Mathematische Streitfrage: Ist ein 1460-jähriger Mann aufgrund der 365 Schaltjahre in seinem Leben im Grunde ein 1461-Jähriger?

Das Ergebnis basiert auf 11 Abstimmungen

Er ist trotzdem1460-Jahre alt 91%
Er ist 1461-Jahre alt 9%

6 Antworten

Er ist trotzdem1460-Jahre alt

Lebensjahre werden von Geburtstag zu Geburtstag gezahlt egal ob ein 29.02. dazwischen liegt oder nicht...

...rein mathematisch ausgedrückt hat ein Jahr eben nicht 365 Tage sondern (durchschnittlich) 365,25 (oder wenn man über einen entsprechenden Jahrhundertübergang geht 365,24 bzw. 365,2425) Tage ....


Er ist trotzdem1460-Jahre alt

Für eine genaue mathematische Erklärung muss ich etwas ausholen ;-). Wenn man diese Zusammenhänge kennt, ist es auch keine Streitfrage mehr, das ist dann "Quatsch mit Soße". Zwei gute Antworten von myotis und Janaki habe ich hier bereits gesehen. Da mein Hobby Astronomie ist und ich daher auch ziemlich gute Kenntnisse in der Kalenderrechnung habe, möchte ich es hier trotzdem möglichst verständlich und möglichst genau mit einer eigenen Erklärung ergänzen.

Der Sinn der Schaltjahre ist es sicherzustellen, dass unsere Kalenderjahre mit den Jahreszeiten synchron bleiben und sich nicht allmählich verschieben. Ausschlaggebend hierfür ist das "tropische Jahr", welches von der Internationalen Astronomischen Union (IAU) für die Epoche J2000.0 mit 365,24219052 Tagen festgestellt wurde, (= 365 Tage, 5 Std., 48 Min., 45,260928 Sek.). Die Hintergründe was dies bedeutet und warum dies so ist werde ich für alle Interessierten weiter unten noch genauer erklären. Für die reine Mathematik ist lediglich die aktuelle Dauer des tropischen Jahres ausschlaggebend!

Der Julianische Kalender rechnete lediglich mit der 4-Jahres Regel für Schaltjahre, welches eine durchschnittliche Jahreslänge von 365,25 Tagen ergiebt. Dies führte über längere Zeiträume zur Verschiebung der Jahreszeiten, da der korrekte Wert ein wenig kleiner als 365,25 ist (365,25 Tage - 365,24219052 Tage = 0,00780948 Tage/Jahr Überkorrektur).

Um dieses Problem zu beheben, beschloss Papst Gregor XIII folgende drei Anpassungen durchzuführen.

  1. Um die bereits vorhandene Verschiebung der Jahreszeiten auszugleichen wurden zehn Tage übersprungen. Auf den 4. Oktober 1582 folgte direkt der 15. Oktober 1582. Dies glich die Jahreszeitenverschiebung der vorausgegangenen 1280 Jahre aus. Die tatsächliche Länge des tropischen Jahres war in der heutigen Genauigkeit sicherlich noch nicht bekannt. Der julianische Kalender wurde von Julius Caesar am 1. Januar 45 v. Chr. eingeführt. Demnach hätte diese Korrektur theoretisch sogar 12,7 (also gerundet 13 Tage) betragen müssen :-D.
  2. Im gregorianischen Kalender ist ein Jahr, welches ohne Rest durch 100 teilbar ist, kein Schaltjahr, es sei denn, es ist ohne Rest durch 400 teilbar. Diese Vorgehensweise beseitigt einige überflüssige Schaltjahre und gleicht die durchschnittliche Dauer des Kalenderjahres genauer an das tropische Jahr an.
  3. Die Berechnung des Osterdatums wurde ebenfalls angepasst, um die korrekte astronomische Beziehung zwischen dem Frühlingsvollmond und dem Frühlingsäquinoktium (Tag- und Nachtgleiche) herzustellen, hat im Zusammenhang mit der Frage jedoch keine Bedeutung.

Regel 2 sagt also aus, dass...

  • alle Jahre welche ohne Rest durch 4 teilbar sind, Schaltjahre sind,
  • alle Jahre welche ohne Rest durch 100 teilbar sind, keine Schaltjahre sind,
  • alle Jahre welche ohne Rest durch 400 teilbar sind, doch wieder Schaltjahre sind.

Das Jahr 1900 war also kein Schaltjahr, Das Jahr 2000 war ein Schaltjahr, das Jahr 2100 wird wieder kein Schaltjahr sein. Das ist auch der Grund dafür, warum manche "ewigen Kalender" nur von 1901 bis 2099 funktionieren, da sie lediglich mit der 4-Jahres Regel arbeiten, welche dann ausreicht. Diese "ewigen Kalender" waren z.B. kleine Rechentabellen in den etwa DIN-A7 großen Taschenkalendern, welche es noch zu meiner Kinder- und Jugendzeit zu kaufen gab.

Wenn man nach dem reformierten gregorianischen Kalender die durchschnittliche Jahreslänge ausrechnet kommt man auf einen Wert von 365,2425 Tagen. Wesentlich besser als der alte Wert jedoch immer noch 26,739072 Sekunden länger als der tatsächliche Wert für ein tropisches Jahr. Dies führt dazu, dass auch der gregorianische Kalender nach 3231 Jahren wieder einen Tag vorgeht und eine weitere Kalenderregel (event. eine 4000-Jahre Regel?) fällig wäre. Es müsste theoretisch wieder ein Tag wegfallen, um die Überkorrektur (365,2425 zu 365,24219052) auszugleichen. Dies wird dann in etwa um das Jahr 4800 n. Chr. der Fall sein (falls unsere Kultur und dieser Kalender so lange existieren sollten).

Hintergründe, warum das "tropische Jahr"?

Das "tropische Jahr" ist die durchschnittliche Dauer zwischen zwei aufeinanderfolgenden Durchgängen der Sonne durch den Frühlingspunkt. Dies ist nicht identisch mit einem siderischen Jahr, welches der Umlauf der Erde um die Sonne bezogen auf den Fixsternhimmel ist. Dieses beträgt nämlich 365,2563604167 Tage und ist damit länger als das tropische Jahr. Der Frühlingspunkt und damit das tropische Jahr muss für die Berechnung genommen werden, weil dieser Wert aus der Schrägstellung der Erdachse resultiert welche widerum für die Jahreszeiten verantwortlich ist. Aufgrund der Präzession der Erdachse (wie ein torkelnder Kreisel) ändert sich die Ausrichtung der Erdachse im Raum im Laufe der Zeit. Daher ist die Dauer eines tropischen Jahres etwas kürzer als die eines Sternenjahres. Der Frühlingspunkt "wandert" daher im Laufe der Zeit entlang der Ekliptik durch alle Tierkreiszeichen. Ein kompletter Umlauf der Präzession dauert etwa 25.772 Jahre.

Das Sonnensystem ist ein komplexes System mit vielen interagierenden Faktoren. Die Gravitationswirkungen der anderen Planeten, insbesondere des Jupiters, können die Umlaufbahn der Erde leicht beeinflussen. Die Erdachse kann sich im Laufe der Zeit aufgrund von Verschiebungen im Erdinneren leicht verändern. Die Werte sowohl für die Dauer des tropischen Jahres als auch für die Dauer der Präzession ändern sich daher langfristig im geringen Maße. Daher ist es erforderlich hochpräzise Beobachtungen über lange Zeiträume hinweg durchzuführen. Dies ist der Grund, warum in der Astronomie "Epochen" angegeben werden (siehe oben die Verwendung von Epoche J2000.0 für die Angabe der Dauer des tropischen Jahres). Es ist ein Zeitpunkt bzw. eine Referenzzeit, von der aus bestimmte astronomische Messungen oder Beobachtungen gemacht werden. Dies hilft den Astronomen, genaue Berechnungen durchzuführen, Veränderungen über die Zeit hinweg zu verfolgen, Daten zu vergleichen und die Forschung voranzutreiben. Die aktuell üblicherweise verwendete Epoche ist die hier verwendete.

Ich glaube, ich habe dieses Thema jetzt so umfassend wie nur möglich abgehandelt. Falls Jemand trotzdem noch Fragen hat darf man mir gerne entsprechende Fragen in den Kommentaren stellen ;-)

Woher ich das weiß:Hobby – Astronomie ist mein Hobby seit meinem achten Lebensjahr.

Seit der gregorianischen Kalenderreform sind volle 100er-Jahre nur dann Schaltjahre, wenn sie ganzzahlig durch 400 teilbar sind. Damit erübrigt sich die Frage, denn ihm fehlen noch 3 Schaltjahre (um die fehlenden Schalttage aus den Jahren 1700, 1800 und 1900 auszugleichen).


LieberKiffer  14.06.2023, 03:55

Um die "fehlenden" Schalttage z.B. in den Jahren 1700, 1800 und 1900 auszugleichen ging es dem Fragesteller gar nicht. Die gregorianischen Anpassungen hast Du allerdings korrekt erklärt.

Dem Fragesteller ging es um die irrige Annahme, dass ein Jahr immer genau 365 Tage haben sollte (was ja nicht stimmt). Der durchschnittlich 1/4 Schalttag pro Jahr bei der 4-Jahres Regel summiert sich im laufe von 1460 Jahren auf ein ganzes Jahr auf (0,25 Tage * 1460 Jahre = 365 Tage (das "zusätzliche" Jahr), oder anders 4 * 365 = 1460). Er hatte also noch nicht einmal den prinzipiellen Sinn der Schaltjahre verstanden, sonst hätte er solch eine Frage erst gar nicht gestellt ;-) !!!

Eine ausführliche Erklärung der Kalenderregeln kannst Du in meiner Antwort nachlesen.

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Er ist trotzdem1460-Jahre alt

ein Jahr hat nun mal nicht 365 Tage sondern 365,24....


LieberKiffer  14.06.2023, 03:58

Astronomisch (tropisch) 365,24219052. Genauer konnte ich auch nicht ermitteln.

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Er ist trotzdem1460-Jahre alt

Astronomisch gesehen ist ein Jahr rum, wenn sich die Erde ein Mal um die Sonne gedreht hat. Daher ist der fiktiven Mann 1460 Jahre alt.


LieberKiffer  14.06.2023, 04:06

Fast richtig! Wenn sich die Erde ein mal um die Sonne gedreht hat (auf den Fixsternhimmel bezogen) ist ein siderisches Jahr rum. Da es bei der Kalenderrechnung aber darum geht, dass die Jahreszeiten sich nicht verschieben, ist das tropische Jahr ausschlaggebend (auf den Frühlingspunkt bezogen). Eine ausführliche Erklärung findest Du in meiner Antwort. Die 1460 Jahre stimmen natürlich :-)

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