Acetylsalicylsäure Titration?

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Acetylsalicylsäure enthält eine hydrolysierbare Estergruppe, wird also durch Base in Salicylsäure und Essigsäure gespalten. Im Basischen ergeben sich dabei die Ionen Salicylat und Acetat.

CH₃COO–C₆H₄–COOH + 2 OH¯   ⟶    HO–C₆H₄–CO₂¯ + CH₃CO₂¯ + H₂O

Die pKₐ-Werte von Salicylsäure und Essigsäure sind 2.97 und 4.75; Salicylsäure ist also merklich stärker als Essigsäure.

Du hydrolysierst 400 mg bzw. n=m/M=2.22 mmol ASS mit n=cV=10 mmol NaOH; je­des ASS frißt zwei NaOH, also sollten 5.55 mmol NaOH übrigbleiben. Das titrierst Du dann mit 0.5 mol/l HCl, der erwartete Verbrauch beträgt also ≈11 ml.

Eine formalere Ableitung: Die setzt eine Masse m von ASS ein, das entspricht der Stoff­menge m/M und das reagiert mit V₁ NaOH der Konzentration c₁, nach fertiger Re­aktion verbleibt eine Stoffmenge von c₁V₁−2m/M Hydroxid, die mit v₂ ml der c₂-kon­zen­trierten HCl titriert wird, also

c₁V₁−2m/M = c₂V₂  ⟹  m = ½M(c₁V₁−c₂V₂)

Du siehst, daß das tatsächlich eine sehr ähnliche Struktur wie das vorangehende Bei­spiel mit dem Urotropin hat.

Außer den 5.5 mmol NaOH befinden sich am Anfang der Titration noch noch je 2.2 mmol Acetat und Salicylat in der Suppe; beide sind Basen und beeinflussen gege­be­nenfalls den pH. Das wirft ein Problem auf, weil das Programm, mit dem ich diese Kurven ausrechne, nur mit einer Spezies rechnen kann. Ich habe mal begonnen, mir ein besseres zu schreiben, aber das ist nicht sehr weit gediehen, da sehe ich schwarz.

Sowohl Acetat als auch Salicylat sind Basen, aber weil Salicylsäure die stärkere Säure ist, muß Acetat die stärkere Base sein; vielleicht kann man das Salicylat einfach weg­lassen. Wenn man nur das Acetat berücksichtigt, bekommt man folgende Titrations­kurve:

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Die Bedeutung der einzelnen Elemente ist im wesentlichen dieselbe wie beim letzten Mal: Schwarz und dick siehst Du die Titrationskurve (nur Acetat berücksichtigt, kein Salicylat), weiß ist die erste Ableitung davon (mit einer Detailvergrößerung um den Faktor 250), die Hin­ter­grundfarben zeigen die Verteilung von Acetat (blau) und Essig­säure (rot) im Kolben und die dünnen schwarzen Kurven sind hypothetische Titra­ti­ons­kurven: Die dünne läßt das Acetat weg (also nur NaOH mit HCl titriert), und die mitteldünne berück­sich­tigt das Salicylat, aber läßt das Acetat weg.

Die wirkliche Titration, die Salicylat und Acetat enthält, wird also im hinteren Teil (zwi­schen 10 und 20 ml) nicht ganz so aussehen wie meine Kurve; eine schnelle Abschä­tzung zeigt, daß die echte Kurve maximal 0.3 pH-Einheiten über der berechneten lie­gen kann. Das ist zwar nicht sehr viel, aber ich wollte, ich könnte es besser rechnen.

Zur Berechnung des pHs am Äquivalenzpunkt gehst Du genauso vor wie das letzte Mal: Du überlegst Dir einfach, was in der Suppe drin ist, und wirst feststellen, daß es sich um eine Natriumacetat-Lösung handelt (das NaCl tut ja nichts, und das Salicylat müssen wir wieder mal ignorieren; als Base ist es ja noch schwächer als Acetat). Wir haben bereits oben gesehen, daß bei der Hydrolyse 2.22 mmol Acetat gebildet wer­den, und das Volumen am Äquivalenzpunkt beträgt ≈35 ml, also c=n/V=0.063 mol/l. Natriumacetat ist eine schwache Base, und zwar die konjugierte Base zur Essig­säure (pKₐ=4.75), also pH = 7 + ½pKₐ + ½lg(c) = 8.78.

P.S.: Ha, mit ein bißchen Anstrengung geht es ja doch!

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Das ist jetzt die ungenäherte Titrationskurve für Dein Problem, also mit korrekter Be­rück­sichtigung von Acetat und Salicylat (fett). Die schwächer gezeichnete Kurve ist die von weiter oben, in der nur das Acetat berücksichtigt ist, und die ganz schwache ist die, wo sowohl Acetat als auch Salicylat ignoriert wurden (also nur HCl und NaOH berücksichtigt wurden, starke Base mit starker Säure titriert).

  1. In der oberen Hälfte der Kurve zeigen der Hintergrundfarben das Acetat/Essigsäu­re-Gleich­gewicht: Essigsäure (pKₐ=4.75) beginnt sich knapp nach dem Äquivalenz­punkt (V=11.12 ml) zu bilden, und dieser Prozeß ist bei ≈20 ml abgeschlossen.
  2. Salicylsäure ist aber stärker (pKₐ=2.97) und bildet sich daher erst später, ab pH≈5 oder V=15 ml; oberhalb von V=20 ml ist praktisch kein deprotoniertes Salicylat mehr in der Lösung.
  3. Jede Säure beeinflußt den pH-Wert der Lösung in dem Bereich, in dem sie teil­wei­se protoniert ist, also einen Puffer bildet. Das sind grob die pH-Bereiche pKₐ±2
  4. Jede der beiden Säuren hat einen Pufferpunkt, bei dem sie genau zur Hälfte pro­toniert und zur Hälfte deprotoniert vorliegt (pH=pKₐ). Diese sind mit einem Ring ge­kenn­zeichnet.

Meine Vermutung, daß man das Salicylat vernachlässigen kann, stimmt für den Be­reich bis zum und knapp über den Äquivalenzpunkt; deshalb kann meine oben an­ge­ge­be­ne genäherte Titrationskurve den Sprung am Äquivalenzpunkt gut beschreiben und auch richtig vorhersagen, daß Du einen Indikator mit einem Umschlags­punkt im leicht Alkalischen brauchst. Um den Kurvenverlauf zwischen 15 und 25 ml, also weit jenseits des Äquivalenzpunkts, zu verstehen, brauchst Du aber die neue Kurve.

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