Hochsensibilität, Fluch oder Segen?

5 Antworten

Momentan tendiere ich noch eher dazu, meine Hochsensibilität als Fluch wahrzunehmen, obwohl es glücklicherweise auch Tage gibt, an denen ich mich so akzeptiere, wie ich bin.

Von Hochsensibilität habe ich das erste Mal vor etwa einem halben Jahr gehört. Ich wusste schon, dass ich irgendwie "zu" sensibel und empfindlich bin, das durfte ich mir schon mein Leben lang anhören. Jedoch habe ich da zum ersten Mal davon erfahren, dass ich damit nicht alleine bin und auch einige meiner positiven Charaktereigenschaften von meiner Hochsensibilität kommen.

In der Vergangenheit (und auch jetzt noch oft genug) haben mich manche Situationen einfach so stark überlastet (vor allem die Kombination aus Menschen und Lärm ohne Fluchtmöglichkeit), dass ich auch am Tag darauf noch total ausgelaugt war oder ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. Wenn ich manchmal vorsichtig kommuniziert habe, dass mich eine bestimmte Sache stört, wurde ich oft verständnislos angeschaut und mein Wunsch wurde ignoriert.

Auch jetzt erwische ich mich manchmal noch dabei, dass ich Situationen, die mich überfordern könnten, schon im Vorhinein vermeide. Offensichtlich ist das keine dauerhafte Lösung, weshalb ich momentan daran arbeite, Kompromisse für mich selbst zu finden. So versuche ich mich kurzzeitig zurückzuziehen, sobald ich bemerke, dass ich eine Pause brauche (notfalls "weil ich aufs Klo muss ;)" ). So kann ich in einigen Fällen vermeiden, dass es zu einer absoluten Überforderung kommt, in der ich mich nur wehrlos und teilweise aggressiv fühle.

Da ich mich aufgrund meiner Hochsensibilität viel mit mir selbst beschäftige, kann ich ganz gut einschätzen, was ich brauche und was mich triggert. So versuche ich rechtzeitig vor einer Handlung zu überlegen, ob mir diese gut tut. Daher habe ich schon den ein oder anderen kontroversen Artikel vor dem Lesen geschlossen oder auch eine Diskussion zu einem mir wichtigen Thema abgebrochen, wenn mir dies zu nahe gegangen wäre.

Letztendlich ist es immer ein Abwägen, inwieweit man sich selbst etwas zumuten kann. Ich denke, da muss auch jeder die passende Balance für sich finden. Die Hochsensibilität sollte das Leben nicht so stark steuern, dass man regelmäßig auf Dinge verzichtet, die auf irgendeine Weise notwendig sind - sei es für die Gesundheit, für die soziale Teilhabe oder einfach persönliche Vorlieben. Jedoch bringt es natürlich auch nichts, sich täglich an seine Grenzen zu treiben, um "normal" zu wirken.

Dadurch, dass ich mich in Zukunft noch intensiver mit dem Thema auseinandersetzen werde, denke ich, dass ich es bald mehr als Segen und weniger als Fluch betrachten kann. Ich könnte dazu noch so viel schreiben, aber belasse es erstmal hiermit :)

Dir noch einen schönen Abend! :D

FelixvB 
Fragesteller
 07.06.2021, 20:44

Vielen Dank, für deine Antwort.

Wünsche dir alles Gute.....

1

Ich bin 53 und habe 2016 das erste Mal von HSP gehört und für mich war es in diesem Moment ein Zeichen, dass ich doch kein Alien bin 🤗.

Für mich hat es sehr vieles geklärt.

Ob es nun nervt oder nicht, es ist wie es ist und ich finde den Weg, mit dem ich am besten klar komme.

Natürlich gibt es diese spooky Momente, die nicht zu erklären sind. In dem Moment wo du das akzeptierst geht vieles sehr viel einfacher.

Eine ehemalige Bekannte hat mir vor sieben Jahren einmal empfohlen, dass ich mich mit dem Thema Hochsensiblität beschäftigen sollte, da sie vermutet, dass ich hochsensibel bin. Das habe ich aber nicht ernst genommen, da ich mich nicht für hochsensibel hielt.

Einige Jahre später hat dann eine Psychologin, welche meine ehemalige Bekannte nicht kennt, auch wieder gemeint, dass sie mich für hochsensibel hält und ich einmal einen Test machen sollte. Jetzt wurde ich neugierig und habe mich mit diesem Thema beschäftigt. Ich habe akzeptiert, dass ich hochsensibel bin und zu diesen 15 - 20% der Bevölkerung gehöre (diese Zahl liest man zumindest in der Fachliteratur). Viele hochsensible Menschen wissen gar nichts von ihrer Hochsensibilität.

Ich kann meine Hochsensibilität mittlerweile viel mehr als ein Geschenk und viel weniger als eine Belastung annehmen. Beispielsweise führe ich meine Fähigkeit, mich sehr gut in andere Menschen hineinversetzen zu können, in erster Linie auf meine Hochsensibilität zurück.

Die Psychologin Sylvia Harke, die selbst hochsensibel ist, sagt hierzu:

  • "Hochsensible haben einen sorgfältigen Arbeits- und Wahrnehmungsstil. Sie beobachten, sehen und spüren sehr gennau, was um sie herum vorgeht und möchten alles gründlich durchdenken oder sorgfältig bearbeiten. Hochsensiibilität bedeutet, gründlich über alles nachdenken. Die intensive Verarbeitung von Umweltreizen befähigt sie zu einer ausgeprägten Empfindungsfähigkeit und einer differenzierten Wahrnehmung für andere Lebewesen."
  • Hochsensible verfügen über ein reichhaltiges Innenleben, das sich durch intensives Empfinden, tief gehende Gefühle, plastische Träume, starke Naturverbundenheit und Neigung zu philosophischen Gedankengängen auszeichnet. Sie sind leicht zu inspirieren durch Kunst, Musik, Farben, Düfte und anregende Gespräche.
  • Hochsensible verfügen über eine ausgeprägte Empathie und Mitgefühl für Mensch und Tier. Sie haben ein starkes Einfühlungsvermögen, sind hilfsbereit und verfügen oft über ein hohes Verantwortungsgefühl.
  • Da Hochsensible eine niedrigere Reizschwelle haben, fühlen sie sich schneller von Eindrücken überreizt. Sie brauchen Rückzug und Ruhe, um Erfahrungen zu verarbeiten. Sie halten sich besonders gern in der Natur auf, weil sie hier ihre strapazierten Nerven besser beruhigen können. Hochsensible verspüren starke emotionale Empfindungen und reflektieren ihre Lebensereignisse überdurchschnittlich. Dabei können sie zum Grübeln, Weltschmerz und Schuldgefühlen neigen. Hochsensible können anfälliger für Stressbedingte Erkrankungen und Allergien sein.
  • Aufgrund ihrer Andersartigkeit werden Hochsensible schon von frühester Kindheit an von ihrem Umfeld in Frage gestellt. Diese und andere Sätze, der starke Gerechtigkeitssinn und das tiefe Empfindungsvermögen macht Hochensensible verletzbar in ihrem Selbstbild, insbesondere in der Kindheit.
  • Hochsensible reagieren mit Stress, Missempfinden, Schmerz und Unwohlsein auf laute Geräusche, überfüllte Straßen, Cafes und Einkaufszentren. Teilweise sind sie schmerzempfindlicher oder ängstlicher, was sich bei Arztbesuchen, Zahnbehandlungen usw. zeigen kann."
Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
FelixvB 
Fragesteller
 07.06.2021, 18:34

Ja, das weiß ich alles.

Wenn du deine HSP mehr als Geschenk annehmen kannst, dann freut mich das wirklich für dich. Aber ich sehe es bei mir eher als eine Belastung.

Ich bin vielleicht auch in einem falschen Umfeld.... mit den falschen Menschen zusammen.........

1

Die Hochsensibilität ist nicht gut !

Heutzutage und schon seit mehreren tausend Jahren ist der Robuste Mensch im Vorteil. Er kann sich besser durchsetzen und ist abgebrüht, wenn er von anderen Leuten verbal angegriffen wird.

thatsmypw1  07.06.2021, 20:50

Und dennoch haben Hochsensible mehr Potential eine gute Lebenszufriedenheit zu erreichen, als robuste Roboter ;)

1
FelixvB 
Fragesteller
 07.06.2021, 20:52

Aha, soll heißen: Entweder ich zwinge mich dazu, auch so robust und abgebrüht zu werden oder ich ziehe mich lieber komplett aus der Gesellschaft zurück, ja?

0
decordoba  07.06.2021, 21:01
@FelixvB

Es ist schwierig, damit umzugehen. Man sollte sich eine gewisse Hartnäckigkeit angewöhnen und nicht wegen dem ersten Streit in der Firma davonrennen.

Ein Vergleich OT: Die alten Kelten waren sehr robust. Sie haben nichts gefürchtet, nur, wenn ihnen der Himmel auf den Kopf fällt.

0

Ich hab das nur in leicht.

Finde die Vorteile wiegen sich mit den Nachteilen aus