Ich verstehe diesen Text über Lessing nicht ganz. Kann mir ihn jemand erklären?

2 Antworten

Eigentlich, girlover, dürfte es dir nicht schwer fallen, dich dem Text zu nähern, wenn du dir eine Frage vergegenwärtigst:

Woher beziehst du die Werte in deinem Leben?

Für den Hamburger Hauptpastor Johann Melchior Goeze war die Antwort eindeutig: Die offenbarten Bibeltexte und ihre gelehrten Auslegungen durch den Pastor waren die allgültige Richtschnur.

Wer daran zweifelte, stellte die Autorität der Kirche infrage, die ihrerseits noch eng mit der weltlichen Macht leiert war. Deshalb erhielt Lessing nach längerer Auseinandersetzung mit Goeze vom Herzog von Braunschweig ein Schreibverbot.

Lessing vertrat eine deistische Gottesvorstellung.

Als  Deismus  [de'ɪsmʊs] (‚Gotteslehre‘, von  lateinisch  deus ‚Gott‘) bezeichnet man eine Religionsauffassung, nach der nur  Vernunftgründe, nicht die Autorität einer  Offenbarung, zur Legitimation theologischer Aussagen dienen können.  wikipedia

Seine Vorstellungen von religiöser Toleranz hat er in seinem Drama „Nathan der Weise“ zum Ausdruck gebracht.

Ich meine die Frage, wie wir zu unseren Werteinstellungen, zu unseren Überzeugungen kommmen, ist auch heute noch sehr spannend. Kommen sie von außen - von den Eltern, von den Wissenschaften - oder vielleicht doch aus unserem Inneren?...

Lessings Verteidigung von Reimarus und seine eigenen unorthodoxen Gedanken zur Religion hatten die Reaktion eines Theologen namens Goeze bewirkt. Lessing reagierte auf diese Kritik durch eine Schrift mit dem Titel Anti-Goeze, die selbst zu einer sehr scharfen Reaktion von Goeze führte (Lessings Schwächen).

Es geht grundsätzlich um den Status der Wahrheit. Lessing vertritt die These, die Wahrheit sei etwas Dynamisches, nichts Vorgegebenes, und der Weg selbst sei die Wahrheit. Nach diesem Schma steht Offenbarung am Anfang des Weges, Vernunft ist steht unterwegs, im Wandel und Fortschritt begriffen, bis der Mensch zur Fähgkeit gelangt, das Gute um des Guten selbst zu leisten (diese Thesen führt er etwas später in der Schrift Die Erzeihung des Menschengeschlechts aus).

Goeze hält dagegen für die klassich-konservativee Auffassung: es gebe eine vorgegebene Wahrheit, also einen Gott. Er hatte durchaus verstanden, dass Lessings Ideen auf die Überflüssigkeit Gottes hinauslaufen und damit auch die politische Stabilität gefährden, die damals auf der Autorität der Religion beruhte. Damit gewinnt er sich die Gunst der Obrigkeit.

Die damals herrschende Zensur verbietet es also Lessing, weiter zu diesem Thema zu schreiben.

Da hat er den Nathan geschrieben, um dieses Verbot zu umgehen - das ist der Schlüssel zum letzten Satz deines Textes:

"Ich muss versuchen, ob man mich auf meiner alten Kanzel, auf dem Theater, ungestört will predigen lassen." 

"Theater" als "alte Kanzel" meint als in der Beziehung ganz konkret die Veröffentlichung von Nathan der Weise.