Ist das mit dem Gendern, also dieses "*innen", nicht einfach nur grammatikalisch falsch, also ein Rechtschreibfehler?

9 Antworten

Kurze Antwort: Ja. Wenn du damit Grammatikfehler und nicht Rechtschreibfehler meinst 😉. Das Gendern ist ungrammatisch und damit im Prinzip ein Fehler.

Lange Antwort: Es gibt die standardisierte Schulgrammatik (das Brot des Bäckers), die etwas rigider ist - und dann gibt es die mentale bzw. kollektive Grammatik der Sprachgemeinschaft, die jeder Sprecher im Kopf hat, z.B. Umgangssprache (dem Bäcker sein Brot) und/oder Dialekt (em Bägger sei Brohd). Aber egal welche Grammatik du hernimmst: das Gendern ist in jeder von ihnen ungrammatisch. In einem Soziolekt wie z.B. der Medienbubble oder der linkslinkesten Szene könnte es grammatisch sein, aber selbst dort passieren viel zu viele Fehler und es entstehen Ungenauigkeiten und Missverständnisse. Grammatikalisierung ist also auch dort nur ein frommer Wunsch ganz, ganz weniger Sprecher. Und die Frage ist ohnehin: kann es Grammatik sein, wenn man sich bewusst dazu entscheidet? Oder ist es nur eine Sprachmode? Ich denke es ist nur eine Mode.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
Von Experten LottaKirsch und Adomox bestätigt
gramatikalisch falsch also ein rechtschreibfehler

Allein in diesem Schnipsel sind drei Rechtschreibfehler, aber keine Grammatikfehler.

Soll man so etwas tatsächlich mit jemanden diskutieren, der weder den Unterschied zwischen Rechtschreibung und Grammatik kennt noch sich dafür interessiert oder gar daran hält?

Die Verwendung mit Sonderzeichen gegenderter Wörter ist vor allem in Plural absolut unproblematisch, weil die deutsche Sprache im Plural die Genera nicht markiert:

  • Gute Lehrer helfen schlechten Schülern.
  • Gute Lehrerinnen helfen schlechten Schülerinnen.

Demnach ist bei

  • Gute Lehrer*innen helfen schlechten Schüler*innen.

der Grammatik schon mal Genüge getan.

mit dem gendern also dieses "*innen"

Zwei Probleme:

  1. Wieso *innen? Das innen ist nicht falsch ("Lehrerinnen" kennst du?); wenn dann kannst dich über das Sternchen aufregen. (Viel Spaß dabei!)
  2. Das "also" ist auch hier falsch. "Lehrerinnen und Lehrer" ist auch Gendern; "Lehrkräfte" ist auch Gendern, "Lehrpersonal" ist auch Gendern. Gendern heißt einfach nur, den maskulinen Sexus nicht überzubetonen.

Ich gehe davon aus, dass du alles verstanden hast, weil du bestimmt nicht hier bist, damit Leute dir einfach recht geben 😁

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – staatl. gepr. Übers. und absoluter Sprach(en)nerd
FinnViereck  02.01.2022, 15:10

Meine Güte! Wenn du dich über seine Rechtschreibfehler aufregst, darf ich dir dann wenigstens auch sagen, dass du linguistisch ein ganz ähnliches Niveau unterschreitest?

Gendern ist keine grammatische Kategorie, Genus ist eine, genauergesagt ein System aus Deklinationsklassen, denen grammatische Bedeutung innewohnt, aber keine lexikalische. Nicht das Genus sagt einem, dass "die Frau" weiblich ist sondern die Lexik des Wortstamms 'Frau'. Oder wieso heißt es 'die Mannschaft'? Die Entstehung des femininen Affixes -in bzw. -innen hat eine lexikalisch explizite Bedeutungsmovierung möglich gemacht, die man an die lexikalisch generische Standardform -er anhängen kann. Man kann Weiblichkeit durch Affigierung herausstellen, Männlichkeit jedoch nicht. Dass die dritte Deklinationsklasse überhaupt 'Femininum' heißt, hängt mit dem sehr dünnen Faden zusammen, der wenige lexikalisch weibliche Formen mit ihr zusammentäut. Aber daraus irgendwas abzuleiten ist linguistischer Dilettantismus.

Und wenn du mir jetzt mit den hochkontroversen Gygax- und Stahlberg-Studien kommst: zu denen kann ich dir auch ein paar Dinge sagen.

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rei2017  02.01.2022, 22:41
@FinnViereck
Meine Güte!

Guter Einstieg! Da weiß man gleich, dass man eigentlich gar nicht weiterlesen sollte. Die Rechtschreibfehler des Antwortenden könnten mir egaler nicht sein. Worum es mir ging, wird oben klargestellt: Menschen die sich einen Dreck um die Sprache kümmern, spielen sich zu Sprachwahrern auf, sobald es ums Gendern geht. Aber zum Thema:

Wozu erzählst mir Dinge über das Genus, die ich (a) längst weiß und die (b) nichts zur Sache tun? Ob jemand ein Wort gendert oder nicht, hängt nicht vom Genus ab, sondern einzig und allein vom markierten oder assoziierten Sexus. Wenn es keinen gibt (Der Junge ist eine Waise.), dann wird auch nicht gegendert.

Wenn ein Kind dir erzählt, es habe einen neuen Mathe-Lehrer, wirst du wahrscheinlich Fragen, ob es ein Mann oder eine Frau ist. Schließlich hat das Kind ja eine "lexikalisch generische Standardform" verwendet, aus der man absolut keinen Schluss ziehen kann. "Linguistischer Dilettantismus" ist, wenn man Kontext und tatsächlichen Sprachgebrauch komplett ausblendet.

  • Lehrer ist ein anstrengender Beruf. (Generikum)
  • Mein Lehrer war sehr streng. (kein Generikum)
Man kann Weiblichkeit durch Affigierung herausstellen, Männlichkeit jedoch nicht.

Doch, ist nur nicht sonderlich produktiv. Ist vielleicht auch ganz gut so, da man direkt zu sexusneutralen Bezeichnungen übergeht oder die Begriffe "öffnet". Seit 2020 sind auch Männer Hebammen. Mal abwarten, ob sich volkssprachlich durchsetzen kann und das Wort damit in dieselbe Kategorie rutscht wie Waise. Kann man alles schon mal nicht gendern.

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FinnViereck  03.01.2022, 19:28
@rei2017
Die Rechtschreibfehler des Antwortenden könnten mir egaler nicht sein.

Doch. Sie könnten dir so egal, dass du sie garnicht erst erwähnst.

Ob jemand ein Wort gendert oder nicht, hängt nicht vom Genus ab, sondern einzig und allein vom markierten oder assoziierten Sexus. Wenn es keinen gibt ( Der Junge ist eine Waise.), dann wird auch nicht gegendert.

Ich glaube das Problem liegt darin, dass du das Gendern als eine Lösung für ein Problem postulierst, das garnicht existiert. Das ist für mich das entscheidende Problem, wenn du behauptest, dass man überhaupt irgendetwas tut, wenn man 'gendert'. Die Standardform mit -er (Macher) verschiebt ja nur in Opposition zur movierten Form (Macherinnen) die Bedeutung von "geschlechtsunspezifisch" zu "aussschließlich männlich". -innen ist dabei übrigens semantisch, nicht grammatisch. So wie Affixe wie -schaft oder -ung semantisch sind, aber ebenfalls das dritte Genus regieren. Hier ist der ungute Irrtum der klassischen Grammatiker übrigens entstanden, dass an der dritten Deklinationsklasse irgendwas weiblich wäre. Tatsächlich hat man nach Jakobson so in den allermeisten Fällen drei Bedeutungen mit nur zwei Formen realsiert, was sprachökonomisch genau das ist, was man erwarten würde. Den Rest regelt - wie du so schön sagst - der Kontext. Und wo wir gerade beim Kontext sind:

Wenn ein Kind dir erzählt, es habe einen neuen Mathe-Lehrer, wirst du wahrscheinlich fragen, ob es ein Mann oder eine Frau ist.

Eben nicht. Warum? Weil das Problem, das manche mit der Standardform haben, vor Allem ein Plural-'Problem' ist. Im Singular ist die Form -er bei Berufen / Personen ja in den allermeisten Fällen spezifisch männlich, -erinnen ist spezifisch weiblich. Das Singular hat ja den Vorteil, dass es von Natur aus oft spezifischer ist und somit in den allermeisten Fällen garkein Raum für Missverständnisse lässt. Es gibt einige generische Formen wie "Jeder Lehrer muss sich seiner Verantwortung bewusst sein", so wie du sie beschreibst. Aber kein Versuchsaufbau hat ein Potenzial für Missverständnisse belegen können, die nicht mit mehreren bereits existierenden Strategien von Allen Sprechern einfach umschifft werden können. Wer sich als Frau von diesem Satz oder von "Lehrer ist ein anstrengender Beruf." oder von "Alle Lehrer bitte ins Lehrerzimmer kommen.", der befindet sich im Krieg mit seinem eigenen Sprachzentrum.

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FinnViereck  03.01.2022, 19:33
@FinnViereck

Sollte heißen: Wer sich als Frau von "Lehrer ist ein anstrengender Beruf" oder von "Alle Lehrer bitte ins Lehrerzimmer kommen" nicht angesprochen fühlt, der befindet sich im Krieg mit seinem eigenen Sprachzentrum.

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Das mit dem Sternchen macht man um auch das diverse Geschlecht mit einzubeziehen, also Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann fühlen, sondern das Geschlecht dazwischen liegt.

Es ist das grammatikalisch richtig, was die Sprachgemeinschaft als richtig ansieht. Leider wird in der Schule ein veraltetes, extrem präskriptives Bild von Sprache vermittelt, das sich mittlerweile jenseits moderner Sprachwissenschaft befindet. Dieses veraltete Bild findet sich in der generellen Diskussion und hier auf gutefrage in entsprechenden Fragen immer wieder.

Wenn eine Sprachgemeinschaft das neue Suffix * also gemeinschaftlich nutzt, ist daran nichts "falsch", es ist nur eben neu.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Doktor der Englischen Sprachwissenschaft
FinnViereck  02.01.2022, 14:55

Jo. Aber sie nutzt es ja nicht und findet es mehrheitlich, geschlechterübergreifend, von links nach rechts, von alt bis jung, unwichtig (Forsa, Emnid, FG Wahlen, Infratest: 66 - 82%). Zudem widerspricht es prognosefähigen Sprachwandelmodellen wie der Markiertheitstheorie und fußt auf linguistisch unqualifizierten Studien wie Gygax oder Stahlberg. Es ist nach allem, was wir über Grammatik wissen, auch über unsere mentale Grammatik, also nicht nur die konservative Schulgrammatik, ungrammatisch.

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Noch ja. Aber wenn es alle so machen, wird es in den Duden aufgenommen. Deutsch ist eine lebende Sprache, die sich verändert.

rei2017  02.01.2022, 04:45
wird es in den Duden aufgenommen

Der Duden ist seit 1996 nicht mehr "offiziell".

Seit 2004 gibt es den Rat für deutsche Rechtschreibung (Rechtschreibrat), in dem alle Länder und Regionen vertreten sind, in denen Deutsch Landes- und/oder Amtssprache ist. Dieser Rechtschreibrat veröffentlicht das amtliche Regelwerk und alleine das ist gültig. In Österreich (und Südtirol?) gilt das ÖWB. Der Duden und andere Wörterbücher weichen in Teilen davon ab und "regeln" (erklären?) auch (Nischen-)Fälle, die im amtlichen Regelwerk nicht behandelt werden.

Der Rechtschreibrat nennt in einer aktuellen Empfehlung das Gendern mit Sonderzeichen fehlerhaft, wahrt sich hier aber einen Beobachterstatus und möchte sich zukünftig dem tatsächlichen Sprachgebrauch anpassen.

(Meiner Meinung nach ging der Rechtschreibrat - wie viele Kritiker(*innen) - dabei von einem falschen bzw. veralteten Ansatz aus...)

Allerdings gibt es keine amtliche Regel zum Gendern mit Sonderzeichen. Somit ist das Thema in der Schwebe, also weder richtig noch falsch.

Zudem ist die amtliche Rechtschreibung nur in sehr wenigen Lebensbereichen bindend und kann außerhalb des Regelschulunterrichts überall ergänzt und/oder abgewandelt werden, z. B. durch Hausregeln oder sog. style guides.

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Knochi1972  02.01.2022, 21:14
@rei2017
Zudem ist die amtliche Rechtschreibung nur in sehr wenigen Lebensbereichen bindend

Nah, wennn dass soh ißßt... 😂🤣

Ich glaube, im Duden steht nicht allzu viel Abweichendes. Denn auch dieser Rat übersieht Änderungen im Sprachgebrauch sicher nicht.

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rei2017  02.01.2022, 22:51
@Knochi1972
Denn auch dieser Rat übersieht Änderungen im Sprachgebrauch sicher nicht.

Der Rat ist ein bisschen wie Frau Merkel war: Bloß nichts überstürzen.

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Knochi1972  04.01.2022, 08:41
@rei2017

Das erscheint mir in der Sprachregelung auch sinnvoll. Neue Wörter müssen Alltagssprache werden, sonst bleiben sie nur Modewörter.

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