Haben Autisten ein höheres Risiko zu psychischen Krankheiten?

8 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Wir Autisten sind definitiv einem höheren Risiko ausgesetzt, an psychischen Krankheiten zu leiden.

Genauso sind wir einem größeren Risiko ausgesetzt, ausgegrenzt, gemobbt, missbraucht zu werden, sowie sexuelle und anderweitig gewalttätige Übergriffe zu erfahren und psychische Gewalt zu erleben.

Das liegt jedoch nicht am Autismus. Autismus führt nicht zu Sozialphobien, zu Depressionen, zu Angstzuständen uvm.

Eine Gesellschaft, die einen nicht voll und ganz so nimmt, wie man ist, tut es.

Autismus ist nicht das Problem.

Masking, Unverständnis der anderen, Mobbing, soziale Isolation, das Herunterspielen unserer spezifischen, autistsichen Eigenheiten - Der schiere Ableismus, der sich noch immer an sehr vielen Stellen aus seinen dreckigen Poren wagt, ist das Problem. Natürlich ist der Fisch nicht an Land glücklich. Der Fisch kann an Land nämlich nicht überleben!

Allerdings haben die Fische bereits ihr "Land" (das Meer), ganz im Gegensatz zu uns Autisten.

Wenn mindestens die Hälfte der gesamten Weltpopulation deinen Autismus allerhöchstens solange akzeptiert, wie du dich erfolgreich maskieren kannst und trotzdem noch Geld dafür ausgegeben wird, um das "Heilmethoden" zu forschen, die gar nicht nötig wären (und auch niemals möglich sein werden!), würde man das mit der Akzeptanz und Inklusion wirklich ernst meinen, ist es schwer, keine psychische Erkrankung im Laufe deines Lebens zu entwickeln. Wenn nicht sogar gleich mehrere!

Um genauer zu sein: So gut wie jede Krankheit, Behinderung oder Störung ist möglich. Um nur mal die möglichen Komorbiditäten aufzuzählen, die mir ganz spontan einfallen:

  • Depression
  • Sozialphobie
  • Spezifische Phobien
  • Epilepsie
  • Schlafstörungen (Wir Autisten haben auch eine kürzere REM-Phase als Neurotypisten)
  • Essstörungen
  • Tourette-Syndrom
  • Tic-Störung
  • Generalisierte Angststörung
  • Zwangsstörung
  • Borderline-Persönlichkeitsstörung
  • Alexithymie
  • Geistige Behinderung
  • ADHS
  • Posttraumatische-Belastungsstörung
  • Sensory Trauma (Wobei ich nicht weiß, ob das diagnostiziert werden kann, aber es existiert definitiv)
  • Psychose
  • Schizophrenie
  • Bipolare Störung
  • Selektiver Mutismus
  • Lese-Rechtschreibschwäre
  • Dyskalkulie
  • Panikstörung
  • Dyspraxie
  • Brain Fog
  • Hypermobilität
  • Ehlers-Danlos-Syndrom
  • Geschlechtsdysphorie (Ist natürlich weder eine Störung, noch eine Krankheit, aber es kann das Leben nochmal schwieriger machen, wenn man sowieso schon von intoleranten Gestalten umgeben ist)
  • uvm.

Fast nie ist ein Autist nur autistisch. Ob diese Komorbidität bzw. Komorbiditäten alle diagnostiziert werden, steht auf einem anderen Blatt - Einige davon entwickeln sich ja auch erst im Laufe des Lebens.

Ich finde diesen Blog ziemlich gut, im Bezug auf die Frage, weshalb wir Autisten statistisch gesehen eine niedrigere Lebenserwartung haben.

Um ein paar Stellen daraus zu zitieren:

Suicide is not the only reason why autistic people die younger than our non-autistic peers. Some of the social issues we face like unemployment, poverty and isolation impact our health. Many of us have lived with  toxic stress.
(...)
Research shows that autistic people have high levels of co-occurring mental health conditions, yet a number of case reports have revealed that autistic people get the wrong mental health diagnosis and are less likely to agree with a mental health diagnosis because they didn’t feel their healthcare professional understood their condition or how to communicate with them properly.
An event causing Sensory Trauma to an autistic person may be perceived as inconsequential by non-autistic people in the same environment – if perceived by them at all. The autistic person’s reaction may be viewed as “challenging behaviour”, overemotional, or maybe not even accepted or believed – simply because the event may not be recognised as traumatic to other people. The invalidation and mislabelling that accompanies this may – as in my case – lead to an autistic person doubting their genuine experiences and eventually mistrusting their own judgement and expertise on their health and life.
(...)
Too frequently I hear anxiety or some other condition described as “part” of autism and therefore to be expected and accepted. It is time these ideas were challenged. Autistic people, whether they also have a learning disability or epilepsy or gastrointestinal disorder or are like much of the human race – simply average or thereabouts – deserve to have a good quality of life.
(...)
Even the design of hospitals and surgeries, and the sensory overload that comes with all that white brightness, and noise makes them inaccessible.
(...)

Und diese Probleme sind nicht einfach aus der Welt geschafft, indem wir halbherzig "Inklusion, yay" rufen und uns Autisten gesagt wird, wir sollen uns einfach sozial mehr engagieren. Das einzige, was passiert, ist: Mehr Masking für uns, während die andere Partei (die Neurotypisten, die ignorant sind) keinen Finger krümmen muss. Denn weshalb sollte von Neurotypisten verlangt werden, autistische Kommunikationsweisen zu erlernen, wenn es über Generationen hinweg andersherum war? (*hust* Double-Empathy-Problem *hust*)

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin diagnostizierte Autistin (Keine Selbstdiagnose)👽

Dieser Text wird lang werden, Achtung!!

Ja, aber sicher doch! Wenn man bedenkt, dass viele autistische Menschen sehr oft bereits früh im Leben negative Erfahrungen in sozialen Situationen machen. Mobbing in der Schule ist da ein Beispiel. Aussagen wie „Autisten sind einfach einfältiger für Depressionen“ sind schlicht und ergreifend falsch. Zwar gibt es bei der Entstehung von psychischen Krankheiten jeglicher Art immer eine genetische Veranlagung - mitunter kann das stark erhöhte Risiko für psychische Störungen bei Autismus auch zum Teil darin begründet sein, dass mit dem Vorliegen einer Autismus-Spektrum-Störung, Defizite in den sogenannten exekutiven Funktionen vorhanden sind. Exekutive Funktionen sind neurologische Strukturen in unserem Gehirn - genauer gesagt im präfrontalen Kortex, eine Hirnregion, die im Frontalhirn zu finden ist. Ein Defizit in den exekutiven Funktionen kann sich folgendermaßen zeigen:

  • Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen
  • reduzierte Willensbildung
  • mangelnde Impulskontrolle/Emotionsregulation
  • eingeschränkte Flexibilität
  • Priorisierungsschwäche

Dazu gehört noch viel mehr, aber hier soll es ja nicht explizit um die exekutiven Funktionen gehen, sondern um die Frage, warum Autisten so häufig psychische Probleme entwickeln.

Die Genetik bzw. autistische Veranlagung/Neurologie könnte dabei durchaus eine Rolle spielen, allerdings spielen andere Faktoren ebenfalls eine erhebliche Rolle. Was meiner Meinung nach, nicht unerwähnt bleiben sollte, ist, Folgendes: Selbst wenn tatsächlich von Autismus Betroffene, allein durch ihre besondere Hirnanatomie „einfach anfälliger“ für Depressionen oder Angststörungen wären, wäre die „logische“ Schlussfolgerung, Autismus zu „heilen“.

Meiner Ansicht nach, ist solch eine Behauptung, zu eindimensional betrachtet. Wesentlich ausschlaggebender, ist die Tatsache, dass wir Autisten uns in einer Welt zurechtfinden müssen, in welcher die allermeisten Menschen neurotypisch sind, sprich „normal“. Dieses Gefühl, irgendwie „anders“ zu sein, nicht dazuzugehören, begleitet viele von uns, mehr oder weniger, unser gesamtes Leben lang. Viele tun sich daher recht schwer, stabile Freundschaften zu anderen Menschen, zu knüpfen. War bei mir auch schon in der Schule so. Besonders der Kontakt zu Gleichaltrigen fiel mir (und vielen anderen im Spektrum) immer nicht leicht. Autisten unterscheiden sich halt signifikant von der Normbevölkerung. Daher bekommen sie bereits von klein auf gesagt, dass sie nicht gut wären, so wie sie seien. Die Folge: Wer das Gefühl hat, dass das Umfeld sich scheinbar nicht für seinen inneren Zustand interessiere, wird, mit einer stark erhöhten Wahrscheinlichkeit, depressiv. Es wäre also erstaunlich, wenn autistische Menschen unter solchen Bedingungen, keine psychischen Probleme bekommen würden. Menschen -egal, ob neurotypisch oder neurodivergent - sind soziale Wesen. Soziale Kontakte sind maßgeblich dafür verantwortlich, wie wir uns fühlen. Tatsächlich scheinen Menschen, einsam leben, viel häufiger an psychischen Störungen, wie Depressionen oder Angststörungen, zu erkranken - die beiden genannten Störungsbilder sind übrigens jene, welche unter Autisten/Autistinnen besonders häufig vorkommen. Prinzipiell kann aber jede psychische Störung als Komorbidität (Begleitstörung) vorkommen. Ebenso Persönlichkeitsstörungen - häufig: paranoid, schizoid, Borderline, ängstlich-vermeidend, abhängig, kombiniert- , Sozialphobie sind recht häufige Co-Diagnosen.

Leider werden gerade Depressionen bei autistischen Menschen häufig verharmlost - nach dem Motto „Wenn ich solch eine Krankheit hätte, die sogar dafür sorgen kann, dass ich keine Arbeit finde oder nicht selbstständig leben kann, dann wäre ich auch depressiv. Ist doch kein Wunder.“ Mal abgesehen davon, dass es sich im Falle von Autismus NICHT!!! um eine Krankheit handelt, sondern eine neurologische Entwicklungsstörung -nicht wenige behaupten nunmal, Autismus sei eine Krankheit. Aber gut, darum soll es hier nunmal nicht gehen - nur so am Rande.
Fakt ist, mit der richtigen Unterstützung könnte man doch so viel daran ändern - Leider ist es ja gerade im Erwachsenenalter eher die Ausnahme, als die Regel, genügend passende Unterstützungsmöglichkeiten zu finden. Da herrscht bis heute noch ein starker Mangel. Viele Psychologen/Psychotherapeuten/Psychiater kennen sich nicht wirklich mit Autismus aus. In sehr vielen Fällen verfügen sie über ein sehr oberflächliches Wissen über das Thema, was hauptsächlich damit zu begründen ist, dass Autismus KEIN Teilgebiet eines Psychologiestudiums darstellt.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – bin diagnostizierter Autist

fcbfan1972 
Fragesteller
 14.05.2024, 06:43

Danke! ich bin selber autist aber leider höre ich "Ja lieber hätte ich eine psychische erkrankung statt autismus" "das hängt alles von autismus ab" usw

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kiniro  14.05.2024, 19:49

Was ich ätzend finde in Bezug auf "Autismus ist eine Erkrankung / Krankheit" - es ist sogar auf sehr vielen Seiten zu lesen, die sich professionell mit dem Thema Autismus beschäftigen.

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Ja. Psychische Krankheiten entstehen meistens, wenn man zu den Eltern keine hilfreiche Beziehung hatte.

Bei Autismus sind die Beziehungen zu anderen Menschen gestört. Und die Eltern sind oft selber Autisten, weil Autismus erblich ist. So sind die Beziehungen in der Familie dann sogar von beiden Seiten her gestört.

Beziehung, Kommunikation sind oft heilsame Faktoren, damit es einem psychisch wieder besser geht. Aber gerade damit haben Autisten Schwierigkeiten. Von daher ist das Mieseste an Autismus, dass es einem psychisch oft schlecht geht.


fcbfan1972 
Fragesteller
 13.05.2024, 20:56

danke!

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Ja, wenn sich um einen hochfunktionalen Autismus handelt. Menschen in diesem Spektrum sind überdurchschnittlich von Depressionen und/oder von Angsterkrankungen betroffen. Zudem sind sie auch vermehrt von AD(HS betroffen. Ich selbst habe Depressionen und ADS. Doch zum Glück gibt es guten Behandlungsmethoden.

https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0038-1670568#:~:text=Zusammenfassung,hierbei%20relevant%20sind%2C%20ist%20unklar.

https://autismus-kultur.de/psychische-gesundheit/

https://adhs-muenchen.net/adhs-bei-erwachsenen/adhs-und-autismus/

Woher ich das weiß:Recherche

Ganz klar ja natürlich menschen die an autismus erkrankt sind denken anders und fühlen anders und all das ist abhängig von unsere psyche