Meine Mutter merkte es circa ab meinem 3. Lebensjahr. Leider bekam ich die Diagnose allerdings "erst" mit 9 Jahren.
Damals wusste sie noch nicht, was das ist, was ich habe. Sie erkannte nur recht schnell: Meine Tochter verhält und entwickelt sich anders, als andere Kinder.
Vor meiner Autismus-Diagnose wurde mir einfach "Entwicklungsstörung" diagnostiziert. Welche? Kein Plan. Wussten die wahrscheinlich selber nicht.
Sie bemerkte z.B., dass ich viel zurückgezogener war, kein Interesse am Spielen mit anderen hatte, es mir schnell zu laut war, ich extrem anhänglich war (Meine Eingewöhnungszeit im Kindergarten dauerte länger als bei den meisten anderen Kindern) usw. Ebenfalls hatte ich auch ein seltsames Verhalten, wenn es um Essen ging. Als Baby kamen mir keine erwärmten Gläschen in die Nähe und bis ich circa 12 war hatte ich nichts mit Fleisch am Hut. Alles, was ich nicht kannte oder bei dem ich mir sehr sicher war, dass es mir nicht schmecken würde, beäugte ich höchstens skeptisch, rührte es konsequent nicht an (Ist heute noch immer so). Keine Soßen und wenn, dann nie auf das Essen drauf. Teilweise aß ich Nudeln ohne alles, Brot ohne Rand (Was, zugegeben, bei einigen Kindern der Fall ist, aber bei mir war das kein "Ich will", sondern ein "Es MUSS so sein, sonst bricht meine Welt zusammen") und eine Zeit lang auch mal BUTTER PUR. Einzelne Zutaten durften sich auch nicht berühren.
Ich fing auch etwas später an zu brabbeln und als ich damit anfing, konnte ich selbst mit 5 Jahren noch immer nicht verständlich sprechen. Das funktionierte erst nach 2 Jahren Logopädie.
Motorische Schwierigkeiten stellte sie bei mir auch fest. Ich fing etwas später an zu laufen und konnte erst später gerade sitzen. Auch waren da Dinge wie z.B., dass ich mit meinen Füßen nach innen gedreht laufen würde, was dafür sorgte, dass ich oft über meine großen Zehen stolperte und meine Schuhe gingen dadurch auch schneller kaputt. Für jeden Mannschaftssport war und bin ich ebenfalls ungeeignet. Ich bin sehr unkoordiniert, ich kann nicht z.B. mit meinen Armen Bewegung A ausführen und gleichzeitig mit meinen Beinen Bewegung B, ich bin stocksteif, habe so wenig Balance, dass ich manchmal fast stolpere, obwohl da NIX is und Fahrrad fahren so wie Schwimmen kann ich bis heute nicht. Tanzen kannst du auch vergessen bei mir. Meine Handschrift war besonders früher auch richtig schlimm (selbst Lehrer konnten sie hin und wieder nicht entziffern), ich habe jeden Füller in wenigen Wochen kaputt gekriegt ... Körperhygiene wie Duschen, Haare bürsten und Zähneputzen war auch ein Theater und ein Kampf. Ich kann froh sein, dass ich das mit dem Duschen zumindest heute eher hinbekomme, aber ich HASSE den sensorischen Aspekt davon noch immer (plus executive dysfunction) - Besonders im Winter.
Zähneputzen ist auch noch immer ein starkes Problem. Hatte auch schon immer viel mit der Motorik zu tun. Ich putze mir die Zähne normalerweise so mindestens fünf Minuten lang, aber das ist angeblich viel zu lang, aber schneller geht bei mir nicht, weil dann drücke ich zu feste drauf und tue mir aus Versehen weh. Wie schaffen andere das, in 2-3 Minuten ihre Zähne geputzt zu haben? Na ja, mir das beizubringen war also auch nicht leicht und selbst, als ich es irgendwie konnte, HASSTE ich es schon immer und tue es bis heute und mein Handgelenk verkrampft immer und ich hatte mal ne Weile ne elektrische Zahnbürste benutzt und das war ganz okay, aber die hatte leider nur mittel-harte Borsten und ich will weiche Borsten haben (mein Zahnfleisch ist komplett hinüber), aber für die Zahnbürste gibt es keine weiche Borsten und jede Zahnbürste mit weichen Borsten kostet irgendwie so 70€+ und Handzahnbürsten mit weichen Borsten franseln bei mir ALLE innerhalb weniger Tage nach Benutzung aus, so, dass ich sie Minimum 1x im Monat wechseln muss (und irgendwie fühlen die sich auch einfach nicht gut an... die sind so picksig... ich will eine haben, die wirklich weich ist. Hatte mal eine, aber die kostet so 5€ und die ist zwar echt weich, aber auch die ist nicht 100% ausfransel-sicher und die hätte ich mir auch jeden Monat neu kaufen müssen). Selbst bei mittelharten Borsten ist das so. Die Dinger halten meinen Druck nicht stand, dabei drücke ich mittlerweile gar nicht mehr so dolle und ich gebe mein Bestes, nicht zu feste zu drücken, aber dann fühlt es sich so an, als hätte ich gar nicht geputzt und AAAAAHHSJDDSJDSDJSDDSHSD SDAÖDJLD
:) Gut, musste mal raus, danke. Weiter geht's.
Schnuller wurden bei mir auch alle SOFORT ausgespuckt. Und meine Mutter hatte einige durchprobiert. Alle direkt raus. Rausgespuckt. Keine Sekunde gezögert. Ich weiß nicht, inwiefern das mit meinem Autismus zu tun hatte, ABER:
Da die einzige Diagnose, die ich ansonsten noch habe, meine Sozialphobie ist (was nicht bedeutet, dass ich nicht noch mehr habe, zugegeben), das nichts mit meiner Sozialphobie zu tun hat (und als Baby hatte ich sicherlich noch keine Sozialphobie), Schnuller eine recht seltsame oder sogar schmerzhafte sensory experience sein können und sensory stuff natürlich (in meinem Fall) mit Autismus zusammenhängt und da die meisten Babys mit Schnullern beruhigt werden, sonst würden sie viel weniger Leute benutzen und da die meisten Babys und damit auch ein Großteil der Gesellschaft neurotypisch ist ....... gehe ich einfach mal davon aus, dass das (bei mir) auch so ein Autismus-Ding war. (Manche Autisten benutzen Schnuller zum Stimming, was jedoch nicht heißt, dass es nicht auch Autisten gibt, die die Dinger sofort ausgespuckt haben. Beides würde auf Autismus hindeuten.)
Ich war auch schon immer orientierungslos. Als ich damals noch zur Schule ging, konnte ich mich selbst nach über einem Jahr nicht ohne Hilfe zur Sporthalle o.Ä. bewegen. Karten lesen, GPS benutzen, Google Maps verstehen o.Ä. kann ich bis heute nicht. Das einzige, was mir wirklich hilft, ist Google Street View. (Muss aber schon aktuell sein und wehe, da fehlt ein Geschäft oder da ist ein anderes nun oder es gibt Bauarbeiten und ich muss einen Umweg gehen) Ich kann mich nur selber navigieren, wenn ich mich wirklich extrem gut irgendwo auskenne und visual cues habe, die auffallend genug sind, um die Gegenden alle voneinander zu unterscheiden. Zum Beispiel ein urig geformter Baum, ein bestimmter Laden o.Ä. Auch viel mit Farbe. Farben sind wichtig. Zum Beispiel ein Balkon mit einem Regenbogen-Sonnenschirm.
Mit dem Bus und der Bahn konnte ich auch nie alleine fahren, weil mir das immer zu laut und unsicher (und besonders im Schulbus auch zu voll) war. ... Und ist.
Mich darf man also keineswegs alleine in eine mir nicht bekannte Gegend schicken. Denn ich werde auch niemanden nach dem Weg fragen. (Und da soll nochmal irgendwer behaupten, Autismus könne keine Behinderung sein oder nur bei Leuten, die sich nicht alleine anziehen können o.Ä.)
Würde ich vom Kindergarten oder der Schule zurückkommen (an den Tagen, an denen ich sie mal nicht irgendwie schwänzen konnte, weil aus Selbstschutz habe ich von der 1. Klasse an ständig irgendwie versucht, da nicht hin und zu müssen), würde ich total hibbelig sein und extrem viel erzählen (meiner Mutter), da ich das in der Schule alles maskierte, in mich reinfraß etc. und ich mich nur bei meiner Mutter sicher fühlte.
Meine Meltdowns würde ich auch nur bei ihr rauslassen. In der Schule tendierte ich viel mehr zu Shutdowns, da ich meine Meltdowns maskierte. Da spielte meine Sozialphobie auch sehr viel mit und tut es bis heute. Es muss wirklich extrem viel passieren, damit ich in aller Öffentlichkeit einen Meltdown bekomme. Die ist richtig stark, meine Phobie. Shutdowns kommen immer vorher.
Überraschungen, Unvorhersehbares war auch sehr schlimm. Spontane Planänderungen. Ging gar nicht. Nur ICH durfte spontan meinen Plan ändern.
Oh, Autonomie auch. Ich weiß nicht, ob meiner Mutter das je als "seltsam" auffiel, aber ich hatte schon als Kind so einen starken Drang nach Autonomie und niemand durfte mir sagen, was ich tun soll und ich würde nichts tun, nur, weil es eine Autoritätsperson sagte und so weiter und sofort. Das ist auch ein sehr großes Fass. Ich lass das mal geschlossen - Meine Energie ist weg.
Es gibt manche Dinge davon, mit denen habe ich heute nicht mehr so krasse Probleme. Meine Handschrift hat sich etwas gebessert, ich gehe nicht mehr ganz so schräg (die Füße sind jetzt nur noch ein bisschen nach innen gekehrt) und mein Essenshorizont hat sich auch erweitert (gibt aber immer noch vieles, was absolut nicht geht und manches mag ich nur in bestimmter Ausführung, z.B. Paprika muss IMMER KNACKIG FRISCH sein und NIEMALS Tiefkühlbrokkoli, Brot NIEMALS einfrieren, Tomaten NIEMALS länger als 4 Min dämpfen, Brokkoli darf KEINE GELBEN STELLEN haben uvm. und Oliven und Erbsen kann ich nicht einmal ansehen ohne einen Würgereiz zu bekommen).
Und dann gibt es Dinge, die mit meinem Autismus zu tun habe, bei denen ich mich allerdings null daran zurückerinnern kann, ob das auch in meiner Kindheit so war. Leider habe ich auch niemanden, den ich fragen könnte ... Meine Mutter weiß auch nur noch sehr wenig aus meiner Kindheit und besonders meine Schulzeit ist so eine ... gähnende Leere in ihrem Gehirn.
Hab wahrscheinlich einige Punkte vergessen, aber die sind mir jetzt so aus dem Stehgreif eingefallen. Wie gesagt: Damals wusste sie noch nicht, dass das zum Autismus gehört. Dass ich das überhaupt habe. Bin.
Und ich? Nun, ich brauchte meine Zeit, bis ich meinen Autismus akzeptieren konnte. Selbst jetzt habe ich damit noch meine Probleme manchmal. Ich hatte große Schwierigkeiten damit, einzusehen, dass ich behindert bin. Und dass das nichts Schlimmes ist. Das Beste (Ironie) war ja meine Phase, in welcher ich so dachte: "jo, also ich hab vielleicht Autismus, okaay, ABER(!) all diese Probleme und Schwierigkeiten die ich habe und wie ich bin und denke und fühle und reagiere usw. sind alles meine Schuld und meine Charakterschwächen und ich hab vielleicht Autismus, aber das heißt nicht, dass ich autistisch bin und mich so verhalte und autistische Eigenschaften habe" und all sowas.
Meme: Alle diese Probleme etc. waren Dinge, die etwas mit meinem Autismus zu tun hatten.
girl what
?????
"Oh, ja, meine beiden Beine sind zwar amputiert, aber dass ich meine nicht vorhandenen Beine nicht benutzen kann hat absolut nichts damit zu tun, dass sie amputiert sind, sondern das ist, weil ich so ein Monster bin."
LOL.
Ich mag zwar total unsportlich sein und so, aber Gehirngymnastik konnte ich sehr gut. Da hätte ich die Goldmedaille mit nach Hause genommen.