Gibt es thematisch ähnliche Sagen wie die von Ikarus und Dädalus?

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Der Flug von Daidalos (Δαίδαλος; lateinisch: Daedalus) und Ikaros (Ἴκαρος; lateinisch: Icarus) ist im Mythos ursprünglich nicht von einer Absicht geprägt, sich den Göttern gleichzustellen (vgl. z. B. auch die schon etwas spätere Darstellung bei Ovid Ars amatoria 2, 21 – 96; Metamorphosen 8, 183 – 235). Er dient dazu, der Gefangenschaft auf der Insel Kreta durch König Minos zu entfliehen. Daidalos hat seinen Sohn Ikaros gewarnt, nicht zu hoch und nicht zu tief zu fliegen, damit weder Feuer die Schwingen versengt/das die Flügel zusammenhaltende Wachs infolge zu großer Nähe zur Sonne schmilzt noch Wasser die Schwingen beschwert. Ikaros fliegt aber, nach Ablegung anfänglicher Furcht verwegener geworden, aus jugendlichem Leichtsinn und Überschwang, einem fast unbändigen Drang nach den Höhen des Himmels, nach einiger Zeit zu hoch.

Eine Auffassung als Sinnbild von Übermut und Überheblichkeit, der von Gottheiten gestraft wird, ist eine bestimmte Art späterer Deutung.

Unter dem Gesichtspunkt einer Flucht eines geschickten Handwerkers aus Gefangenschaft durch einen König hat die Sage von Wieland dem Schmied (germanische Mythologie) starke Ähnlichkeiten mit der von Daidalos.

Ähnlichkeiten hinsichtlich jugendlichen Leichtsinns hat Phaëthon (Φαέθων), der göttlicher Abstammung ist und seinen Vater (bzw. in einer anderen Fassung seinem Onkel), dem Sonnengott Helios (Ἥλιος; lateinisch: Sol), als er ein Geschenk nach Belieben wählen kann, darum bittet, für einen Tag den Sonnenwagen lenken zu dürfen. Phaëthon ist der Aufgabe nicht gewachsen und verliert die Kontrolle über das Gespann. Die Erde gerät in Gefahr zu verbrennen. Auf einen Hilferuf der Erdgöttin hin schleudert Zeus (Ζεύς; lateinisch: Iup(p)iter) einen Donnerkeil. Phaëthon stürzt in den Fluß Eridanos (Ἠριδανός; lateinisch: Eridanus) und ist tot.

Ähnlichkeit hinsichtlich eines Todesfalls eines jungen Menschen hat ein Mythos vom Flug des Phrixos und seiner Zwillingsschwester Helle. Nephele (Νεφέλη) setzt ihre Zwillinge Phrixos (Φρίξος; lateinisch: Phrixus) und Helle (Ἕλλη; lateinisch: Helle), als ihnen Tötung droht, auf Chrysomallos (Χρυσόμαλλος; lateinisch: Chrysomallus), einen Widder mit goldenem Fell, der mit ihnen davonfliegt. Über dem Meer schaut Helle entgegen einer Warnung nach unten. Sie wird von Schwindel ergriffen, stürzt ins Meer und ist tot. Das Meerenge wird nach ihr Hellespont (Ἑλλήσποντος; lateinisch: Hellespontus) genannt.

Im Zusammenhang mit Fliegen enthält in der griechisch-römischen Mythologie eine Erzählung über Bellerophontes/Bellerophon (Βελλεροφόντης/Βελλεροφῶν) Hybris (ὕβρις), einen Übermut/eine Anmaßung/eine Überheblichkeit, sich auf eine Ebene mit den Gottheiten begeben zu wollen. Dieser versuchte, nach vielen großen Erfolgen allzu verwegen geworden, mit dem Flügelroß Pegasos (Πήγασος; lateinisch: Pegasus) zum Olymp emporfliegen. Die Fassungen sind in Einzelheiten unterschiedlich.

Nach Pindar, Isthmische Ode 7, 44 – 47 warf Pegasos seinen Reiter Bellerophontes ab. Eine Bemerkung in einem anderen Gedicht (Pindar, Olympische Ode 13, 92), dessen Tod zu übergehen, kann wohl so gedeutet werden, daß ein unrühmliches Ende durch Tod nach diesem Abwurf zugrundegelegt ist.

Euripides hat in seiner Tragödie »Bellerophontes« eine Darstellung gegeben. Davon sind nur nur Bruchstücke erhalten: Tragicorum Graecorum Fragmenta (TrGF) Fr. 285 – 315

Bellerophontes wird von einem Forschungsdrang angetrieben. Zeus straft mangelnde Ehrfucht. Er schickt eine Bremse, die Pegasos sticht. Dieser wird wild und Bellerophontes stürzt herab. Er irrt von Wahnsinn geschlagen und blind umher. Bei Horaz, Ode 4, 1, 25 – 28 sind Phaëthon und Bellerophontes warnende Beispiele vor gieriger Erwartung und einer Selbstüberhebung/Selbstüberschätzung, die nicht das sich selbst Würdige verfolgt, nicht Ungleichen aus dem geht, sondern über das zulässige Maß überschreitet.

Hyginus, Poeticon Astronomicon 2, 18 gibt an, Bellerophontes hätte sein Ziel fast erreicht, als er beim Blick auf die Erde herab erschrak, hinabfiel und starb.

Hinweise enthalten z. B.:

Karin Luck-Huyse, Der Traum vom Fliegen in der Antike. Stuttgart : Steiner, 1997 (Palingenesia : Monographien und Texte zur klassischen Altertumswissenschaft ; Band 62). ISBN 3-515-06965-8

Gertrud Weber, Dädalus und Ikarus. In: Enzyklopädie des Märchens : Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Band 3: Chronikliteratur - Engel und Erimit. Herausgegeben von Kurt Ranke zusammen mit Hermann Bausinger, Wolfgang Brückner , Max Lüthi, Lutz Röhrich, Rudolf Schenda. Redaktion: Lotte Baumann, Ines Köhler, Elfriede Moser -Rath, Ernst Heinrich Rehermann, Christine Schmidt, Hans-Jörg Uther, Rainer Wehse. Berlin : New York : de Gruyter, 1981, Spalte 209 – 212

Albrecht  26.07.2013, 02:00

Spalte 211: „Dazu passen Sagen aus Jugoslawien (bes. Bosnien und Slovenien), und andren Balkanstaaten, die ebenfalls von Menschen berichten, die sich Flügel bauen, um aus der Gefangenschaft zu entkommen. Meistens sind es Baumeister, die für einen Pascha, König oder Baron eine Moschee, ein Kloster oder eine Stadt bauen müssen und nach Vollendung des Werkes auf dem Dach gefangen gehalten werden, damit sie nicht bei einem anderen Herrscher ein schöneres, größeres Bauwerk errichten. Die gefangenen bauen sich (meist aus Brettern) Flügel; manchen gelingt die Flucht, andere bezahlen den Versuch mit dem Tode. Vergleichbare Züge (Künstlerneid, Gefangenschaft, Flug etc.) finden sich auch in der Sage von → Wieland dem Schmied.“

bes. = besonders

zu Sagen und Märchen, in denen von Fluggeräten erzählt wird:

Manfred Nagl, Fluggeräte. In: Enzyklopädie des Märchens : Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Band 4: Ente - Förster. Herausgegeben von Kurt Ranke zusammen mit Hermann Bausinger, Rolf Wilhelm Brednich, Wolfgang Brückner , Max Lüthi, Lutz Röhrich, Rudolf Schenda. Redaktion: Lotte Baumann, Ines Köhler, Elfriede Moser -Rath, Ernst Heinrich Rehermann, Christine Schmidt, Hans-Jörg Uther, Rainer Wehse. Berlin : New York : de Gruyter, 1984, Spalte 1365 – 1373

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In der Bibel: Die Frucht dieses Baumes ist verboten.

Abgesehen davon, dass die "Intention" der Sage, den Göttern näher zu sein, äußerst streitbar ist (Ikarus flog nur "wegen seines jugendlichen Leichtsinns" zu nahe an der Sonne, NICHT um den Göttern näher zu sein), gbt es in nahezu JEDER Kultur / Religion / Mythologie Entsprechungen für die Bestrafung der Menschen durch die Götter: Belsazar / Babylon (Turm von Babel ---> babylonische Sprachverwirrung) etc., etc., etc....

paulklaus