Ist Religion überhaupt noch wichtig in Deutschland?

10 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Es tritt immer mehr in den Hintergrund. Aber ja es gibt noch Leute denen das wichtig ist. Oft halt ältere. Oder junge konservartive von denen es auch immer wieder welche gibt.

Schon meine urgroßeltern waren"gemischt". Für die URURgroßeltern (bzw deren Eltern dann halt) war das zum Glück kein Thema. Das war ende der 1920er.

wir haben aber auch jemanden im Bekanntenkreis, die hat es dem Sohn übelst genommen dass er eine evangelsiche geheiratet hat. Und als der dann noch konvertiert ist war das Verhältnis ganz hinüber.

Aber in aller Regel ist das heute kein Thema mehr

Ssimone  23.10.2023, 13:35

IST SO

0

Gibt es fast nur noch auf dem Dorf

Woher ich das weiß:Hobby – Wo nicht weiser Rat ist geht das Volk unter Sprüche 11, 14

Bei meiner Familie und im meinem sonstigen Umfeld spielt Religion eigentlich keine Rolle - außer in Wochen wie dieser, in der es günstige Brückentage gibt.

Grüß Dich SHildegard

Ich halte Religion für sehr wichtig, aber ganz anders als Du denkst. Es muss sich von der herkömmlichen Deutung von Religion verabschiedet werden, denn das einseitige Verständnis ist nach näherer Betrachtung nicht haltbar. Ich will das erklären, aber das geht nicht in zwei, drei Zeilen. Ich bitte das zu verstehen.

Vorweg will ich noch etwas über das Gottesverständnis posten:

Zuerst muss ich sagen, das man an einen Gott (mit Artikel) glauben kann oder nur an Gott (ohne Artikel). Der erste Begriff wird als ein persönlich gedachtes Wesen aufgefasst, als oberster Richter vor dem der Mensch sich zu verantworten hat und Schöpfer des Universums, des Menschen und der Tiere, der Vater aller Menschen ist und sie alle lieb hat usw.usw.

Der zweite Begriff ist das Geheimnis des Seins wie manche indianischen Stämme in den USA glauben Dieses Geheimnis ist unpersönlich, ein ES oder schöpferische Kraft, das Eine oder das Göttliche und kann daher nur unpersönlich aber dennoch als Grund verstanden werden warum etwas ist und nicht nichts. Mehr geht da nicht. Philosophisch kann man noch näher herankommen, aber: dieses Geheimnis ist nie aufklärbar, man weiß nichts davon und wird auch so bleiben! Dennoch kann der Mensch seine Folgen in der Welt, im Universum erleben und in sich selbst beobachten und erleben (Werden, Wandel, Sichentwickeln und Vergehen).

Und damit keine Verwechslungen auftreten, wäre es sowieso grundsätzlich besser vom göttlichen zu sprechen, was speziell keinen Gott meint.

Nun zu Deiner Frage

Leider muss immer wieder festgestellt werden, das die allermeisten gar nicht wissen was Religion überhaupt ist und es mit Glauben verwechseln und viele deswegen Religion ablehnen, weil beobachtet und erlebt wird, das Religion an sich die Menschen unterdrücken kann und ihnen die geistig-seelische Freiheit nimmt. Der Glaube kann natürlich Religion schaden, keine Frage, aber eben auch nicht! Es kommt auf das Begreifen und das Verstehen des Glaubens und seiner Inhalte an, also das was man glaubt, denn der Glaube ist untrennbarer Teil von Religion, aber nicht sie selbst.

Was ist Religion überhaupt?

Es gibt eine sehr schöne Definition die ich sehr gut finde. Und zwar ist das die von Gustav Mensching, einem verstorbenen Religionswissenschaftler. Sie erklärt wohl am ehesten den Begriff und gilt am klassischsten.

Religion ist erlebnishafte Begegnung mit dem Heiligen und antwortendes Handeln des vom Heiligen bestimmten Menschen“.

Von einem Gott ist nicht die Rede.

Da wäre aber noch zu klären, was heilig bedeutet:

Wikipedia:

Heilig bezeichnet etwas Besonderes, Verehrungswürdiges und stammt wortge-schichtlich von Heil ab, was sich abgeschwächt noch in heil („ganz“) wiederfindet. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist heilig ein im Zusammenhang mit Religion gebrauchter Begriff mit der zugedachten Bedeutung „einer Sphäre des Göttlichen, Vollkommenen oder Absoluten angehörig“.

Auch hier spielt ein Gott keine Rolle

Heiligkeit muss jedoch keineswegs auf einen alleinigen Gott oder irgendwelche Götter, Engel, Dämonen oder allein auf Tiere bezogen sein. Jeder muss sich das selbst aussuchen und natürlich dann auch verantworten.

Es darf auch das ganze Leben selbst sein, mit all seiner Vielfalt, mit seinen erhabenen und ergreifenden Seiten, aber auch mit seine Härten, Grausamkeiten und Widersprüchlichkeiten. Das Leben an sich kann als besonders verehrungswürdig erlebt und angesehen werden. Woran soll man sich sonst orientieren? Dazwischen führt unser Weg, um uns orientieren zu können.

Zwischen diesen Seinsweisen, Konstruktivität (Aufbauendes) und Destruktivität, (Zerstörerisches) führt nämlich unser Weg, um Orientierung zu finden und um zu dem Menschen zu werden, den man sich wünscht und sein will. Beide Seiten sind absolut notwendig, damit Schöpfung stattfinden kann. Und sie findet ständig statt und ist nicht abgeschlossen.

Mit einem Gott hat das aber auch nichts zu tun!

Der Inhalt des Glaubens bedient den angeborenen Drang des Menschen nach Selbstverwirklichung und Sinnsuche und dem Willen, dies im Alltag umzusetzen (jeder Mensch glaubt etwas). Das nennt man Spiritualität (früher Frömmigkeit genannt). Beides zusammen ist dann Deine Religion. Damit wird Religion ganz anders interpretiert. Damit ist klar, das ein Glaube der einem Vorschriften macht, das geistig-seelische Erleben normiert, einengt und erzwingt, sich ausschließlich an Vorschriften, an Heiligen Schriften, an Priestern und an Dogmen zu orientieren, dann auch das eigene Leben auf diese Weise negativ (massiv) beeinflusst und sogar Religion bzw. Religiosität beschädigen kann.

Ist aber der Glaube an der Vielfalt des Lebens orientiert, dann wird dieser Glaube zu einem Glauben, der aus der eigenen Tiefe des Menschen kommt und nicht aufgezwungen ist. Man ist ja selbst auch Leben und der Glaube an sich selbst (ohne Überheblichkeit und Arroganz) ist ein bedeutender Baustein für das Selbstbewusstsein. Die Freiheit der eigenen Seele und des Geistes macht den Menschen aus, der ja selbst Natur und ein Teil dieser Vielfalt des Lebens ist. Wenn das internalisiert (verinnerlicht) wird, dann wird Religion zu etwas Befreiendem und eint uns mit dem Leben und dem All. Wir Menschen, wie alle Organismen sind letztlich Kinder des Universums, geboren aus unvorstellbar riesigen Supernovaexplosionen im All. Das lässt sich wissenschaftlich nachweisen.

Es ist entscheidend, ob der eigene Glaube wirklichkeitskompatibel ist, also von der Vernunft überprüft wird. Und der Vernünftige ist jeder selbst, jedenfalls sollte es jeder sein. Wenn man das nicht ist, wird auch langfristig die Spiritualität scheitern. Viele verdrängen dass und glauben weiterhin an Dinge, die nicht aus der Realität, aus der Wissenschaft und aus dem eigenen Erleben ableiten lassen. Sowas nennt man dann Entfremdung, von der Welt und natürlich dann auch von sich selbst.

Kurzformel:

Religion = Glaube + Spiritualität

Was ich schrieb ist ein ganz anderer religiöser Ansatz als es in den Offenbarungsreligionen gelehrt wird wie im Islam, im Christentum oder im Judentum oder auch im Polytheismus (Vielgötterei).

Entscheidend ist:

Die Überwindung des Dogmas und der Indoktrinierung ist der Beginn der Befreiung hin zu einer der Freiheit verpflichteten Internalisierung.

Frei und ohne Zwang sei der Glaube.

Was heißt das genau?

Es zeigt sich aus der Erklärung der folgenden drei Begriffe:

Dogma

https://de.wikipedia.org/wiki/Dogma

Indoktrination

https://de.wikipedia.org/wiki/Indoktrination

Internalisierung

https://de.wikipedia.org/wiki/Internalisierung_(Sozialwissenschaften)

Ich persönlich legte mir dieses Motto zu:

Mache Dir die Welt zu Deinem Tempel, in dem Du die Vielfalt des Lebens verehrst und es damit heiligst.

In diesem Sinne kann oder sollte vielleicht auch Religion ein bedeutender Faktor bleiben.

Herzlichen Gruß

Rüdiger

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Wissenschaftliches Buchstudium und eigene Erfahrung
SHildegard 
Fragesteller
 20.05.2023, 18:14

Erstmal Danke für deine sehr ausführliche Info, nur die Links die muß ich mir erst peu à peu durchlesen.

Zuerst dachte ich, nein nicht wieder so ein...... Doch nach dem durchlesen war ich erstaunt, denn so hat mir noch keiner Religion/Glaube usw. erklärt, also vielen Dank und noch ein schönes Wochenende. Gruß SHildegard

0
vonGizycki  20.05.2023, 22:42
@SHildegard

Ich freue mich das Du das schreibst. Die wenigsten verstehen das, ein paar gibt es aber schon. Vielleicht können wir uns ja weiter darüber unterhalten wenn Du magst. 😊

0
SalmasWelt  21.05.2023, 12:19

Natürlich muss ich auch mal meinen Senf hinzufügen ;)

Du hast ja behauptet, dass diese Definition von einem Religionswissenschaftler geschrieben wurde, darauf hast du dann die Antwort gebaut. Nicht jeder nennt seinen Gott "heilig", es gibt andere Begriffe dafür. In Wikipedia kann jeder Depp was reinschreiben, deshalb sollte man dieser Webseite nicht vertrauen. "Heilig" kann mehrere Bedeutungen haben.

0
vonGizycki  21.05.2023, 12:56
@SalmasWelt

Heilig kommt aber vom Wort Heil. Das Heil betrifft alles was einen ganz sein lässt oder werden lässt. Diesbezüglich kann dies nicht in der Sinnsuche vorgeschrieben werden. Im Prinzip ist dies ein lebenslanger Prozess, weil das, was einmal das Heil versprach, also mit der Vorstellung zusammenhängt, den Menschen ganz im Sinne von Ganzheitlichkeit werden oder sein lässt, sich im Laufe des Lebens ändern kann.

Daher muss sich jeder Mensch sein Heil selbst suchen und ändern dürfen und zwar nur er! Dazu muss Erziehung ihren Beitrag in Freiheit leisten. Nichts anderes sollte gelten.

Erich Fromm ein berühmter nicht mehr lebender Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe hat sich in seinem Leben eingehend mit diesem Phänomen befasst. Er schreibt:

Humanistische Religion hingegen bewegt sich um den Menschen und seine Stärke. Der Mensch muss seine Kraft der Vernunft entwickeln, um sich selbst, seine Beziehung zum Mitmenschen und seine Stellung im Universum zu verstehen. Er muss die Wahrheit erkennen, sowohl hinsichtlich seiner Grenzen, als auch seiner Möglichkeiten. Er muss seine Kräfte der Liebe für andere, aber auch für sich selbst! zum Wachsen bringen und muss die Solidarität mit allen lebenden Wesen erfahren. Er braucht Prinzipien und Normen, die ihn zu diesem Ziele führen.

Religiöse Erfahrung bei dieser Art von Religion heißt Erfahrung des Einsseins mit dem All, gegründet auf der Bezogenheit zur Welt, wie sie jemand in Denken und Liebe erfasst.

Das Ziel des Menschen in einer humanistischen Religion besteht darin, seine größte Stärke, nicht seine äußerste Ohnmacht zu erreichen. Selbstverwirklichung ist Tugend, nicht Gehorsam!

Das sollte meines Erachtens gelten, das sollte dem Menschen heilig sein!

Das also was Heil verspricht, wird dann so wichtig, das man nicht bereit ist, dies aufzugeben. Damit wird es von diesen Menschen als heilig empfunden. Mit einem Gott hat das vordergründig nichts zu tun. Das eigene psychische Wohlbefinden hängt davon ab. Insofern mutiert das Heilige zum lebenstragenden Prinzip, das Vertrauen in das Leben erzeugt. Hier darf daher nichts vorgeschrieben werden.

Und auf dieses Vertrauen in das Leben ist der Mensch essentiell angewiesen. Das Fehlen dieses Vertrauens deformiert den Mensch und er ist suizidgefährdet. Das wäre dann eine Perversion von Religion.

https://de.wikipedia.org/wiki/Ganzheitlichkeit

0
oldfashioned66  01.08.2023, 21:57

Viele Worte um etwas, das eben eines nicht ist: eine Religion.

0
vonGizycki  02.08.2023, 09:12
@oldfashioned66

oldfashioned66

Eine Religion ist wirklichkeit eine Glaubensart. Religion an sich ist übergeordnet.

Was ist Religion überhaupt?

Es gibt eine sehr schöne Definition die ich sehr gut finde. Und zwar ist das die von Gustav Mensching, einem verstorbenen Religionswissenschaftler. Sie erklärt wohl am ehesten den Begriff und gilt am klassischsten.

Religion ist erlebnishafte Begegnung mit dem Heiligen und antwortendes Handeln des vom Heiligen bestimmten Menschen“.

Von einem Gott ist nicht die Rede.

Da wäre aber noch zu klären, was heilig bedeutet:

Wikipedia:

Heilig bezeichnet etwas Besonderes, Verehrungswürdiges und stammt wortge-schichtlich von Heil ab, was sich abgeschwächt noch in heil („ganz“) wiederfindet. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist heilig ein im Zusammenhang mit Religion gebrauchter Begriff mit der zugedachten Bedeutung „einer Sphäre des Göttlichen, Vollkommenen oder Absoluten angehörig“.

Auch hier spielt ein Gott keine Rolle

Heiligkeit muss jedoch keineswegs auf einen alleinigen Gott oder irgendwelche Götter, Engel, Dämonen oder allein auf Tiere bezogen sein.

Es darf auch das ganze Leben selbst sein, mit all seiner Vielfalt, mit seinen erhabenen und ergreifenden Seiten, aber auch mit seine Härten, Grausamkeiten und Widersprüchlichkeiten. Das Leben an sich kann als besonders verehrungswürdig erlebt und angesehen werden. Woran soll man sich sonst orientieren? Dazwischen führt unser Weg, um uns orientieren zu können.

Zwischen diesen Seinsweisen, Konstruktivität (Aufbauendes) und Destruktivität, (Zerstörerisches) führt nämlich unser Weg, um Orientierung zu finden und um zu dem Menschen zu werden, den man sich wünscht und sein will. Beide Seiten sind absolut notwendig, damit Schöpfung stattfinden kann. Und sie findet ständig statt und ist nicht abgeschlossen.

Mit einem Gott hat das aber auch nichts zu tun!

0
vonGizycki  02.08.2023, 09:16
@oldfashioned66

Es wurde nach Religion gefragt, nicht nach einer Religion.

Die Begründung warum Religion immer noch wichtig ist, habe ich nochmal wiederholt für Dich!

0
oldfashioned66  02.08.2023, 21:53
@vonGizycki

Es zu wiederholen, macht es nicht besser. Denn der entscheidende Irrtum ist dieser:

Es ist entscheidend, ob der eigene Glaube wirklichkeitskompatibel ist, also von der Vernunft überprüft wird.

Da ist nicht der Inhalt von Religion, denn diese baut auf etwas auf, das sich eben nicht beweisen lässt, sondern allein eine Frage des Glaubens ist. Wie es auch schon bei Wikipedia dargestellt ist:

Die Lehren einer Religion über das Heilige und Transzendente sind nicht beweisbar im Sinne der Wissenschaftstheorie, sondern beruhen auf dem Glauben an Mitteilungen bestimmter Vermittler (Religionsstifter, Propheten, Schamanen) über intuitive und individuelle Erfahrungen.

Ist ja auch ganz logisch, denn sobald sich etwas faktisch belegen lässt, ist es eine Tatsache und keine Frage des Glaubens mehr. Dann ist Religion tot, weil diese nur durch den Glauben ihrer Anhänger existiert. Oder wie es in einem Liedtext so schön heißt:

We are God, 'cause only we can create the idea of His existence in our holy brains.
0
vonGizycki  02.08.2023, 23:22
@oldfashioned66
Es ist entscheidend, ob der eigene Glaube wirklichkeitskompatibel ist, also von der Vernunft überprüft wird.

Da ist nicht der Inhalt von Religion, denn diese baut auf etwas auf, das sich eben nicht beweisen lässt, sondern allein eine Frage des Glaubens ist. Wie es auch schon bei Wikipedia dargestellt ist:

******

Es gibt die Vorstellung, das selbst wenn sich der Inhalt von Religion nicht beweisen ließe, muss zumindest geklärt werden, wovon man spricht. Der Mensch bestimmt über seinen Glauben sein Leben. Den kann er beeinflussen. Der Drang seinen Glauben mit Ehrfurcht im Leben praktisch auszuleben (Spiritualität), ist eine Wesensart des Menschen, die er im Laufe seines Lebens versucht zu verwirklichen. Der Glaube ist der wichtigste Teil der Religion. Er bestimmt auch die Qualität der Verwirklichung.

Der Ursprung allen Seins von dem wir nichts wissen und das sprichst Du ja an als Inhalt von Religion, kann aber ein Geheimnis sein und dieses als existent dargestellt werden.

An dieses Geheimnis kann geglaubt werden, wenngleich es nicht beschreibbar ist, denn den Inhalt kennen wir ja nicht. Es gibt noch weitere philosophische Ansichten, die sich daraus logisch ableiten lassen.

Die Kurzformel

Glaube + Spiritualität = Religion

0

Leider erlebe ich in meiner Jugendarbeit noch viele christliche religionsfanatische Eltern. Der Trend ist aber rückläufig. Islamische Fanatiker/innen bei den Eltern werden jedoch immer mehr.