Kann ein Orchester ohne Dirigenten funktionieren?

7 Antworten

Ohne Dirigenten ist schon machbar. Ich hatte ein paar Jahre in einem Zupforchester gespielt. Dort hatte einer aber das Sagen. Zusammen musizieren war kein Problem. Es waren aber nur 15 Musiker. Dort richteten sich die Spieler nach der ersten Stimme, die sehr gut spielen konnten.
Im Vergleich zu einem Orchester, in dem die erste Stimme, trotz Dirigenten, spielte, wie sie wollte, war das Spielen, in dem kleinen Orchester, ohne Dirigenten, wesentlich schöner.
Auch mit Dirigent, müssten Spieler zusammen musizieren, dass sie sich immer gegenseitig die Bälle zu werfen, weil mal die oder die Stimme das Thema hat.
Wenn die erste Stimme nur stur die Noten spielt und Dynamik wenig berücksichtigt, habe ich Probleme, weil ich zu musikalisch bin, beim Spielen völlig drin aufgehe und die Dynamik brauche. Dynamik gehört mit zu einem Stück. Wenn Guten Abend, gut' Nacht wie Marsch gespielt wird, könnte ich weglaufen, ob da ein Dirigent ist, oder nicht, spielt da keine Rolle. Für mich nicht.
Mein Sohn, Dirigent in einem anderen Orchester, spielt meistens mit, wo einer in ner Stimme fehlt.

Ja. Das ist doch keine hypothetische Frage. Grosse Orchester wie die Berliner oder Wiener Philharmoniker machen das doch von Zeit zu Zeit mal vor.

Nur fehlt dem Publikum in seiner Autoritätshörigkeit dann der lonely Superstar, den es verehren kann.

Demokratie hat eben wenig Faszination :)

Die Hauptarbeit des Dirigenten liegt in den Wochen und Monaten vor dem Konzert in denen das Stück geprobt und einstudiert wird. Da werden dann die einzelnen Teile genau auseinandergenommen und die Instrumentalisten spielen es auch mal getrennt von den anderen. Da braucht es einen der das Ganze leitet.

Beim Konzert selbst wäre er nicht so sehr wichtig, wie die meisten denken. Er könnte ein Stück anzählen und dann von der Bühne gehen, das Orchester könnte weiterspielen. Vor allem weil sie es bis dahin wirklich auswendig können.

Arlecchino  12.05.2018, 13:33

Welches Orchester ist in der Lage, ein Sinfoniekonzert "wirklich auswendig" zu spielen? Selbst bei Spitzenorchestern habe ich immer beobachtet, daß die Musiker sehr konzentriert ihre Stimme lesen.

0
roschue  12.05.2018, 18:32
@Arlecchino

Oh Mann, ich meinte doch nicht die Noten auswendig, das kann natürlich keiner. Ich meinte das Zusammenspiel untereinander. Also bischen mitdenken sollte man schon. Ist doch klar wie das gemeint ist.

0
Arlecchino  12.05.2018, 20:57
@roschue

Gut, daß Du wenigstens im Nachgang schreibst, was Du meinst. Ansonsten muß man ja annehmen, Du würdest meinen, was Du schreibst - was auch sonst?

Was Deine Bemerkung über das Mitdenken betrifft, die will ich mal in der Schublade mit den Kuriosa ablegen und genauso wenig kommentieren wie die Sachkenntnis, die hinter Deiner Antwort bestens versteckt ist.

0
roschue  12.05.2018, 20:59
@Arlecchino

Hab schon Kenntnis. Ich mache seit über 40 Jahren aktiv Musik, spiele mehrere Instrumente und habe auch in einem Musikverein mit Dirigenten gespielt.

0

Eine heutiges Sinfonieorchester würde ohne Dirigenten schlechter spielen.

Bis ins späte 18. Jahrhundert spielten Ensembles und Orchester (Kammerorchester) ohne Dirigenten, sie wurden vom Konzertmeister (erster Geiger) oder vom Cembalo aus geleitet. Das war gut möglich, da alle Musiker mit dem Zeitstil und der Aufführungspraxis vertraut waren und die Orchester eine sehr überschaubare Größe hatten. Auch heutige Barockorchester spielen in aller Regel ohne Dirigenten.

Im 19. Jahrhundert änderte sich das. Es bildeten sich Personalstile aus, d. h. die Kompositionen wurden individueller, die Werke folgten nicht mehr einem Schema oder einer Idee wie Ciacona, Menuet, Concerto grosso usw. Es ergab sich für die Komponisten die Notwendigkeit, die Musiker in erheblich größerem Umfang anzuleiten als es zuvor nötig war.

Zudem wurden die Orchester größer: Neue Instrumente kamen hinzu und die einzelnen Gruppen (1. Violinen, 2. Violinen... Holzbläser, Blechbläser...) wurden stärker besetzt (es wird von Aufführungen mit Chören und Orchestern mit 200 bis 300 Mitwirkenden berichtet). Der Leiter der Proben und Aufführungen mußte deshalb an günstiger Stelle für alle gut sichtbar stehen, das konnte nicht mehr zwischen den Instrumentalisten sein.

Die Aufgabe des Dirigenten ist es heute, für eine Aufführung zu sorgen, die konsequent einem dem Werk adäquaten Konzept folgt. Dies braucht seine Leitung gleichermaßen während der Probenarbeit wie auch im Konzert. Auch wenn gute Orchester manches auch ohne Dirigenten spielen können oder könnten - mit einem Dirigenten hat ihr Spiel eine andere Qualität.

Funktionieren kann es, wenn alle wissen, was gespielt wird. So kann generell auch ein Chor ohne Dirigent singen, wenn die Truppe homogen ist & man in der Lage ist, "sich selbst zu leiten". Habe Letzteres schon erlebt, da gab es keinen Chorleiter, sondern nur einen, der die Proben und Auftritte "moderiert" bzw. ein Auge auf alles geworfen hat und sonst wieder ganz normal mitgesungen hat. War sicher nicht optimal aber es klappte, der Liederabend war auch recht gut.

Allerdings hat der Chorleiter oder Dirigent die Aufgabe, die Combo oder den Chor zusammen zu halten -----> Gotthilf Fischer hält seine Chöre ebenso mental zusammen wie James Last sein Orchester zusammen hielt: Eine Leitungsperson/Autorität hilft schon, gerade wenn vllt. die Truppe an sich nicht immer einer Meinung ist, die Assoziation "Sauhaufen" naheliegt & es jemanden braucht, der denen zeigt, wo es langgeht.