Acetylsalicylsäure Titration?
400,0 mg Substanz werden in einem Jodzahlkolben mit Schliffstopfen in 4 mL Ethanol 96% R gelöst. Nach Zusatz von 20,0 mL Natriumhydroxid-Lösung (0,5 mol/L) wird der Kolben verschlossen und 1 h lang stehengelassen. Nach Zusatz von etwa 2 Tropfen Thymolphthalein- Lösung R wird mit Salzsäure (0,5 mol/L) titriert. Ein Blindversuch wird durchgeführt.
Diese ist Vorschrift für ASS-Titration. Also wie kann man pH-Wert berechnen bzw die Titrationskurve zeichnen oder betrachten ( also wie Starke Base mit Starke Säure ) ?
1 Antwort
Acetylsalicylsäure enthält eine hydrolysierbare Estergruppe, wird also durch Base in Salicylsäure und Essigsäure gespalten. Im Basischen ergeben sich dabei die Ionen Salicylat und Acetat.
CH₃COO–C₆H₄–COOH + 2 OH¯ ⟶ HO–C₆H₄–CO₂¯ + CH₃CO₂¯ + H₂O
Die pKₐ-Werte von Salicylsäure und Essigsäure sind 2.97 und 4.75; Salicylsäure ist also merklich stärker als Essigsäure.
Du hydrolysierst 400 mg bzw. n=m/M=2.22 mmol ASS mit n=cV=10 mmol NaOH; jedes ASS frißt zwei NaOH, also sollten 5.55 mmol NaOH übrigbleiben. Das titrierst Du dann mit 0.5 mol/l HCl, der erwartete Verbrauch beträgt also ≈11 ml.
Eine formalere Ableitung: Die setzt eine Masse m von ASS ein, das entspricht der Stoffmenge m/M und das reagiert mit V₁ NaOH der Konzentration c₁, nach fertiger Reaktion verbleibt eine Stoffmenge von c₁V₁−2m/M Hydroxid, die mit v₂ ml der c₂-konzentrierten HCl titriert wird, also
c₁V₁−2m/M = c₂V₂ ⟹ m = ½M(c₁V₁−c₂V₂)
Du siehst, daß das tatsächlich eine sehr ähnliche Struktur wie das vorangehende Beispiel mit dem Urotropin hat.
Außer den 5.5 mmol NaOH befinden sich am Anfang der Titration noch noch je 2.2 mmol Acetat und Salicylat in der Suppe; beide sind Basen und beeinflussen gegebenenfalls den pH. Das wirft ein Problem auf, weil das Programm, mit dem ich diese Kurven ausrechne, nur mit einer Spezies rechnen kann. Ich habe mal begonnen, mir ein besseres zu schreiben, aber das ist nicht sehr weit gediehen, da sehe ich schwarz.
Sowohl Acetat als auch Salicylat sind Basen, aber weil Salicylsäure die stärkere Säure ist, muß Acetat die stärkere Base sein; vielleicht kann man das Salicylat einfach weglassen. Wenn man nur das Acetat berücksichtigt, bekommt man folgende Titrationskurve:
Die Bedeutung der einzelnen Elemente ist im wesentlichen dieselbe wie beim letzten Mal: Schwarz und dick siehst Du die Titrationskurve (nur Acetat berücksichtigt, kein Salicylat), weiß ist die erste Ableitung davon (mit einer Detailvergrößerung um den Faktor 250), die Hintergrundfarben zeigen die Verteilung von Acetat (blau) und Essigsäure (rot) im Kolben und die dünnen schwarzen Kurven sind hypothetische Titrationskurven: Die dünne läßt das Acetat weg (also nur NaOH mit HCl titriert), und die mitteldünne berücksichtigt das Salicylat, aber läßt das Acetat weg.
Die wirkliche Titration, die Salicylat und Acetat enthält, wird also im hinteren Teil (zwischen 10 und 20 ml) nicht ganz so aussehen wie meine Kurve; eine schnelle Abschätzung zeigt, daß die echte Kurve maximal 0.3 pH-Einheiten über der berechneten liegen kann. Das ist zwar nicht sehr viel, aber ich wollte, ich könnte es besser rechnen.
Zur Berechnung des pHs am Äquivalenzpunkt gehst Du genauso vor wie das letzte Mal: Du überlegst Dir einfach, was in der Suppe drin ist, und wirst feststellen, daß es sich um eine Natriumacetat-Lösung handelt (das NaCl tut ja nichts, und das Salicylat müssen wir wieder mal ignorieren; als Base ist es ja noch schwächer als Acetat). Wir haben bereits oben gesehen, daß bei der Hydrolyse 2.22 mmol Acetat gebildet werden, und das Volumen am Äquivalenzpunkt beträgt ≈35 ml, also c=n/V=0.063 mol/l. Natriumacetat ist eine schwache Base, und zwar die konjugierte Base zur Essigsäure (pKₐ=4.75), also pH = 7 + ½pKₐ + ½lg(c) = 8.78.
P.S.: Ha, mit ein bißchen Anstrengung geht es ja doch!
Das ist jetzt die ungenäherte Titrationskurve für Dein Problem, also mit korrekter Berücksichtigung von Acetat und Salicylat (fett). Die schwächer gezeichnete Kurve ist die von weiter oben, in der nur das Acetat berücksichtigt ist, und die ganz schwache ist die, wo sowohl Acetat als auch Salicylat ignoriert wurden (also nur HCl und NaOH berücksichtigt wurden, starke Base mit starker Säure titriert).
- In der oberen Hälfte der Kurve zeigen der Hintergrundfarben das Acetat/Essigsäure-Gleichgewicht: Essigsäure (pKₐ=4.75) beginnt sich knapp nach dem Äquivalenzpunkt (V=11.12 ml) zu bilden, und dieser Prozeß ist bei ≈20 ml abgeschlossen.
- Salicylsäure ist aber stärker (pKₐ=2.97) und bildet sich daher erst später, ab pH≈5 oder V=15 ml; oberhalb von V=20 ml ist praktisch kein deprotoniertes Salicylat mehr in der Lösung.
- Jede Säure beeinflußt den pH-Wert der Lösung in dem Bereich, in dem sie teilweise protoniert ist, also einen Puffer bildet. Das sind grob die pH-Bereiche pKₐ±2
- Jede der beiden Säuren hat einen Pufferpunkt, bei dem sie genau zur Hälfte protoniert und zur Hälfte deprotoniert vorliegt (pH=pKₐ). Diese sind mit einem Ring gekennzeichnet.
Meine Vermutung, daß man das Salicylat vernachlässigen kann, stimmt für den Bereich bis zum und knapp über den Äquivalenzpunkt; deshalb kann meine oben angegebene genäherte Titrationskurve den Sprung am Äquivalenzpunkt gut beschreiben und auch richtig vorhersagen, daß Du einen Indikator mit einem Umschlagspunkt im leicht Alkalischen brauchst. Um den Kurvenverlauf zwischen 15 und 25 ml, also weit jenseits des Äquivalenzpunkts, zu verstehen, brauchst Du aber die neue Kurve.