Homo floresiensis?

2 Antworten

Beim Flores-Menschen handelt es sich wohl um eine durch Inselverzwergung recht klein gewordene Population des Homo erectus. Manche führen ihn auch als eine aus dem Homo erectus hervorgegangene Art, Homo floresiensis, an. Beides ist richtig, beides ist falsch. Warum?

Weil wir eines nicht vergessen dürfen: die "Art" ist eine Erfindung des Menschen, um uns die Einordnung ins natürliche System des Lebens zu erleichtern, eigentlich existiert sie aber gar nicht. Was wir als eine Art bezeichnen, ist nämlich nur eine Momentaufnahme. Tatsächlich verändern sich die Arten über die Zeit hinweg aber. Sie sind also keine starren Konstrukte, sondern fließend. Das "Etikett", das ein Paläontologe einem Fossil in Form eines Artnamens verpasst, ist daher das einer sog. Chronospezies - also einer Art mit einem bestimmten Aussehen zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt. Verändert sich das Aussehen der Art zu einem späteren Zeitpunkt, erhält sie einen anderen Namen zur besseren Unterscheidung. Nur muss man sich dann natürlich die berechtigte Frage stelken: wenn doch die Chronospezies A über viele Generationen hinweg graduell in die Chronospezies B übergeht, handelt es sich dann wirklich um verschiedene Arten oder, da es ja haargenau dieselbe Evolutionslinie ist, immer noch um dieselbe Spezies nur mit einem anderen Aussehen? Auf die Spitze getrieben könnte man sogar alle Menschenfossilien einer einzigen Spezies zuordnen, dem Homo sapiens, denn der Übergang war stets fließend und so gibt es denn auch zahlreiche Fossilien, die Zwischenstadien repräsentieren, bei denen man sich z. B. fragen kann: Ist das jetzt noch Homo erectus oder schon Homo sapiens?

Die Beurteilung, was man alles zu einer Art zählt, ist also alles andere als eindeutig, sondern vor allem eines: Interpretationssache. Und so haben sich innerhalb der Taxonomen zwei verschiedene Schulen ausgebildet: die Lumping Taxonomy und die Splitting Taxonomy. Lumper legen mehr Wert auf gemeinsame Merkmale und gestehen einer Art eine größere Variabilität zu. Sie unterscheiden entsprechend weniger Arten. Die Lumper unterscheiden beispielsweise nur drei Homo-Arten: Homo habilis, Homo erectus und Homo sapiens. Splitter hingegen betonen stärker die Unterschiede, schon geringere Abweichungen rechtfertigen für sie eine Abtrennung als eigene Art. So ist für sie z. B. der Neanderthaler eine eigene Art, während Lumper in ihm eine Unterart des Homo sapiens sehen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Gute Frage – du denkst da schon sehr differenziert! Hier eine strukturierte Erklärung zu den drei Haupttheorien über Homo floresiensis und was sie bedeuten:

1. Eigene Art (spezialisierter Abkömmling)

Diese Theorie besagt, dass Homo floresiensis eine eigenständige Menschenart war – mit klarer evolutionärer Abgrenzung.

Herkunft: Wahrscheinlich von Homo erectus abstammend, der vor über 1 Mio. Jahren Südostasien erreichte.

Warum eigene Art?

• Kleines Gehirn (ca. 400 cm³), aber relativ komplexe Steinwerkzeuge

• Einzigartige Kombination aus primitiven und modernen Merkmalen

• Proportionen ähneln Frühmenschen (Australopithecus) – aber dafür zu jung (ca. 60.000 Jahre alt)

2. Pathologische Variante des modernen Menschen (Krankheitstheorie)

Diese Theorie geht davon aus, dass H. floresiensis kein eigene Art war, sondern ein an genetischen Störungen leidender moderner Mensch (z. B. Mikrozephalie).

Argumente dafür:

• Kleinwüchsigkeit und Schädelstruktur könnten pathologische Ursachen haben

Aber:

• Die Skelettform ist insgesamt zu „primitiv“, um einfach eine krankhafte moderne Abweichung zu sein

• Viele Merkmale sind konsistent über mehrere Individuen hinweg – das spricht gegen eine Einzelkrankheit

3. Abkömmling eines sehr frühen Homininen (vielleicht sogar vor Homo erectus)

Diese Theorie sagt: H. floresiensis könnte von einem sehr primitiven Vorfahren stammen – z. B. Homo habilis oder sogar Australopithecus-ähnlich.

Warum?

• Einige anatomische Merkmale ähneln Australopithecus

• Das wäre revolutionär, weil man solche frühen Homininen bisher nur aus Afrika kennt

Und was ist mit den Steinwerkzeugen?

Ja, der Fund von relativ ausgefeilten Steinwerkzeugen spricht gegen eine krankhafte moderne Variante.

• H. floresiensis war geistig fähig, Werkzeuge herzustellen und zu benutzen

• Das passt eher zu einer eigenen Art als zu einer krankhaften Entwicklungsstörung

Fazit:

Die Theorie, dass Homo floresiensis eine eigene Art war – wahrscheinlich aus Homo erectus entstanden und durch Inselverzwergung (Inseleffekt) so klein geworden –, wird heute von den meisten Forschern bevorzugt.

Trotzdem ist der Ursprung noch nicht ganz geklärt, weil das Skelett so ungewöhnlich ist.