich gebe sie nur der Voll­stän­dig­keit halber an. Sie ist sehr allgemein, man legt ein Volumen V₀ einer Lösung vor, die c₀ an einer schwachen Säure plus c₁ an starker Säure enthält, und titriert mit einer Na­tron­lauge der Konzentration c. Um den pH-Wert zu berechnen, braucht man inverse Winkelfunktionen, die aus der Lösung der kubischen Gleichung stammen:

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In der Praxis geht man eher so vor, daß man die Kurve punktweise berechnet. Der An­fangs-pH ist ja einfach nur eine schwache Säure bekannter Konzentration, und rund um den Halbäquivalenzpunkt gilt die Henderson–Hasselbalch-Gleichung. Am Äqui­valenzpunkt hast Du die Lösung eines Salzes (= schwache Base), und nach dem Äqui­valenzpunkt kannst Du näherungsweise annehmen, es liege reine NaOH vor (oder an­ders gesagt, Du kannst den hinteren Teil der Kurve für starke Säuren mit NaOH ver­wen­den). Insgesamt ist auch das machbar.

Hier zeige ich eine ganze Kurvenschar mit verschiedenen pKₐ-Werten. Es werden jeweils 20 ml 0.1 mol/l der Säure mit 0.1 mol/l NaOH titriert:

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Du siehst, daß die mittelstarken Säuren (0 ≤ pKₐ ≤ 3) nicht ganz zum Rest passen, aber bei höherem pKₐ erkennt man leicht das ähnliche Aussehen: Man hat einen fla­chen Pufferbereich von grob 5 bis 15 ml Verbrauch (bei V=10 ml gilt pH≈pKₐ), und dann gibt es noch einen Anstieg davor und einen steilen Anstieg danach, der zum Äqui­valenz­punkt führt. Nach dem Äqui­valenz­punkt sehen alle Kurven ungefähr gleich aus, das hatte ich oben schon ir­gend­wo erwähnt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik
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Mondfee2016 
Fragesteller
 10.07.2023, 19:44

Erstmal vielen Dank für die Antwort, Junge das war ausführlich! Mega, danke dir! Ich glaub, ich habs tatsächlich jetzt mal verstanden.

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