einleitende formale Analyse

Autor/Künstler: Karikaturisten der in der Sowjetunion erscheinenden russichen satirischen Zeitschrift „Krokodil“ (russisch: Крокодил), nämlich die Künstlergruppe „Kukryniksy“ (russisch: Кукрыни́ксы bzw. Кукрыниксы); bestehend aus Michail Wassiljewitsch Kuprijanow, Porfiri Nikititsch Krylow, Nikolai Alexandrowitsch Sokolow (https://de.wikipedia.org/wiki/Kukryniksy).

Adressat: vor allem die Bevölkerung der Sowjetunion, daneben in Ländern ihres Machtbereichs (»Ostblock-Staaten«), mit der Sowjetunion und dem Kommunismus sympathisierende Menschen

Ort: Moskau, Sowjetunion

Zeit: 4. April 1949

Quellenart: Primärquelle (zeitgenössische Darstellung zu dem Ereignis)

Bildart: Karikatur

Thema: Gründung der NATO durch Unterzeichnung des Nordatlantikvertrages

Beschreibung

Die Karikatur ist ein Hochformatbild. Vor einem matt grünlichen Hintergrund liegen oder sitzen als Gruppe sechs Männer auf einem großen gelblichen Schreibblatt mit dunkler Aufschrift in kyrillischen Buchstaben und schreiben darauf mit einem sehr langen Füllfederhalter, den alle in ihrer rechten Hand halten. Die Männer sind teils nebeneinander, teils übereinander.

Ganz oben hockt mit angewinkelten und gespreizten Beinen ein außerordentlich langer, hagerer Mann mit Brille auf dem Rücken eines unter ihm befindlichen Mannes. Er  hat grau-weiße Haare und einen spitzen Bart. Seine Nase ist lang, sehr spitz und rötlich gefärbt, wirkt dadurch karottenartig. Sein Gesicht wrkt durch Spitzigeit und Kantigkeit eher hässlich und unsympathisch. Der Mann trägt einen schwarzen Zylinderhut, ein Jackett, weißes hemnd, schwarze Krawatte, eine längs- und quergestreifte graue Hose und Schuhe. Sein linker Arm ist gebogen und an seine Seite angewinkelt. Darin eingeklemmt trägt er einen mit „ATOM“ beschrifteten Gegenstand, offenbar eine Atombombe. Sein rechter Arm ist zum Füllfederhalter ausgestreckt.

Bei den Männern darunter befindet sich auf einem Kleidungsstück bzw. Körperteil jeweils eine Beschriftung in kyrillischen Buchstaben. Sie tragen alle auch Zivilkleidung, nämlich schwarze oder dunkelgraue Anzüge (zum Teil sichtbar auch weißes Hemd, schwarze Krawattel, schwarze Schuhe; zwei der unteren graue Hüte). Ihre Gesichter sind individuell. Der zweitoberste hat schütteres Haar, ein breites rundes Gesicht und eine dicke Knollennase, der Mann darunter ein schmales längliches Gesicht mit Hakennase und vom Stirnbereich verschwundenes Haar, zwei der Männer ganz unten haben rundliche Gesichter und tragen Brille. Die Lage dieser Männer ist unbequem, die unteren tragen die oberen Männer als Last und müssen sich biegen und mühsam Balance halten. Ihr Gesichtausdruck ist angespannt bis verkniffen und verzerrt. Einige Gesichter haben nach vorne eine rötlich angelaufene Färbung, wie von Anstrengung, Druck und Qual. Ein Mann unten hat sein Gesicht besonders tief am Boden und stützt sich mit seiner linken Hand ab.

Es besteht ein Gegensatz zwischen dem Mann, der oben sitzt, und den Männern darunter. Er ist größer als sie dargestellt. Bei ihnen besteht noch einmal eine Abstufung in der Größe zwischen den beiden weiter oben und den drei unteren Männern.

Die Männer vollziehen mit dem Füllfederhalter ein Unterzeichnen auf dem Schreibblatt. Unten hat er eine schwarze Metallfeder zum Auftragen der Tinte. Oben wird er zu einer Fackel mit Flammen und dunkelgrauem Rauch, der am Bildrand nach oben links hin aufsteigt.

Unten rechts steht „Кукрыниксы“ (KUKRYNSKI) als Künstlersignatur und nach einem Längsstrich die Zahl 49, offenbar eine Datierung auf das Jahr 1949.

Einordnung in den historischen Kontext und Deutung 

Die Karikatur thematisiert die Gründung der NATO durch Unterzeichnung des Nordatlantikvertrages am 4. April 1949.

Unter den Siegermächten des zweiten Weltkrieges waren wegen politischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und weltanschaulicher Gegensätze Spannungen zwischen den Westmächten und der Sowjetunion entstanden. Die Sowjetunion hatte ihren Machtbereich ausgedehnt, die Westmächte setzten eine Eindämmungspolitik (englisch: containment policy) entgegen. Es kam für einen längeren Zeitraum an etwa ab 1947 zum »Kalten Krieg«. Zur Sicherung gegen eine mögliche militärische Bedrohung durch die Sowjetunion und einem Entgegenwirken gegen kommunistische Mächte wurde am 4. April 1949 NATO gegründet. Die Karikatur gibt dazu eine Darstellung von sowjetischer Seite, die dies als schlecht hinstellt.

Der oben sitzende Mann (1) ist Uncle Sam, Personifikation der USA (allegorische Figur, die symbolisch für die Nation und den Staat steht). Die Position und der Unterschied der Größe sollen auf eine unterschiedliche Macht, Bedeutung und Rolle der betreffenden Staaten hinweisen.

Die USA erscheinen als dominierend. Ihr Vertreter sitzt oben, schaut entschlossen und energisch und kann den anderen diktieren. Er setzt die anderen unter Druck. Stark überwiegend graue oder schwarze Farben verstärken einen unangenehmen, düster-bedrohlichen Eindruck.

Der Mann darunter (2) mit der Aufschrift БЕВИН („BEVIN“) auf dem Hemd ist der britische Außenminister Ernest Bevin.

Unter ihm ist (3) mit der Aufschrift ШУМАН („Schuman“) auf einer Socke der französische Außenminister Robert Schuman. Die Position unter, nicht neben Großbritannien ist geeignet, einen französischen Nationalstolz zu Empörung gegen die NATO zu reizen.

Unten sind der belgische Außenminister Paul-Henri Spaak (4), der niederländische Außenminister Dirk Stikker (5) und der luxemburgische Außenminister Joseph Bech (6). Die Aufschriften auf ihrem Kopf bzw. Hut sind nicht die von Personennamen, sondern die unvollständige Nennung der Staatsnamen:  БЕ- für Belgien (russisch: БЕЛЬИ), -НИ- für das Königreich der Niederlande (Niederlande russisch: НИДЕРЛА́НДЬl), -ЛЮКС für das Großherzogtum Luxemburg (Luxemburg russisch: ЛЮКСИМБУ̇РГ). Die Vertreter der Benelux-Staten erscheinen als persönlich unwichtig, leicht austauschbare Vertreter ihrer machtpolitisch nicht vollwertigen Staaten. Der Kleinstaat Luxemburg wird als besonders tief mit dem Gesicht heruntergedrückt gezeichnet.

Die Aufschrift Северо-АТЛАНТИЧЕСКИИ́ ПАКТ auf dem Schreibblatt bedeutet Nordatlantischer Pakt.

Die anderen Staaten wirken den USA untergeordnet, von ihnen abhängig und unterdrückt. Die Unterzeichnung des Nordatlantikvertrages wird als von den USA aufgezwungen dargestellt. Das Verhältnis erscheint nicht parterschaftlich. Die stark eingeschränkte Bewegungsfreiheit der unteren Männer kann als Mangel an Handlungspielraum der Staaten und iher Regierungen verstanden werden.

Die Fackel, zu der am Ende der Füllfederhalter wird, kann als gefährliches Werkzeug der Brandstiftung gedeutet werden. Zusammen mit der Atombombe wird der Eindruck einer Friedensgefährdung hervorgerufen.

Die Karikatur ist eine sowjetischer Standpunkt von einer Zeitschrift, die beim Prawda-Verlag erschien und Sprachrohr der Regierung der Sowjetunion, der kommunistischen Partei und ihrer Weltanschauung war. Es handelt sich um Propaganda gegen die USA und die NATO. Die NATO wird als Machtmittel der USA dargestellt, die mit Druck die Gründung erzwingt und aggessive friedensgefährdende Absichten hat. Das Ereignis wird negativ dargestellt.

Beurteilung

Die Karikatur ist optisch eindrucksvoll und in den Grundzügen leicht nachzuvollziehen. Sie erfüllt ihren propagandistischen Zweck, die NATO-Gründung als schlecht und eine Gefahr für den Frieden erscheinen zu lassen und Stimmung gegen die USA und die NATO zu erzeugen, ziemlich geschickt. Allerdings ist es in Bezug auf die Tatsachen wenig glaubwürdig, die Gründung der NATO als einen bei den europäischen Staaten unerwünschten und nur durch starken Druck erzwungenen Vorgang darzustellen.

Die Karikatur kann als übertrieben, einseitig und verzerrt bewertet werden. Die Sowjetunion hat in ihrem Machtbereich großen Druck ausgeübt, ein Herrschaftssystem nach den Wünschen ihrer Führung hergestellt, Freiheit eingeschränkt, echte Demokratie nicht geduldet, Menschen- und Bürgerrechte stark verletzt. Die USA haben mit der NATO-Gründung auch eigene Interessen verfolgt, aber die europäischen Staaten hatten einen wohlbegründeten Wunsch nach Sicherung und Schutz.

In der Bemühung, in der Karikatur den Vorgang der NATO-Gründung als schlecht hinzustellen, zeigt sich auch eine Befürchtung in der Sowjetunion vor einer Zunahme von Macht und Einfluss der Westmächte bis zu einem Hineinwirken in den Machtbereich der Sowjetunion.

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Kleisthenes Reformen?

Hallo,

Ich habe mir eben eine weitere Doku zu Antike Griechenland angeschaut, wobei Kleisthenes behandelt worden ist. Folgende Fragen hätte ich dazu (ich konnte leider nichts Genaues im Interbet finden und Angaben in meinem Geschichtsbuch waren sehr oberflächlich).

1.Erstmals wollte ich fragen, was für eine Macht oder Rolle nun die Archonten spielten, hatten diese weiterhin ihre Gebiete, für die sie zuständig geweseb sind?

2.Das Gebiet wurde anscheinend in 139 Demen eingeteilt, wobei es jetzt zu einer lokalen Selbstverwaltung gekommen ist. Wie stellt man sich das vor, war das jetzt wie eine Art Parlament und welche Aufgaben hatte dieses?

3.Dann habe ich gelesen, dass die Phylen so besetzt worden sind, dass die Mitgliederanzahl aller Demen (insgesamt betrachtet) ungefähr gleich gewesen ist. Die Begründung ist auf die Stellung des Heeres zurückzufühen. Was heißt das, stellte jede Phyle sein eigene

s Herr?

4. Wurde das System der Timokratie abgeschafft? oder waren beispielsweise immernoch nur die reichsten dazu berechtigt, areopagen zu werden

5. Strategen: Die Volksversammlung entsandte 10 Strategen. Was waren ihre Aufgaben und war das so, dass auch hier praktich von jeder Phyle 1 stammte?

6: Folgendes sehr interessantes Schaubild habe ich dazu gefunden:

Hierbei wollte ich folgendes fragen: wurden die Prytaniemitglieder durch den Rat der 500 gewählt? Falls ja, wie?

Was versteht man unter "Abfolge der Phylen ausgelost"

Auch war es ja so, dass die Ratsherren nur 5 Wochen lang agierten, gilt das auch für die Mitglieder der Prytanie?

Ich wollte außerdem wissen, was ihr von der Reform handelt.

Ich danke ganz herzlich und wüsnche euch allen einen schönen Tag!

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Kleisthenes hat ab 508/507 v. Chr. Veränderungen in der politischen Ordnung Athens herbeigeführt. Über sein weiteres Leben ist nichts bekannt. Vielleicht ist er wenige Jahre später gestorben.

Im 5. und 4. Jahrhundert hat es noch einige Änderungen in der politischen Ordnung Athens gegeben. Bei Ämtern ihrer Besetzung und ihrer Rolle hat daher zum Teil eine Entwicklung stattgefunden.

1)     Archonten

Die Archonten hatten weiterhin Bereiche, für die sie zuständig waren. Aber ihre Macht und ihre Bedeutung haben schrittweise abgenommen, weil neue Ämter geschaffen wurden und manche davon bedeutende Aufgaben bekamen. Mit der Schaffung von 10 Strategen durch Kleisthenes hat eine Entwicklung begonnen, bei der diese Strategen zu den wichtigsten Amtsträgern wurden. Die Archonten verloren an Einfluss auf die Leitung der Staatsgeschäfte und erledigten hauptsächlich Routineangelegenheiten. Die Aufgaben der Archonten lagen vor allem im religiös-kultischen Bereich und in der Rechtsprechung (z. B. begrenzte Befugnis zur Auferlegung einer Geldstrafe, Durchführung einleitender Untersuchungen, Vorsitz im Geschworenengericht). Der Archon eponymos (griechisch: ἄρχων ἐπώνυμος) war für einige religiöse Feste, Erbtöchter, Waisen und Prozesse in Familienangelegenheiten zuständig, der Archon basileus (griechisch: ἄρχων βασιλεύς) für vieles im sakralen Kult (Religion) und für Mordprozesse verantwortlich, der Archon polemarchos (griechisch: ἄρχων πολέμαρχος) für einige Feste (darunter Spiele zu Ehren von Kriegsgefallenen) und Prozesse, in die Nicht-Bürger verwickelt waren, die Thesmoteten (griechisch Singular: θεσμοθέτης; Plural: θεσμοθέτες) für das ganze System der Geschworenengerichtshöfe und die meisten öffentlichen Prozesse.

2)     Demen

Demen (griechisch Singular δῆμος [demos]; Plural: δῆμοι [demoi]) hat es in Athen schon vor dem politischen Wirken des Kleisthenes gegeben. Durch ihn bekamen die Demen institutionelle Bedeutung im Staat. In ihnen wurde lokale Selbstverwaltung ausgeübt (kommunale Ebene), sie waren waren die untersten Einheiten in der Untergliederung des Staates.

Die Demen hatten eigene Demenversammlungen (keine Parlamente, sondern Volksversammlungen auf lokaler Ebene), Gemeindekassen, Kulte und Priester und Amtsträger, darunter als höchsten einen für 1 Jahr gewählten Vorsteher des Demos (griechisch: δήμαρχος [demarchos]), der die Demenversammlung einberief, leitete und die Durchführung ihrer Beschlüsse beaufsichtigte.

Die Demen bekamen die Befugnis zur Prüfung aller Ansprüche auf athenisches Bürgerrecht, bei ihnen wurden nun die Bürgerlisten geführt.

Bei den Demen wurden Kandidaten für Besetzung hoher Ämter, später auch Richter für die Geschworenengerichtshöfe des Gesamtstaates aufgestellt.

3)     Phylen und Heer

Die 10 Phylen stellten Heeresabteilungen für das athenische Gesamtheer. Eine einzelne Phyle stellte damals ungefähr 1000 Hopliten (Schwerbewaffnete) und etwas Reiterei.

Die ungefähr gleiche Bürgeranzahl der Phylen sorgte daneben auch dafür, dass jede Region in ungefähr gleichem Verhältnis in den Ämtern, im Rat und den Geschworenengerichtshöfen berücksichtigt war.

4)     Abschaffung des Systems der Timokratie

Das System der Timokratie (politischen Rechte - darunter vor allem Wählbarkeit in Ämter, Wahlrecht für verschiedene Einrichtungen, Abstimmungsrecht - und Pflichten waren nach Vermögensklassen abgestuft) wurde von Kleisthenes nicht ganz abgeschafft, aber abgeschwächt.

Es kam zu einer Herabsetzung der Anforderungen an Besitz/Einkommen für die Wählbarkeit zu einem Amt.

In den Rat der 400 konnten Bürger aus den drei obersten Vermögensklassen kommen, später auch aus der untersten Vermögensklasse (die Armen wurden wohl zunächst, weil sie sich einen Verdienstausfall finanziell nicht gut leisten konnten, eher wenig tatsächlich Ratsherren, bis später Tagegelder eingeführt wurden).

Archonten konnten nicht nur Angehörige der obersten Vermögensklasse werden.

Spätestens seit 487/486 v. Chr. waren Angehörige der ersten und der zweiten Vermögensklasse zu Archonten wählbar.

Nach 458/457 v. Chr., wahrscheinlich noch im 5. Jahrhundert v. Chr., gingen die Athener zu einem reinen Losverfahren, mit zwei hintereinandergeschalteten Losungen, über. Auch Angehörige der dritten Vermögensklasse, die Zeugiten, konnten nun Archon werden (Aristoteles, Athenaion Politeia 26, 2).

In späterer Zeit (spätestens 4. Jahrhundert v. Chr.) hat tatsächlich anscheinend in der Praxis keine Beschränkung nach Vermögensklassen mehr stattgefunden, indem keiner, der zu einem Amt gelost wurde, angab, nur Thete (vierte Vermögensklasse) zu sein und diese Nicht-Angabe der eigenen Vermögensklasse geduldet wurde (vgl. Aristoteles, Athenaion politeia 7, 4).

Das entstandene politische System wird üblicherweise nicht als Timokratie. Die von Kleisthenes geschaffene politische Ordnung ist später als Isonomie (griechisch: ἰσονομία [isonomia]) bezeichnet worden.

5)     Strategen

Die gewählten 10 Strategen (griechisch:  στρατηγοί [strategoi]; Singular: στρατηγός [strategos]) waren militärische Anführer und wurden bald (anfangs war noch der Archon polemarchos Oberbefehlshaber des Gesamtheeres) militärische Oberbefehlshaber. Sie hatten die militärische Leitung über das Heer, die Flotte, die Verteidigungsanlagen und die Ausrüstung. Die 10 Strategen wurden jeweils einer aus einer Phyle gewählt (Aristoteles, Athenaion politeia 22, 2). Später wurde anscheinend die Bindung, dass aus jeder Phyle genau 1 Stratege kam, nicht mehr so streng gehandhabt.

6)     Rat der 500 und Prytanie

Die Prytanie war der geschäftsführende Ausschuss des Rates der 500. Es hielten sich ständig Prytanen in einem Amtsgebäude auf und waren für staatliche Angelegenheiten ansprechbar. Die Prytanie übernahm Vorbereitung, Einberufung und Leitung der Tagungen des Rates der 500 und der Volksversammlung.

Die Prytaniemitglieder wurde nicht vom Rat der 500 (zu dem sie selbst gehörten) gewählt. Die 10 Phylen bestimmten die jeweils 50 Ratsherren für 1 Jahr, wobei ihre Demen proportional zu ihrer Bürgeranzahl vertreten waren. Spätestens seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. wurden die Mitglieder des Rates der 500 (Ratsherren) nicht gewählt, sondern aus den Kandidaten durch Los bestimmt.

Mit „Abfolge der Phylen ausgelost" ist gemeint, dass durch ein Losverfahen bestimmt wurden, wann im Jahr die 50 Ratsherren aus einer Phyle die Prytanie (geschäftsführender Ausschuss des Rates der 500) waren. Es ging also um die zeitliche Reihenfolge. Dabei hatten (damit es für die Jahreseinteilung im attischen Kalender passend war) die ersten vier Prytanien einen Zeitraum von 36 Tagen, die folgenden sechs Prytanien einen Zeitraum von 35 Tagen (Aristoteles, Athenaion politeia 43, 2).

Ratsherren waren für 1 Jahr Mitglieder des Rates der 500 und sollten das ganze Jahr über an dessen Tagungen teilnehmen. Ihre Tätigkeitszeit als Prytanen betrug ungefähr 5 Wochen (nämlich 36 bzw. 35 Tage).

Beurteilung

Die Änderungen waren ein wichtiger Schritt hin zu einer Demokratie, wobei es unterschiedlich eingestuft wird, ob die Isonomie schon eine Frühform der Demokratie war oder der Begriff erst für einen Zustand in der weiteren Entwicklung zutrifft.

Wichtig war allerdings auch, wie die Institutionen in der Praxis von den Menschen ausgefüllt wurden. Die entstehende Wichtigkeit armer Bürger als Ruderer in der Flotte erhöhte ihre Bedeutung.

Die Teilhabe der Bürger an der Politik ist in der weiteren Entwicklung durch Senkung von Einkommensvoraussetzungen, Losverfahren und Einführung von Tagegeldern noch ausgebaut worden.

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Durchgehend in Großbuchstaben, Lautwert [u] als „U“ wiedergegeben, auch wenn als spitzes Zeichen („V“) geschrieben, Kommata und Punkt am Satzende hinzugefügt:

SCIENTIA SUMUS DOMINI UBIQUE, SERVI NUSQUAM, PURPEREIS RIVIS IMPERAMUS.

Mit Kleinbuchstaben, Lautwert [u] als „u“ wiedergegeben, auch wenn als spitzes Zeichen („V“) geschrieben, Kommata und Punkt am Satzende hinzugefügt:

scientia sumus domini ubique, servi nusquam, purpereis rivis imperamus.

„Durch Wissen(schaft) sind wir überall Herren, nirgendwo Sklaven, gebieten über die purpurnen Flüsse.“ oder

„Durch Wissen(schaft) sind wir überall Herren, nirgendwo Sklaven, herrschen über die purpurnen Flüsse.“ oder

„Durch Wissen(schaft) sind wir überall Herren, nirgendwo Sklaven, befehlen den purpurnen Flüssen.“

SCIENTIA/scientia kann Nominativ Singular oder Ablativ Singular sein. Im Satzzusammenhang ergibt sich ein Ablativ, weil im Satz das Subjekt im Nominativ DOMINI/domini ist (Prädikatsnomen zum Hilfsverb SUMUS/sumus). Daher ist SCIENTIA/scientia mit „Durch Wissen(schaft)“ übersetzt.

PURPEREIS RIVIS/purpereis rivis (Dativ Plural) ist schlechtes Latein, richtig ist PURPUREIS RIVIS/purpureis rivis (ein „u“/„u“ statt ein „E“/„e“ in der zweiten Silbe).

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Beim Amt eines Archon (griechisch: ἄρχων [archon]; Plural [Archonten] griechisch: ἄρχοντες [archontes]) hat es im antiken Athen im Lauf der Zeit Änderungen im Verfahren gegeben.

In der Anfangszeit wurden reiche Adlige (alter Adel) zu Archonten gewählt. Nach Aristoteles, Athenaion Politeia 3, 1 wurden die Staatsämter in der Zeit vor Drakon nach Güte der Herkunft/nach dem Adel des Geschlechts und nach Reichtum (ἀριστίνδην καὶ πλουτίνδην) besetzt. Nach Aristoteles, Athenaion Politeia 3, 6 war dies auch vor der politischen Neuordnung durch Solon so (ἀριστίνδην καὶ πλουτίνδην). Die Angehörigen des athenischen  Geburtsadels (vornehme Abstammung) werden auch als Eupatriden (griechisch: εὐπατρίδαι [eupatridai]; »Abkömmlinge von guten Vätern«/»Söhne edler Väter«) bezeichnet.

Solon hat eine Einteilung in vier Vermögensklassen eingeführt, nach denen politische Rechte und Pflichten abgestuft waren:

1) Fünfhundertscheffler (griechisch: πεντακοσιομέδιμνοι [pentakosiomedimnoi]: Ernteertrag über 500 Scheffel pro Jahr

2) Reiter (griechisch: ἱππείς [hippeis]): Ernteertrag über 300 Scheffel pro Jahr

3) Zeugiten (griechisch: ζευγίτες [zeugites]): Ernteertrag über 200 Scheffel pro Jahr

4) Theten (griechisch: θήτες [thetes]): Ernteertrag unter 200 Scheffel pro Jahr

In der von Solon geschaffenen politischen Ordnung waren offenbar (Aristoteles, Athenaion Politeia 7, 3 deutet stark darauf hin) Angehörige der obersten Vermögensklasse (Fünfhundertscheffler) zu Archonten wählbar. Diese wurden aber nicht vom Areopag gewählt, sondern von den athenischen Bürgern.

Solon hat nach Aristoteles, Athenaion Politeia 8, 1 – 2 die Bestellung der Archonten durch den Areopag aufgehoben und eine Losung aus einer kurzen Liste Vorgewählter eingeführt (die davon abweichenden Bemerkungen bei Aristoteles, Politik 2, 9, 1273 b 35 – 1274 a 17, Solon habe das aristokratische Prinzip der Wahl vertreten, sind wohl als knappe allgemeine Aussagen auszulegen, die nicht auf Genauigkeit in jeder Einzelheit abzielen). Rhodes meint, die angebliche Bestellung der Archonten durch den Areopag vor Solon könne jedoch auf einem Mißverständnis einer Dokimasie (δοκιμασία), einer hauptsächlich formale Eignungsprüfung von Bewerbern für Ämter (z. B. Besitz des Bürgerrechtes, Erfüllung vorgeschriebener Bürgerpflichten, geistige und charakterliche Mindestvoraussetzungen) durch den Areopag beruhen. Wenn die Angabe bei Aristoteles, Athenaion Politeia zutrifft, müssen die Tyrannen im 6. Jahrhundert v. Chr. zur direkten Wahl zurückgekehrt sein.

In der von Kleisthenes 508/507 v. Chr. herbeigeführten Staatsordnung, Isonomie (ἰσονομία [isonomia]) genannt, eine Frühform der Demokratie in Athen, waren Angehörige der ersten und der zweiten Vermögensklasse (Reiter [Hippeis]; spätestens seit 487/486 v. Chr.) zu Archonten wählbar.

487/486 v. Chr. wurde von den Athenern die Losung der Archonten aus von den Demen (Gemeinden) jeweils für eine Phyle vorgewählten Kandidaten (πρόκριτοι [prokritoi]) eingeführt (Aristoteles, Athenaion Politeia 22, 5). Es gibt Deutungsunterschiede in Bezug auf die Anzahl der Vorgewählten. Bleicken nennt 100 (so auch im 4. Jahrhundert v. Chr.), Rhodes gibt an, bei einer Wiedereinführung der Losung 487/6 v. Chr. sei sie jedoch sicher nicht eine Losung aus 500 Vorgewählten gewesen.

Nach 458/457 v. Chr., wahrscheinlich noch im 5. Jahrhundert v. Chr., gingen die Athener zu einem reinen Losverfahren, mit zwei hintereinandergeschalteten Losungen, über. Auch Angehörige der dritten Vermögensklasse, die Zeugiten, konnten nun Archon werden (Aristoteles, Athenaion Politeia 26, 2).

In späterer Zeit (spätestens 4. Jahrhundert v. Chr.) hat tatsächlich anscheinend in der Praxis keine Beschränkung nach Vermögensklassen mehr stattgefunden, indem keiner, der zu einem Amt gelost wurde, angab, nur Thete (vierte Vermögensklasse) zu sein und diese Nicht-Angabe der eigenen Vermögensklasse geduldet wurde (vgl. Aristoteles, Athenaion politeia [Staat der Athener] 7, 4).

Informationen:

Jochen Bleicken. Die athenische Demokratie. 2., völlig überarbeitete und wesentlich erweiterte Auflage. Paderborn ; München ; Wien ; Zürich : Schöningh, 1994, S. 41, S. 232 und S. 453

Peter J. Rhodes, Archontes [I, Amt]. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band1: A – Ari. Stuttgart ; Weimar, Metzler, 1996, Spalte 1026 - 1028

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Solon hat im athenischen Staat keine Demokratie geschaffen, aber Maßnahmen durchgeführt, die zu einer späteren Entwicklung hin zu einer Demokratie beitrugen. Solon ist also nicht  Begründer der Demokratie in Athen gewesen, sondern gehört in die Vorgeschichte der athenischen Demokratie.

Solon erreichte in einer Krisensituation eine Stabilisierung und Beruhigung der Lage durch einen für reiche Adlige (Großgrundbesitzer) und arme Bauern akzeptablen Ausgleich. Es gab einerseits Erleichterungen für arme Bauern, andererseits eine ziemlich weitgehende Beibehaltung der Besitzverhältnisse, indem es keine völlige Umverteilung gab, sondern die adligen Großgrundbesitzer ihr eigenes Land behielten.

Solon war ein Mann des Ausgleichs und Kompromisses.

Damals gab es in Athen Demokratie weder als Sache noch als Begriff.

Volksfreundliche soziale und politische Maßnahmen Solons waren:

  • allgemeine Schuldentilgung, als „Lastenabschüttelung“ (Seisachtheia [griechisch: σεισάχθεια]) bezeichnet (von Solon als Befreiung von Abhängigen aus schmachvoller Knechtschaft verstanden)
  • Abschaffung der Versklavung aufgrund von Schuldknechtschaft (Verbot dieser Form des Zugriffsrechts auf die Person des zahlungsunfähigen Schuldners)
  • Freikauf von Athenern, die in andere Länder als Sklaven verkauft worden waren
  • straflose Rückkehrmöglichkeit (durch eine Amnestie) für flüchtige Schuldner
  • Teilnahmerecht an der Volksversammlung (griechisch: ἐκκλησία [ekklesia]) für alle erwachsenen männlichen athenischen Bürger
  • Teilnahmerecht an der Heliaia (griechisch: ἠλιαία) – ein Volksgericht, offenbar ein Berufungsgericht, wenn jemand gegen eine Rechtsprechung Einspruch einlegte - für alle erwachsenen männlichen athenischen Bürger
  • Einrichtung eines öffentlichen Klagerechts (Eisangelia [griechisch: Εἰσαγγελία]): Alle Bürger, auch nicht Betroffene, konnten gegen die Urteile der Thesmotheten (oberste Gerichtsherren) und der Beamten klagen. So hatte jeder athenische Bürger Anspruch auf ein Gerichtsverfahren, wenn ihm selbst oder einem anderen Bürger Unrecht geschehen war. Vorher gab es kein öffentliches Klagerecht für alle athenischen Bürger und keine Möglichkeit einer Berufung an das Volksgericht gegen Entscheidungen oberster Richter.
  • Rechtssicherheit durch vollständige schriftliche Aufzeichnung seiner Gesetzgebung (die teils alte übliche Regeln, teils Neuordnungen enthielt) und öffentlicher Aufstellung mit Hilfe von drehbar aufgehängten langen Holzbalken und bronzenen Pfeilern (Stelen) auf dem Marktplatz (Agora), wo alle Zutritt hatten und sie einsehen konnten

Solon hat Möglichkeiten eines Machtmissbrauchs reicher Adliger eingeschränkt, aber nicht die gesellschaftliche und politische Vorherrschaft des Adels beseitigt.

In der politischen Ordnung, die Solon eingerichtet hat, war die freie Bevölkerung Athens in vier Vermögensklassen eingeteilt, nach der Menge des Einkommens/Besitzes (gemessen an dem jährlichen landwirtschaftlichen Ertrag [Getreide, Wein und Oliven]). Politische Rechte und Pflichten waren nach Vermögensklassen abgestuft, also vom Besitz/Einkommen abhängig. Eine solche Verfassung ist in der Antike später als Timokratie (τιμοκρατία [timokratia]) bezeichnet worden. In ihr gab es keine Gleichheit der politischen Rechte.

  • Wählbarkeit in die höchsten Ämter (z. B. zu Archonten) nur für die Reichsten
  • ärmste freie Bürger (unterste Vermögensklasse), die sogenannten Theten, in keine Ämter wählbar, wurden auch nicht Mitglieder im Rat der 400.
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Georg Friedrich Wilhelm Hegel drückt mit dem Hinweis auf ein Sprichwort („Bei Nacht sind die Kühe alle schwarz“ oder „Des Nachts sind alle Kühe schwarz“, ähnlich ist auch „Bei Nacht sind alle Katzen grau“) einen Sachverhalt anschaulich aus, der bei einem abgelehnten Standpunkt gegeben ist.

In der Nacht können bei mangelndem Licht Dinge nicht gut unterschieden werden. Alle Dinge erscheinen farblich gleich. In dieser Unterschiedslosigkeit kann nichts als ein bestimmtes Etwas erkannt werden. Eine Kuh sieht nicht anders aus als die anderen Kühe.

Es geht um die Auffassung vom Absoluten. Hegel wendet sich gegen eine Auffassung darüber, sein Gedanke ist an dieser Stelle also erst einmal eine Verneinung eines Standpunktes, bei dem das Absolute als völlig indifferent (unterschiedlos) gedacht wird.

Hegel äußert seine Ablehnung eines indifferenten, daher gewissermaßen einfarbigen Formalismus. Er hält ihn für ungeeignet zum Erkennen der Dinge und der absoluten Wirklichkeit.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Phänomenologie des Geistes, Vorrede (1807):

„Es ist vielmehr ein einfarbiger Formalismus, der nur zum Unterschiede des Stoffes, und zwar dadurch kommt, weil dieser schon bereitet und bekannt ist.

Dabei behauptet er diese Eintönigkeit und die abstrakte Allgemeinheit für das Absolute; er versichert, daß die Ungenügsamkeit mit ihr eine Unfähigkeit sei, sich des absoluten Standpunktes zu bemächtigen und auf ihm festzuhalten. Wenn sonst die leere Möglichkeit, sich etwas auf eine andere Weise vorzustellen, hinreichte, um eine Vorstellung zu widerlegen, und dieselbe bloße Möglichkeit, der allgemeine Gedanke, auch den ganzen positiven Wert des wirklichen Erkennens hatte, so sehen wir hier ebenso der allgemeinen Idee in dieser Form der Unwirklichkeit allen Wert zugeschrieben, und die Auflösung des Unterschiedenen und Bestimmten, oder vielmehr das weiter nicht entwickelte noch an ihm selbst sich rechtfertigende Hinunterwerfen desselben in den Abgrund des Leeren für spekulative Betrachtungsart gelten. Irgendein Dasein, wie es im Absoluten ist, betrachten, besteht hier in nichts anderem, als daß davon gesagt wird, es sei zwar itzt von ihm gesprochen worden, als von einem Etwas, im Absoluten, dem A = A, jedoch gebe es dergleichen gar nicht, sondern darin sei alles eins. Dies eine Wissen, daß im Absoluten alles gleich ist, der unterscheidenden und erfüllten oder Erfüllung suchenden und fordernden Erkenntnis entgegenzusetzen – oder sein Absolutes für die Nacht auszugeben, worin, wie man zu sagen pflegt, alle Kühe schwarz sind, ist die Naivität der Leere an Erkenntnis.“

Die Äußerung über die Nacht, in der alle  Kühe schwarz sind, ist eine Polemik gegen ein «absolutes Identitätssystem» bzw. (andere Benennung durch Hegel) eine «Identitätsphilosophie», wie in den Jahren zuvor von Friedrich Wilhelm Joseph Schelling eingeführt.

Hegel und Schelling werden beide dem «deutschen Idealismus» zugeordnet. Es gibt bei ihnen spekulatives Denken und das Streben nach einem System, das zu einer umfassenden Einheit der ganzen Wirklichkeit kommt und das Absolute versteht. Hegel und Schelling waren beide gleichzeitig einige Jahre am Tübinger Stift und später an der Universität Jena, Hegel hatte Schellings Philsophie anfangs weitgehend zugestimmt, wendet sich dann aber gegen Gedanken der «Identitätsphilosophie».

Schelling dachte das Absolute als absolute Identität (Identität kann als „A = A“ wiedergegeben werden). Nach seiner Auffassung bildet das Absolute eine ungeschiedene Einheit. Alles fällt letztlich zusammen in einer jeder Trennung/Spaltung (wie in Subjekt und Objekt, Natur und Geist, Reelles und Ideelles) vorausliegenden Indifferenz der absoluten Identität. Philosophie hat, um Einheit und Ganzheit zu begreifen, in einen Indifferenzpunkt zu gelangen, von dem aus in einer intellektuellen Anschauung das Absolute als ungeschiedene Identität begriffen werden kann.

Hegel kritisiert in der Textstelle diese Auffassung und ihre Folgen. Denn eine völlige Auflösung von Unterschiedlichkeit und Bestimmtheit (im Absoluten alles gleich) führt dazu, im Absoluten gar nichts erkennen zu können. Das Ergebnis ist dabei eine Leere an Erkenntnis.

Hegel möchte das Absolute offenbar als Einheit verstehen, aber so, dass dies nur ein Moment (Bestandteil/Gesichtspunkt) ist, es aber auch in dieser Einheit Unterschiedlichkeit und Bestimmtheit gibt, was Entwicklung und einen Reichtum an Erkenntnis ermöglicht.

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Die Grundsätze »Jedem das seine« oder (inhaltlich) nahezu gleich) »Jeder bekommt das, was ihm zusteht« sind nicht an sich schlecht, aber wenig deutlich und können bei der konkreten Umsetzung auch zur Rechtfertigung von ungerechten Handlungen und Zuständen verwendet werden. Bei dem bloßen Grundsatz fehlt ein Kriterium/Maßstab zur Verwirklichung einer gerechten Verteilung.

Ein Grundsatz »Jeder macht das, was er/sie am besten kann« ist ähnlich wie »Jeder nach seinen Fähigkeiten«. Die Entfaltung von Begabungen und die Beachtung von Fähigkeiten sind sinnvoll. Der Grundsatz kann aber auch verwendet werden, um bestimmten Menschen Tätigkeiten zu verbieten und sie von Mitsprache und Mitbestimmung auszuschließen. Den Menschen wird dann verboten, etwas zu tun oder an etwas beteiligt zu sein, mit der Begründung, dass sie dies nicht sehr gut können bzw. keine Fähigkeiten dazu haben.

Mit Vorschriften unnd Verboten kann ein Mangel an Freiheit entstehen.

In Platons Staatsideal herrscht eine einzige bestimmte Gruppe, während die anderen von Teilhabe an politischen Entscheidungen ausgeschlossen sind. Dies ist nicht demokratisch. Es gibt politisch große Ungleichheit.

Die drei Stände/Klassen (manchmal etwas zu ungenau und vereinfacht als Lehrstand, Wehrstand und Nährstand angegeben) im Staat, den Platon entwirft, sind:

1) Philosophen

2) Wächter (dienen z. B. als Krieger)

3) Erwerbsbarbeit Betreibende (z. B. Bauern, Handwerker, Händler/Kaufleute)

Es sind als in Entsprechungen aufeinander bezogen:

Philosophen – Weisheit – das Vernünftige

Wächter –Tapferkeit – das sich Ereifernde

Erwerbsbarbeit Betreibende – Besonnenheit – das Begehrliche

Es gibt in dem Staat Arbeitsteilung und Hierarchie (Unter-/Überordnung)

Aristoteles, Politik 2, 2 - 5 richtet Einwände gegen Platon (die Dialogfigur Sokrates), mit dem er grundsätzlich in der Bedeutung vom Tugend/Vortrefflichkeit als im Staat anzustreben übereinstimmt:

  • Übertreibung bei Einheit durch Übermaß bei der Führungsschicht der Wächter ist nachteilig, zerstört Staat, der in einer Einheit verschiedenartiger einzelner Menschen besteht, in seinem Wesen, macht künstlich aus ihm eine riesige Familien- und Hausgemeinschaft
  • Privateigentum ermöglicht Freude an wirtschaftlicher Tätigkeit, Aristoteles bevorzugt daher einen Staat mit Privateigentum, verbunden mit gemeinsamer Nutzung gegenüber der Gütergemeinschaft bei Platon
  • Frauengemeinschaft und Kindergemeinschaft, große Einheitlichkeit, lösen Familie und enge persönliche Beziehungen /Freudschaften auf
  • wichtiger Gruppe des Staates, den Wächtern, würde das Glück genommen, wodurch es am Glück der Gesamtheit mangele (das Argument berücksichtigt Platons Überlegungen nicht vollständig; vgl. Platon Politeia 419 a - 421 c, 465 d – 466 b, 519 d – 520 a)
  • Erziehung gebe es nicht für alle, die niedere Schucht der arbeitenden Bevölkerung und die Führungsschicht könnten sich feindlich wie zwei Staaten in einem Staat gegenüberstehen

Georg Wilhelm Hegel bemängelt bei grundsätzlicher Zustimmung zum allgemeinen Zweck das Fehlen von subjektiver Freiheit der Individuen, einen Mangel an Freiheit der Einzelnen (ihnen wird kein Bewegungsspielraum für selbständige Besonderheit gelassen, sondern das Ganze übergestülpt).

Eine Reihe von Einwänden und Vorwürfen (wie rückwärtsgewandter/reaktionärer Versuch der Erneuerung einer Adelsordnung, Klassen- und Kastenstaat repressiven, sogar totalitärer Charakters, Fremdenfeindlichkeit, Militarismus, Herrenklasse, die sich als überlegene Herrenrasse fühlt und die Menge als menschliches Herdenvieh aufaßt, deren einziger Zweck sei, für die materiellen Bedürfnisse der herrschenden Klasse zu sorgen) enthält:

Karl Raimund Popper. Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Band 1: Der Zauber Platons. 8. durchgesehene und ergänzte Auflage. Herausgegeben von Hubert Kiesewetter. Tübingen : Mohr Siebeck, 2003. ISBN 3-16-147801-0 (deutsch zuerst 1957; englisch zuerst 1945: The open society and its enemies. Volume 1: The spell of Plato)

  • Historizismus (Voraussage der Zukunft aufgrund vermeintlich fester historischer Gesetze)
  • gefährliche Utopie einer Technik der Ganzheitsplanung der Führung statt Sozialtechnik der Einzelprobleme
  • Gegnerschaft Platons zur offenen Gesellschaft, der eine gegen Veränderungen abgeschottete Gesellschaft befürwortet
  • antirationale Ideologie (Metallmythos, Dialektik, Ideenlehre), die den Trägern dieser Ideologie uneingeschränkte Macht sichere (die Einschätzung des Denkens als antirational hängt wesentlich von Poppers zu Platon stark entgegengesetzter Erkenntnistheorie ab).
  • Kollektivismus (Individuum wird dem Kollektivwohl unterworfen), im Namen des Gemeinwohls gelten Gewalt und Lüge als erlaubt

Popper meint, die Frage, wer herrschen solle, sei nicht die richtige. Es käme darauf an, wie geherrscht würde und welches politische System bestehe. Dieses müsse für unvollkommene Menschen tauglich sein. Es sollten keine einzelnen Menschen uneingeschränkte Macht haben, ohne Kontrolle Herrschaft ausüben. Platons Staat ist von ihm nicht als totalitärer Staat gedacht (die Herrschenden haben keine Begierde nach Herrschaft; es gibt z. B. keine Massenorganisation, keine Geheimpolizei, keinen großen Machtapparat). Allerdings gibt es zu einigen Fragen der Lebensführung eine starke Neigung zur Reglementierung (bis hin zu Einengung von Freiheit und Unterdrückung). Eine gewisse, aber begrenzte Nähe zu totalitären Tendenzen besteht in ein paar Einzelfragen (wobei es um Einhaltung von Grundlagen und Rahmenbedingungen geht). Bei einem Versuch einer realen Umsetzung gibt es ein Risiko, in eine repressive, autoritäre bis eventuell totalitäre Richtung wegzurutschen.

weitere Einwände und Vorbehalte:

  • Gerechtigkeitsbegriff sei unklar, inhaltsleer oder gehe am üblichen Verständnis vorbei:

Gerechtigkeit bedeutet nach Platon, das Seine zu tun (Platon, Politeia 433b τοῦτο τοίνυν, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὦ φίλε, κινδυνεύει τρόπον τινὰ γιγνόμενον ἡ δικαιοσύνη εἶναι, τὸ τὰ αὑτοῦ πράττειν). Gerechtigkeit besteht in einem Haben und Tun des Eigenen und Seinen (Platon, Politeia 433 e – 434 a ἡ τοῦ οἰκείου τε καὶ ἑαυτοῦ ἕξις τε καὶ πρᾶξις δικαιοσύνη).

Bei Platon ist Gerechtigkeit in ihrem Wesen vor allem ein Verhältnis zu sich selbst (Beziehung von Strebensformen in der Seele).

  • Eugenik
  • Erlaubtheit „edler Lüge“/„edlen Betrugs“ zum allgemeinen Nutzen (Platon Politeia 377 d – e; 389 b – c; 414 b – 415 d)
  • Zensur (Ausweisung der Dichtung, soweit sie von nachahmender Art ist, Platon, Politeia 595 a – 608 c; Vorschrift zum Weglassen von Tonarten wie der ionischen und der lydischen, da sie jammernd und weichlich seien, Platon, Politeia 398 c – 399 a)
  • Überlegung einer Ausweisung der über 10 Jahre alten Bevölkerung aufs Land und Erziehung ihrer Kinder nach eigenen Grundsätzen und Gesetzen als schnellster und einfachster Weg, den Staat zustande zu bringen
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1)  plus libertatis: „mehr an Freiheit“; Genitivus partitivus (Genitiv des Anteils), hier in Verbindung mit einem Komparativ

2) spes libertatis: „eine/die Hoffnung auf Freiheit“; Genitivus objectivus (Objektsgenitiv)

3) fur viginti annorum: „ein/der Dieb von 20 Jahren“; Genitivus qualitatis (Genitiv des Eigenschaft/Beschaffenheit), hier als Zahlenangabe

4) magnus numerus ornamentorum: „eine große Anzahl an Ausrüstungen/Schmuckstücken/Zierden“; Genitivus partitivus (Genitiv des Anteils), hier speziell als Genitivus quantitatis (Genitiv der Quantität)

5) potestas vitae mortisque;: „eine/die Macht/Gewalt über Leben und Tod“; Genitivus objectivus (Objektsgenitiv)

6) pars vitae: „ein/der Teil des Lebens“; Genitivus partitivus (Genitiv des Anteils)

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Loki ist kein genaues Äquivalent (Entsprechung, gleichwertiges Gegenstück) zu Prometheus. Es gibt teilweise Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede mit einigen deutlichen Abweichungen.

Prometheus bringt nach der griechischen Mythologie den Menschen das Feuer und hat eine Beziehung zum Feuer, aber Loki ist in der nordischen Mythologie kein Feuergott. Diese Deutung ist zwar vorgekommen, aber sie beruht teils auf einer falschen Gleichsetzung bzw. Verwechslung mit Logi, der in einer Erzählung (Gylfaginning Kapitel 46 – 47) über einen Aufenthalt beim Riesen Útgarða-Loki/Utgard-Loki in einem Essenswettkampf Loki besiegt, weil er nicht nur die Hälfte des Fleisches, sondern zusätzlich auch die Knochen und den Trog verzehrt hat, und der eine Personifikation des wilden Feuers ist, teils auf einer falschen Ableitung des Namens Loki von «Lohe». Der Name Loki ist etymologisch (der Wortherkunft nach) nicht geklärt. Möglicherweise ist er eine Kurzform für Loptr - Loptr/Lopt bedeutet wohl «der Luftige, Luftgott» (aber eher im Sinne von «Luftikus» als von «der luftige Höhen Beherrschende»), zu altnordisch lopt «Luft» - oder Lóðurr, er könnte aber auch zu altnordisch luka «schließen» gehören (Loki löst das Ende/den Schluss der Welt - Ragnarǫk/Ragnarök - aus). Die Auffassung als Feuergott ist in der Person des Loge bei Richard Wagner, Der Ring des Nibelungen, enthalten.

Loki ist ein trickreicher Gauner, der Betrug und Schwindelei ausübt (nach der englischen Sprache wird eine solche Figur als «Trickster» bezeichnet). Prometheus hat manche Eigenschaften einer solchen Figur nicht. Prometheus ist ein Kulturbringer/Kulturbringer, während Loki kaum eine solche Figur ist.

Gemeinsamkeiten/Ähnlichkeiten

  • Intelligenz: Prometheus und Loki sind klug und zu Listen fähig
  • technische Kunstfertigkeit: Prometheus formt z. B. die Menschen aus Erde/Ton/Lehm, stattet sie mit Eigenschaften aus und gibt ihnen später technisches Wissen. Loki erfindet ein Fischnetz.
  • teilweise Zusammenarbeit mit hohen Göttern: Prometheus ist bei der Auseinandersetzung der Titanen mit den olympischen Göttern zu den olympischen Göttern übergewechselt, weil die Titanen nicht auf seine seine Ratschläge eingingen, und hat Zeus klug beraten. Loki ist längere Zeit ein Begleiter und Helfer von Göttern, z. B. Óðinn/Odin. Er ist listig und findig, einen Ausweg in einer schwierigen Lage zu entdecken.
  • Konflikt mit hochrangigen Göttern, Erregung von Zorn bei diesen und Auflehnung gegen sie: Prometheus erzürnt Zeus, weil er sich für die Menschen einsetzt, indem er ihnen bei einer Verteilung die im Vergleich zum Götteranteil wertvolleren Teile der Opfertiere sichert und ihnen das Feuer bringt. Loki erzürnt die Götter und Göttinnen durch Streit, üble Vorwürfe und Zufügen von Schaden, am schlimmsten durch Herbeiführen des Todes des Gottes Baldr/Balder.
  • qualvolle Bestrafung: Beide werden an einen Felsen angekettet und immer wieder von einem Tier (Adler bei Prometheus, Schlange bei Loki) verletzt.

Unterschiede

  • religiöse kultische Verehrung: Für Prometheus ist etwas religiöse kultische Verehrung bezeugt, hauptsächlich in Athen (im Hain des Heros Akademos hat es einen Altar für Prometheus gegeben und an seinem jährlcihen Festtag wurde ein Fackellauf veranstaltet). Für Loki ist keine religiöse kultische Verehrung bezeugt, Er ist anscheinend nur eine Person der Mythologie.
  • Abstammung: Prometheus ist ein Gott und stammt von Gottheiten ab. Die Titanen und Titaninnen sind Gottheiten. Auch Zeus hat Titaneneltern. Lokis Vater ist kein Gott. Loki ist Sohn des Riesen Fárbauti/Farbauti (Haustlǫng, Strophe 5; Húsdráspa, Strophe 2; Gylfaginning, Kapitel 33; Skáldskaparmál, Kapitel 23). Lokis Mutter heißt Laufey oder Nál (Gylfaginning, Kapitel 33 und Kapitel 49; Skáldskaparmál Kapitel 23; Lokasenna Kapitel 52; Thrymskvida/Þrymskviða Kapitel 18 und 20). Ob die Mutter eine Riesin, eine Göttin oder noch ein anderes Wesen ist, wird nicht angegeben. Lokis Brüder heißen Byleistr (Handschrift U: Byleiptr; Handschrift T: Blyleistr) und Helblindi. Loki hat eine Zwischenstellung zwischen Riesen und Göttern. Loki wird aber den Asen (Göttern) zugerechnet (Gylfaginning Kapitel 20; Kapitel 33; Kapitel 44). Teilweise riesische Herkunft ist mit einer Zugehörigkeit zu den Asen (Göttern) vereinbar. Odin und seine Brüder Vili und Vé sind Söhne von Borr/Burr (altnordisch: Borr/ Búrr), der Bestla, Tochter des Riesen Boelthorn/Boelthor (altnordisch: Bǫlþorn/ Bǫlþórr) zur Frau genommen hat. Borr/Burr stammt von dem Mann Buri (altnordisch: Búri). Odin hat von der Riesin Grid (altnordisch: Gríðr) den Gott Vidar (altnordisch: Víðarr) als Sohn. Loki beruft sich Lokasenna Strophe 9 darauf, in alter Zeit/in der Urzeit hätten er und Odin ihr Blut gemischt und Odin hätte versprochen, erst wenn für beide Bier gebracht worden ist, Bier zu trinken. Demnach besteht zwischen Odin und Loki Blutbrüderschaft. Odin widerspricht nicht, sondern erkennt dies offenbar an, indem er Loki Bier bringen läßt.
  • Gestaltwandel und Geschlechtswechsel: Im Unterschied zu Prometheus vollzieht Loki mehrfach einen Gestaltwandel und Geschlechtswechsel vor. Er lockt sogar in Gestalt einer Stute den Hengst Svadilfari weg und gebiert von diesem später den Hengst Sleipnir.
  • Possenreißerei: Anders als Prometheus tritt Loki manchmal als Scherzbold und Possenreißer auf.
  • Kinder: Prometheus hat von Pronoia einen Sohn Deukalion, der als ein Stammvater der Menschen gilt. Loki hat mehrere Kinder, darunter Ungeheuer. Aus der Ehe mit Sigyn - nach Snorri Sturlusson eine Asin (Skáldskaparmál 1) - stammen die Söhne Nari, Narfi und Vali. Mit der Riesin Angrboða/Angrboda zeugt Loki den Fenriswolf (Fenrir), die Midgardschlange (altnordisch Miðgardsormr «Weltschlange»; statt des Namens kommen oft die Bezeichnung Jörmungandr, Ormr und Naðr «Schlange, Drache» vor) und Hel.
  • Verhältnis zu Menschen: Prometheus wird die Menschenschöpfung zugeschrieben und er handelt mehrfach menschenfreundlich als Wohltäter der Menschen. Er ist für sie ein Kulturbringer. Loki erscheint nicht als Menschenerschaffer oder Wohltäter der Menschen
  • Entwicklung des Verhältnisses zu Göttern: Prometheus kommt schließlich zu einer Aussöhnung mit den olympischen Göttern, besonders Zeus, und er wird befreit. Loki kann sich bei Beginn von Ragnarǫk/Ragnarök freimachen, führt als ein Anführer die Widersacher der Götter in den großen Endkampf und stirbt in einem Zweikampf mit dem Gott Heimdall, bei dem sie sich gegenseitig töten.

 

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In der Fraktion «Café Milani» waren (gemäßigt) Konservative. Innerhalb der Nationalversammlung 1848/1849 waren sie die politisch rechtsstehende Gruppierung.

Die Fraktion «Café Milani» lehnte ein allgemeines gleiches Wahlrecht ab und trat für ein Zensuswahlrecht von Männern ein. Bei einem Zensuswahlrecht ist das Wahlrecht von Besitz/Vermögen/Einkommen abhängig. Die Fraktion «Café Milani» wendete sich scharf gegen ein Wahlrecht für Arme. Der Abgeordnete Ernst von Lasaulx sagte in der Diskussion zum Wahlrecht: ,,Es heißt den Bock zum Gärtner machen, wenn man die Besitzlosen entscheiden läßt über den Beutel der Besitzenden. Die nächste Zukunft wird uns unfehlbar zum Census führen."

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Ein großes Problem dabei ist ein sicherer Nachweis. Angaben zum Lebensalter für die Antike sind nicht durch standesamtliche Eintragungen bzw. mit Geburts- und Sterbeurkunde belegt.

In der Überlieferung sind die Altersangaben nicht immer einheitlich, zum Teil handelt es sich um spätere Vermutungen und und es können Verwechslungen und Irtümer unterlaufen sein.

Sicher dokumentiert kann kein ältester Mensch in der Antike angeben.

Die Informationen hängen davon ab, was überliefert worde und erhalten geblieben ist. Es stellt sich Frage der Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit der Angaben in antiken Texten.

Alulim bzw. Aloros, dem mythischen ersten Könug von Eridu in der sumerischen Königsliste werden in verschiedenen Texten 28800, 36000 oder 67200 göttliche Jahre als Regierungszeit zugeschrieben und weiteren Nachfolgern Regierungszeiten in ähnlicher Größenordnung. Die genannten göttlichen Jahre haben anscheinend eine andere Zeitdauer als normale Jahre und es wäre eine Umrechnung nötig, allerdings sind dies sowieso mythische Angaben.

Aussagen in der Bibel von enorm hohen erreichten Lebensalter, an der Spitze Methusalem mit 969 Jahren, können nicht als zuverlässige Angabe zu einem real so langen Alter mit einem Jahr, das 365 bzw. 366 Tage (Schaltjahr) hat, gewertet werden.

Arganthonios, König von Tartessos (griechisch: Τάρτησσος; lateinisch Tartessus) im Süden der iberischen Halbinsel, hat nach Herodot(os) 1, 163, 2 80 Jahre lang regiert und ist 120 Jahre alt geworden, auch Plinius, Naturalis historia 7, 156 [48] erwähnt eine Regierungszeit von 80 Jahren und die Meinung, er habe mit 40 Jahren zu regieren angefangen. Strabon, Geographika (griechisch: Γεωγραφικά; Geographisches/Erdbeschreibung; lateinischer Titel: Geographica) 3, 2, 14 nennt eine Regierungszeit von 150 Jahren. Phlegon FGrHist 2 b, 257, F 37, 93 (V, 98) und [Lukian)os]) Makrobioi (griechisch: Μακρόβιοι; Langlebige; lateinischer Titel: Macrobii) 10 (unter Hinweis auf Anakreon und Herodot(os) mit dem Zusatz, dies werde von einigen für einen Mythos gehalten) nennen eine Lebenszeit von 150 Jahren, Silius Italicus, Punica 3, 396 – 398 nennt sogar eine Lebenszeit von 300 Jahren.

https://de.wikipedia.org/wiki/Arganthonios

Arganthonios hat wohl ein hohes Lebensalter erreicht, die erheblichen Abweichungen und der Ursprung in einem Ausspruch eines Dichters (Amakreon) lassen aber in den sehr hohen Zahlen von 120 oder sogar noch mehr Jahren dichterische Übertreibung vermuten.

Plinius, Naturalis historia 7, 159 [48] gibt für Titus Fullonius ein Alter von 150 Jahren bei einer Volkszählung unter Kaiser Claudius an.

Plinius, Naturalis historia 7, 163 [49] listet Fälle sehr hohen Alters bei einer römischen Volkszählung unter Kaiser Vespasian 73/74 n. Chr auf (eine Liste ähnlicher Art gibt auch Phlegon FGrHist 2 b, 257, F 37). Dabei nennt er mit Personennamen Lucius Terentius aus Bononia mit 135 Jahren, Marcus Aponius aus Ariminum mit 140 Jahren, Tertulla aus Ariminum mit 137 Jahren, Marcus Mucius Felix aus Veleia mit 150 Jahren.

Die Altersangaben in den Volkszählungen gehen anscheinend auf Selbsterklärung zurück und die Möglichkeiten einer genauen Kontrolle waren ziemlich begrenzt.

Im Bereich des biologisch Möglichen liegt die Angabe von 115 Jahren für Clodia, Frau des Aufilius/Ofiius (Plinius, Naturalis Historia 7, 158 [48]).

Nach Plinius, Naturalis historia 7, 157 [48] hat Marcus Valerius Corvinus 100 Jahre vollendet, nach Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia 8, 13, 1 Marcus Valerius Corvus 100 Jahre vollendet (wohl derselbe Mannn, nur mit anderer Fassung des Beinamens).

Nach Plinius, Naturalis Historia 7, 158 [48] wurde Ciceros Frau Terentia 103 Jahre alt (ebenso Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia 8, 13, 6), Clodia, Frau des Ofilus 115 Jahre alt (ebenso Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia 8, 13, 6), die Mimus-Schauspielerin Lucceia wurde im 100. Lebensjahr auf die Bühne gerufen, die Schauspielerin Galeria Copiola kehrte im Alter von 104 Jahren auf die Bühne zurück.

153 De spatio atque longinquitate vitae hominum non locorum modo situs, verum et tempora ac sua cuique sors nascendi incertum fecere. Hesiodus, qui primus aliqua de hoc prodidit, fabulose, ut reor, multa hominum aevo praeferens, cornici novem nostras attribuit aetates, quadruplum eius cervis, id triplicatum corvis, et reliqua fabulosius in phoenice ac Nymphis.

154 Anacreon poeta Arganthonio Tartesiorum regi CL tribuit annos, Cinyrae Cypriorum decem annis amplius, Aegimio CC, Theopompus Epimenidi Gnosio CLVII; Hellanicus quosdam in Aetolia Epiorum gentis ducenos explere, cui adstipulatur Damastes memorans Pictoreum ex his praecipuum corpore viribusque etiam CCC vixisse,

155 Ephorus Arcadum reges tricenis annis, Alexander Cornelius Dandonem quendam in Illyrico D vixisse, Xenophon in periplo Lutmiorum insulae regem DC atque, ut parce mentitus, filium eius DCCC. quae omnia inscitia temporum acciderunt. annum enim alii aestate determinabant et alterum hieme, alii quadripertitis temporibus, sicut Arcades, quorum anni trimenstres fuere, quidam lunae scenio, ut Aegyptii. itaque apud eos et singula milia annorum vixisse produntur.

156 sed ut ad confessa transeamus, Arganthonium Gaditanum LXXX annis regnasse prope certum est; putant quadragensimo coepisse. Masinissam LX annis regnasse indubitatum est, Gorgian Siculum CVIII vixisse. Q. Fabius Maximus LXIII annis augur fuit. M. Perpenna et nuper L. Volusius Saturninus omnium, quos in consulatu sententiam rogaverant, superstites fuere. Perpenna septem reliquit ex iis quos censor legerat; vixit annos LXXXXVIII.

157 qua in re et illud adnotare succurrit, unum omnino quinquennium fuisse quo senator nullus moreretur, cum Flaccus et Albinus censores lustrum condidere, usque ad proximos censores, ab anno urbis DLXXVIIII. M. Valerius Corvinus centum annos inplevit, cuius inter primum et sextum consulatum XLVI anni fuere. idem sella curuli semel ac viciens sedit, quotiens nemo alius. aequavit eius vitae spatia Metellus pontifex.

158 qua in re et illud adnotare succurrit, unum omnino quinquennium fuisse quo senator nullus moreretur, cum Flaccus et Albinus censores lustrum condidere, usque ad proximos censores, ab anno urbis DLXXVIIII. M. Valerius Corvinus centum annos inplevit, cuius inter primum et sextum consulatum XLVI anni fuere. idem sella curuli semel ac viciens sedit, quotiens nemo alius. aequavit eius vitae spatia Metellus pontifex.

159 Sammullam quoque CX vixisse auctor est Pedianus Asconius. minus miror Stephanionem, qui primus togatus saltare instituit, utrisque saecularibus ludis saltavisse, Divi Augusti et quos Claudius Caesar consulatu suo quarto fecit, quando LXIII non amplius anni interfuere, quamquam et postea diu vixit. in Tmoli montis cacumine, quod vocant Tempsin, CL annis vivere Mucianus auctor est, totidem annorum censum Claudi Caesaris censura T. Fullonium Bononiensem, idque collatis censibus, quos ante detulerat, vitaeque argumentis — etenim curae principi id erat — verum apparuit.

C. Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde : lateinisch-deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Roderich König in Zusammenarbeit mit Joachim Hopp und Wolfgang Glöckner. Buch 7: Anthropologie. 2. Auflage. Zürich ; Düsseldorf : Artemis & Winkler, 1996 (Sammlung Tusculum), S. 107/109/111:

„Über die Dauer und Länge des menschlichen Lebens läßt sich nicht nur wegen der Verschiedenheit der Orte und Zeiten, sondern auch wegen des jedem bei der Geburt zugefallenen Schicksals nichts Gewisses sagen. Hesiod, der zuerst darüber schrieb, bringt meines Erachtens viel Sagenhaftes und behauptet, die Krähe lebe neunmal länger als der Mensch, der Hirsch viermal so lang wie die Krähe und der Rabe dreimal so lang wie der Hirsch. Was er weiter von Phoinix und den Nymphen sagt, klingt noch mehr wie ein Märchen. Der Dichter Anakreon gibt dem Arganthonius, dem König der Tartesier 150 Jahre, Kinyras, dem König der Kyprier, 10 Jahre mehr, und dem Aigimios 200 Jahre; Theopompos dem Epimenides aus Gnossos 157 Jahre. Hellanikos berichtet, daß manche unter den in Aitolien wohnenden Epeiren volle 200 Jahre alt würden, Damastes stimmt ihm bei und erwähnt, daß Piktoreos, ein an Körperkräft ausgezeichneter Mann, sogar 300 Jahre alt wurde. Nach Ephoros wurden die Könige von Arkadien 300 Jahre alt, nach Cornelius Alexander erreichte ein gewisser Dandon in Illyrien ein Alter von 500 Jahren. Xenophon erzählt in seinem Periplus, ein König auf der Insel der Lutmier, habe 600 Jahre gelebt, und sein Sohn, als sei das noch zu wenig, sei 800 Jahre alt geworden. Alle diese Berichte entstanden aus der Unkenntnis der Zeitrechnung; denn einige rechnen den Sommer als ein Jahr und den Winter wieder für eines, andere machen jedes Vierteljahr zu einem Jahr, wie die Arkader, deren Jahr nur drei Monate hatte, wieder andere rechnen nach den Mondphasen, wie die Ägypter. Daher erklärt sich, daß einzelne Menschen bei ihnen tausend Jahre alt geworden sein sollen.

Um nun auf zuverlässige Daten überzugehen, ist nahezu gewiß, daß Arganthonios von Gades 80 Jahre regiert hat; man glaubt, daß er die Regierung erst mit 40 Jahren angetreten habe. Keinem Zweifel unterliegt, daß Massinissa 60 Jahre regierte und der Sizilianer Georgias 108 Jahre alt wurde. Q. Fabius Maximus war 63 Jahre lang Augur. M. Perperna und kürzlich L. Volusius Saturninus überlebten alle, die sie während ihres Konsulats um ihre Ansicht befragt hatten; und Perperna hinterließ nur sieben, wleche er als Censor in den Senat aufgenommen hatte: er wurde 98 Jahre alt. Bei dieser Gelegenheit will ich noch beiläufig erwähnen, daß überhaupt nur einmal ein Zeitraum von fünf Jahren verging, in welchem kein Senator verstarb, nämlich von der Zeit an, als die Zensoren Flacchus und Albinus das Lustrum feierten, im Jahre 579 der Stadt [174 v. Chr.] bis zum Amtsantritt der folgenden Zensoren. M. Valerius Corvinus erreichte das Alter von vollen 100 Jahren, zwischen seinem ersten und sechstem Konsulat vergingen 46 Jahre. Er hat auch einundzwanzigmal den kurulischen Sitz innegehabt, öfter als jeder andere. Ein ebenso hohes Alter erreichte der Pontifex Metellus.

Unter den Frauen wurde Livia, die Frau des Rutilius, über 97 Jahre, Statilia, eine Frau aus vornehmen Haus, unter der Regierung des Claudius 99 Jahre alt, Terentia, Ciceros Frau, erreichte 103, und Clodia, die Frau des Ofilius, 115 Jahre; letztere wurde auch fünfzehnmal Mutter. Die Schauspielerin Lucceia betrat noch in ihrem 100. Lebensjahre die Bühne. Die in den Zwischenspielen auftretende Künstlerin Galeria Copiola kehrte in ihrem 104. Jahr unter dem Konsulat des C. Poppaeius und Q. Sulpicius [9 n. Chr.], als die der Gesundung des Divus Augustus geweihten Spiele gefeiert wurden, wieder auf die Bühne zurück; zum ersten Mal hatte sie 91 Jahre früher der Volksaedil M. Pomponius unter dem Konsulat des C. Marius und Cn . Carbo [82 v. Chr.] auftreten lassen, und schon von Pompeius Magnus war sie bei der Einweihung des Theaters als alte Frau wie durch ein Wunder wieder auf die Bühne gebracht worden. Asconius Pedianus erzählt, daß auch Samulla 110 Jahre gelebt habe. Weniger überrascht es mich, daß Stephanion, der die Tänze in Nationaltracht einführte, bei zwei Säkularspielen auftrat, einmal bei denen des göttlichen Augustus und einmal bei denen, welche Kaiser Claudius während seines vierten Konsulats veranstaltete; denn zwischen beiden lagen genau 63 Jahre; indes war er noch lange nachher am Leben. Auf den Höhen des Berges Tmolos, Tempsis genannt, sollen nach Mucianus die Menschen 150 Jahre alt werden; das gleiche Alter wurde bei der Volkszählung des Kaisers Claudius für Titus Fullonius aus Bononia eingetragen, was sich im Vergleich mit früheren Angaben bei der Zählung und mit sonstigen Lebensumständen - auch dieser Tatsache schenkte der Kaiser Afmerksamkeit – als richtig erwies.“

Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia 8, 13, 6:

Muliebris etiam vitae spatium non minus longum in conpluribus apparavit, quarum aliquas strictim retulisse me satis erit: nam et Livia Rutili septimum et nonagesimum et Terentia Ciceronis tertium et centesimum et Clodia Aufili/Ofili quindecim filiis ante amissis quintum decimum et centesimum explevit annum.

Valerius Maximus, Sammlung merkwürdiger Reden und Thaten. Übersetzt von Friedrich Hoffmann. Fünftes Bändchen: Stuttgart : Verlag der J. B. Metzler'schen Verlagsbuchhandlung, 1829 (Römische Prosaiker in neuen Übersetzungen ; Vierzigstes Bändchen), S. 533:

„Auch mehrere Frauen erreichten ein ebenso hohes Alter; doch will ich nur Einige in der Kürze nennen: Livia, die Frau des Rutilius Gattin, wurde sieben und neunzig, Terentia, Cicero's Gattin, einhundert und drei, Klodia, die Frau des Aufilius, einhundert und fünfzehn, nachdem sie fünfzehn Söhne verloren hatte.“

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Der Sage nach wollten die Zwillingsbrüder Romulus und Remus bei Hügeln am Fluss Tiber eine neue Stadt gründen. In einem Streit wurde Remus getötet. Die Stadt Rom (lateinisch: Roma) wurde gegründet.

Remus wollte auch diese Stadt bauen und sie nach seinem eigenen Namen Remora nennen.

Marcus Tullius Cicero, De divinatione 1, 107 (den Dichter Ennius zitierend):

certabant, urbem Romam Remoramne vocarent.

„Sie stritten, ob sie die Stadt Roma oder Remora nennen sollten.“

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Das Wahlplakat der DVP (Deutsche Volkspartei) ist auf die Wahl zur Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919 ausgerichtet.

1918 ist das deutsche Kaiserreich durch Abdankung des Kaisers und die Novemberrevolution beendet worden.

Die DVP (Deutsche Volkspartei) war eine Parteineugründung unter diesen Umständen, die an die Nationalliberale Partei des Kaiserreichs anknüpfte. Sie stand für den rechten Flügel des Liberalismus, während für den linken Flügel des Liberalismus die neugegründete DDP (Deutsche Demokratische Partei) stand.

Auf dem Wahlplakat steht oben „Die Deutsche Volkspartei“ in einer Form der Kurrentschrift, einer damals gebräuchlichen Schreibschrift, und unten in Fortsetzung der Selbstdarstellung der Partei „die Partei des Mittelstandes" in Fraktur, einer einer damals gebräuchlichen Druckschrift.

Der Begriff des Mittelstandes ist durch besondere Größe als sehr wichtig herorgehoben.

Der Mittelstand ist für die DVP die Zielgruppe, die sie ansprechen möchten und aus der sie auf Wahlstimmen hofft.

In der Abbildung sind im Vordergrund vier Personen dargestellt: ein Handwerker (bärtiger Mann mit Schmiedehammer und Lederschurz) ein Bauer (mit Sense, einem landwirtschaftlichen Gerät), eine Frau in Kleid un mit Halstuch (anscheinend eine Bäuerin/Frau des Bauern) und ein Geschäftsmann (kleiner bis Mittlerer Unternehmer in Anzug und mit Hut, hält rechts ein Buch/Heft, könnte ein Rechnungsbuch sein). Sie alle gehören zum Mittelstand.

Handwerker und Bauer halten einander die Hand, die Frau ist beim Bauern untergehakt und sie bittet mit ausgestrecktem linken Arm den Geschäftsmann herbei, der auch schon seine rechte Hand ausgestreckt hat. Dies soll bedeuten, sich zu vereinigen und als Mittelstand politisch zusammenzuschließen.

Im Hintergrund sind Männer als Silhouetten zu sehen. Zumindest einige sehen nach der Kleidung (Anzug und Hut) nach Geschäftsleuten aus, ingesamt ist die Gruppe als Ansammlung von Angehörigen des Mittelstandes gedacht.

Bei dem Auftreten der Frau kann daran gedacht werden, dass damals in Deutschland gerade ein Frauenwahlrecht eingeführt worden war.

Es gab damals auch andere Parteien, die den Mittelstand politisch umwarben, z. B. die DDP. Es gab also Konkurrenz um diese Gruppe.

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Kant sucht in der Ethik etwas, das uneingeschränkt gut ist, also unter allen Umständen und ohne Einschränkungen. Dies ist nach seiner Auffassung der gute Wille. Der gute Wille ist der von einem moralischen Gesetz bestimmte Wille. Nach Auffassung von Immanuel Kant haben moralische Gesetze unbedingte Geltung. Daher ist die Befolgung dieser Gesetze moralisch ganz notwendig. Bei Kant bedeutet Pflicht die Notwendigkeit einer Handlung aus Achtung vor dem moralischen Gesetz. Pflichten gelten objektiv, allgemein und unbedingt/notwendig.

Kant nennt die Vorstellung eines objektiven, den Willen nötigenden Prinzips ein Gebot (der Vernunft). Die Formel des Gebots heißt Imperativ. Der kategorische Imperativ gibt an, was den Willen moralisch bestimmen soll. Dabei wird eine Maxime (subjektiver Grundsatz des Handelns) darauf überprüft, ob sie widerspruchsfrei als Bestandteil einer allgemeinen Gesetzgebung der Vernunft gedacht und gewollt werden kann.

Moralische Überlegungen beziehen sich nach Auffassung von Immanuel Kant auf das, was gut an sich ist, also in sich selbst einen inneren Wert hat und unbedingt gilt.

Bei moralischen Überlegungen geht es um einen kategorischen Imperativ. Ein kategorischer Imperativ ist ein unbedingt geltendes Gebot, seine Befolgung Pflicht.

ein kategorischer Imperativ ist:

  • objektiv
  • unbedingt/als Pflicht notwendig
  • allgemeinverbindlich

Im Unterschied zum kategorischen Imperativ sind hypothetische Imperative, bei denen  es um Klugheitserwägungen geht, Gebote, die unter Bedingungen/Voraussetzungen gilt. Die Gültigkeit steht unter einschränkenden Voraussetzungen. Wenn ich x möchte, dann ist y notwendig. Die Absicht/der Vorsatz ist dabei aber nicht notwendig. Hypothetische Imperative haben bloß subjektive Gültigkeit, sie gelten nur unter der Bedingung/Voraussetzung, irgendwelche Zwecke als angestrebtes Ziel zu haben. Dann geht es darum, die zur Verwirklichung geeigneten Mittel zu verwenden. Danach, ob der Zweck selbst vernünftig und gut ist, fragt ein hypothetischer Imperativ nicht. Bei Vorschriften der Klugheit ist eine Handlung Mittel zu etwas ist und es besteht eine Abhängigkeit von äußeren Umständen der Erfahrungswelt.

ein hypothetischer Imperativ ist:

  • subjektiv
  • bedingt/zufällig
  • nicht allgemeinverbindlich
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Bei Immanuel Kant sind »Autonomie« und »Selbstbestimmung« Synonyme. In »Autonomie« steckt ausdrücklich ein Begriff des Gesetzes. Der Sache nach wird die Verwirklichung von »Selbstbestimmung« auch in einer Bindung an das moralische/sittliche Gesetz gedacht.

Das Wort »Autonomie« stammt von griechisch αὐτονομία (autonomia), eine Zusammensetzung aus αὐτός (selbst“) und νόμος („Gesetz“). Der Gegensatz zu Autonomie ist Heteronomie. Heteronomie bedeutet, fremdbestimmt/von etwas anderem bestimmt zu sein, nicht von eigenen Gesetzen eines Vernunftwesens/vernünftigen Wesens/vernunftbegabten Wesens. Das Wort »Heteronomie« stammt von griechisch ἑτεϱονομία (heteronomia) , zusammengesetzt aus ἕτερος („anderer“) und νόμος („Gesetz“).

Immanuel Kant versteht Freiheit als Selbstbestimmung. Unter dem Gesichtspunkt einer Selbstgesetzgebung des Willens aufgrund seiner Bestimmung durch die Einsicht der praktischen Vernunft in das, was getan und unterlassen werden soll, wird sie als Autonomie verwirklicht.

In der Ethik von Immanuel Kant geht es bei Autonomie in der Hauptsache um eine Autonomie des Willens. Die Autonomie des Willens besteht darin, von einer Selbstgesetzgebung/eigenen Gesetzgebung bestimmt zu sein. Diese ist beim moralischen/sittlichen Gesetz zugleich eine allgemeine Gesetzgebung der praktischen Vernunft. Freiheit wird nicht mit beliebiger Willkür gleichgesetzt. Autonomie hat ein Vernunftwesen/vernünftiges Wesen/vernunftbegabtes Wesen, wenn es in seinem Willen und seinem Handeln von Grundsätzen der Vernunft bestimmt ist. Dann folgt es seiner eigenen Einsicht und ist frei. Autonomie ist zugleich eine Unabhängigkeit von Bestimmungsgründen, die außerhalb der Vernunft stehen, und eine selbstbestimmte Gesetzgebung nach Grundsätzen der Vernunft.

Ein vernünftiges Wesen will das, was es als der praktischen Vernunft entsprechend eingesehen hat.

Ein allein durch die gesetzgebende Form bestimmter Wille fällt nicht unter die Erscheinungen und ihren Kausalitätsgrundsatz (Kausalität nach Gesetzen der Natur). Freie Entscheidungen und Handlungen haben einen Bestimmungsgrund, die Autonomie (Selbstbestimmung) der Vernunft, die sich unabhängig von Antrieben der Sinnenwelt, Neigungen, Begierden, Leidenschaften, Interessen ein Gesetz gibt (Selbstgesetzgebung). Der Bestimmungsgrund wird von Kant als eine Kausalität (Kausalität durch/aus Freiheit) verstanden, die aber kein fremder, von außen kommender und determinierender (unausweichlcih bestimmender) Zwang ist.

Der gute Wille ist nach Kants Auffassung der durch die reine Form der Gesetzlichkeit (Gesetzesförmigkeit; bezogen auf das moralische/sittliche Gesetz; nicht auf juristische Gesetze) bestimmte Wille.

Ein Reich der Zwecke ist bei Immanuel Kant eine Entsprechung zum Reich der Natur. Kant versteht Menschen als einerseits der Sinnenwelt/Erscheinungswelt zugehörig, andererseits als Wesen mit einer gesetzgebenden Vernunft einer intelligiblen (nur mit dem Verstand/der Vernunft zu erfassenden) Welt zugehörig.

Ein Reich ist ein System mit einem geordneten Zusammenhang, bei dem eine Gesetzmäßigkeit herrscht. Zwecke sind Ziele, die als angestrebte Wirkungen/Ergebnisse zu Triebfedern des Handelns werden können. Im Reich der Zwecke sind vernünftige Wesen durch gemeinschaftliche Zwecke verbunden.

Vernunftbegabten Wesen sind ihrer Natur nach autonome gesetzgebende Subjekte darin, sich Zwecke zu setzen. In ihnen ist ein Wille anzutreffen, der Vorstellung gewisser Gesetz gemäß sich selbst zum Handeln zu bestimmen bestimmen (auf der Grundlage praktischer Vernunft).

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785. 2. Auflage 1786). Zweiter Abschnitt. Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten. AA IV, 440 (Die Autonomie des Willens als oberstes Prinzip der Sittlichkeit):

„Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit des Willens, dadurch derselbe ihm selbst (unabhängig von aller Beschaffenheit der Gegenstände des Wollens) ein Gesetz ist. Das Prinzip der Autonomie ist also: nicht anders zu wählen, als so, dass die Maximen seiner Wahl in demselben Wollen zugleich als allgemeines Gesetz mit begriffen seien.“

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Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1, 1, 1 hat Gallien in seiner Beschreibung - abgesehen von der schon vorhandenen römischen Provinz Gallia transalpina (auch kurz Provincia genannt) mit keltischen Einwohnern (z. B. dem auch ein wenig beteiligtem Stamm der Allobroger) - in drei Teile eingeteilt, bewohnt von den Belgern (Nordosten), Aquitaniern (Südwesten) und Kelten/Galliern (Hauptteil Galliens).

Die übersetzte Textstelle (eine Stelle sollte ohne Komma sein: „von der Seite der Sequaner und Helvetier aus“) ist Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1, 1, 5:

eorum una pars, quam Gallos obtinere dictum est, initium capit a flumine Rhodano, continetur Garunna flumine, Oceano, finibus Belgarum, attingit etiam ab Sequanis et Helvetiis flumen Rhenum, vergit ad septentriones.

Caesar beschreibt darin geographisch das Gebiet des einen Teils, des von Kelten/Galliern bewohnten Hauptteil Galliens (una pars, quam Gallos obtinere dictum est), mit seinen Grenzen. Caesar beschreibt also mit eorum una pars gar kein Volk (z. B. die Hevetier), sondern ein Gebiet und seine Lage mit Grenzverlauf.

Das Demonstativpronomen eorum (Genitiv Plural Maskulinum) bezieht sich auf die Bewohner Galliens ingesamt, die von Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1, 1, 1 – 4 in Belger (lateinisch: Belgae), Aquitanier (lateinisch: Aquitani) und Kelten/Galliern (lateinisch: Celtae/Galli) unterteilt worden sind, und die von ihnen bewohnten drei Teile (partes tres).

Der Sache nach kann kann eorum una pars als „der eine Teil Galliens“ verstanden werden. Grammatisch ist eorum (Plural) an die erwähnten Einwohner und die von ihnen bewohnten drei Teile angehängt („Der eine Teil von diesen“).

Zur geographischen Lage der damaligen gallischen Stämme kann eine Landkarte Informationen bieten.

Im Internet gibt es z. B.:

https://de.wikipedia.org/wiki/De_bello_Gallico#/media/Datei:Map_Gallia_Tribes_Towns.png

https://de.wikipedia.org/wiki/Gallien#/media/Datei:Peuples_gaulois.jpg

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Gedacht ist vermutlich an Caesars Überschreiten des Flusses Rubikon, das in Verbindung mit dem Beginn des römischen Bürgerkrieges 49 – 45 v. Chr. steht.

Das Überschreiten des Flusses Rubikon (lateinisch: Rubico; griechisch: Ῥουβίκων) war in der Zeit des antiken römischen Reiches nicht an sich verboten. Verboten gewesen ist aber Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. das Überschreiten der Grenze zwischen der Provinz Gallia cisalpina (auch als Gallia citerior oder Gallia transpadana bezeichnet) und Italien mit bewaffneten Truppen für jemand in Ausübung militärischer Kommandogewalt (lateinisch: imperium).

Der Rubikon bildete damals eine Grenze zwischen der Provinz Gallia cisalpina und Italien.

Gaius Iulius Caesar hatte als Prokonsul militärische Kommandogewalt und war Statthalter der Provinzen Gallia Cisalpina, Illyricum und Gallia Transalpina (auch Gallia Narbonensis genannt). In der Nacht vom 10. auf den 11. Januar 49 v. Chr. hat Caesar mit Truppen der 13. Legion den Rubikon Richtung Italien überschritten und damit militärisch einen Bürgerkrieg begonnen.

Quellen mit ausdrücklicher Erwähnung des Flusses Rubikon

  • Velleius Paterculus 2, 49, 4
  • Lucanus, De bello civili/Pharsalia 1, 213 - 232 (epische Dichtung)
  • Plutarch(os), Caesar 32
  • Plutarch(os), Pompeius 60
  • Sueton(ius), Divus Iulius 31 – 33 und 81, 2
  • Appian(os), Emphyla (griechisch: Ἐμφύλια; Bürgerkriege; lateinischer Titel: Bella civilia) 2, 35 [139 - 141] und 3, 88 [365]
  • Orosius 6, 15, 2 – 3

Quellen zu dem Vorrücken Caesars ohne Nennung des Flusses Rubikon

Ariminium war ein nahe am Rubikon gelegener Ort.

  • Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Civili 1, 8 (Aufbruch mit der 13. Legion nach Ariminium)
  • Florus 2, 13, 18 – 19 (Beginn in Ariminium)
  • Cassius Dio 41, 4, 1 (Caesar kam nach Ariminium, überschritt dann Grenzen seiner Provinz)
  • Eutropius 6, 19 (Soldaten in Ariminium zusammengeschart)
  • Livius, Periocha 109, 4 (Caesar betrat mit Heer Italien)
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Verteidigungsreden

Sokrates ist im Prozess gegen ihn (399 v. Chr.) seinen Überzeugungen treu geblieben und hat mutig Haltung bewahrt. Eine Abwendung von seinen Überzeugungen und Versuche, sein Leben durch rührseliges Erflehen von Mitleid zu retten, hat er unterlassen.

Sokrates wollte nicht sein philosphierendes Verhalten, das er für richtig hielt, verleugnen und widerrufen (z. B. durch Eingestehen einer Schuld) und nicht zu Verteidigungsmitteln greifen, die er für unwürdig und ethisch schlecht hielt, auch wenn er dadurch in seinen Verteidigungsreden eine für die Vermeidung eines Todesurteils ungünstige Taktik wählte.

Bei Platon, Apologie des Sokrates 23 a – c weist Sokrates darauf hin, mit seinen philosophischen Gesprächen gemäß dem Gott Apollon zu handeln. Er deutet eine Antwort des Orakels von Delphi auf eine Frage seines Freundes Chairephon, niemand sei weiser als Sokrates, so, darin weise zu sein, sich der Grenzen seines Wissens bewusst zu sein, und richtig vorzugehen, wenn er angebliches Wissen anderer Menschen im Gespräch einer Überprüfung unterzieht.

Sokrates weist auch auf sein hohes Alter (damals ungefähr 70 Jahre) hin (Platon, Apologie des Sokrates 38 c).

Sokrates erklärt, Frechheit und Schamlosigkeit sowie seiner selbst Unwürdiges unterlassen zu wollen und der Meinung zu sein, nicht aufgrund von Gefahr etwas Unedles tun zu dürfen (Platon, Apologie des Sokrates 38 d – e).

Sokrates gibt an, sein Daimonion (griechisch: δαιμόνιον), eine von ihm als göttlich gedeutete innere Stimme, habe ihm während des Prozesses nicht widersprochen, und schließt daraus, gut zu handeln (Platon, Apologie des Sokrates 40 a – c).

Bei Xenophon, Apologie des Sokrates 6, verweist Sokrates auf sein hohes Alter. Der Tod zu diesem Zeitpunkt sei einer, der von den Wissenden alls der leichteste beurteilt werde, bereite den Freunden am wenigsten Beschwerlichkeiten, bewirke am meisten Sehnsucht nach den Verstorbenen und hinterlasse nichts in den Meinungen der Anwesenden, das unanständig und misslich sei (Xenophon, Apologie des Sokrates 7). Sonst werde er unter Schmerzen durch Krankheiten oder durch hohes Amter mit beschweren und ohne Fröhlichkeit sterben (Xenophon, Apologie des Sokrates 8).

Sokrates erklärt, lieber zu sterben als unedel zu betteln, noch eine Weile leben zu dürfen, und statt des Todes ein viel schlechteres Leben zu haben (Xenophon, Apologie des Sokrates 10). Sokrates glaubt nicht, nicht zu sterben sei schön, sondern meinte, das für ihn jetzt der richtige Zeitpunkt sei, zu sterben (Xenophon, Apologie des Sokrates 23).

Die Schriften der Sokrates-Schüler Platon und Xenophon sind keine wortgenauen Wiedergaben der tatsächlichen Verteidigungsreden. Es ist zu überlegen, was inhaltlich echt ist.

Die Auffassung, Sokrates habe die Verhandlung genutzt, um sich töten zu lassen, wirkt nicht einleuchtend. Es ging ihm nicht schlecht.

Wegen des hohen Alters könnte es Sokrates leichtergefallen sein, es auf ein Todesurteil ankommen zu lassen.

Wesentlich ist offenbar gewesen, seine philosophischen Überzeugungen nicht preisgeben zu wollen und ein Verhalten, das er für schändlich hielt, zu vermeiden.

Einstellung zu Suizid

Die Darlegungen in philosophischen Dialogen stammen von den Verfassern. Inwieweit das, was die Dialogfigur Sokrates an Standpunkten vertritt, inhaltlich mit dem übereinstimmt, was  der historische Sokrates vertreten hat, ist nicht von vornherein klar.

Im »Phaidon« beruht die Aussage, der wahrhafte Philosph wolle sterben, auf einer Auffassung, die Seele sei unsterblich und der Tod sei Absonderung und Befreiung der Seele von Lasten des Leibes und Gefangenschaft, wonach es ihr gut ergeht und sie zu Erkenntnis gelangt.

Es gibt eine Auffassung (Platon, Phaidon 61 c – d), sich selbst keine Gewalt antun, denn das, sagt man, ist nicht recht (griechisch: θεμιτόν).

In pythagoreischen Geheimlehren heißt es, die Menschen seien auf einem Wachposten und dürften sich davon nicht losmachen und weglaufen (Platon, Phaidon 62 b).

Die Götter sorgten für die Menschen und diese gehörten zu ihrem Eigentum. Daher sei zu sterben nicht eher erlaubt, als bis der Gott eine Notwendigkeit verfügt hat (Platon, Phaidon 62 c). Es gilt als unvernünftig, unwillig aus der Pflege, der die besten Aufseher, die Gottheiten, vorstehen, fortzugehen. Denn es könnte jemand nicht meinen, frei geworden besser für sich zu sorgen. Nur ein unverständiger Mensch könnte vielleicht glauben, vor dem Herrn fliehen zu müssen, und nicht daran denken, dass man vor dem Guten nicht fliehen soll, sondern soviel als möglich dabeibleiben. Wer Verstand habe, begehre, immer bei dem zu sein, der besser ist als er selbst (Platon, Phaidon 62 d – e).

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Das Wort »Ethik« stammt von den griechischen Wörtern ἠθική (ethike; auf die Sitten bezogen) und ἦθος (ethos; Sitte, Denk- und Sinnesart, Brauch, Gewohnheit, Charakter).

Ethik ist eine Theorie des Sollens (in einer Formulierung von Immanuel Kant ist ihr Thema: „Was soll ich tun?“) bzw. anders ausgedrückt eine Theorie, welches Verhalten gut und richtig ist.

Ethik versucht auf begründete Weise Aussagen über gutes und richtiges Handeln und dessen personale Voraussetzungen zu geben.

Ethik ist ein Teilbereich der Philosophie. Ethik enthält ein Nachdenken (Reflexion und Diskussion über das gute Leben und das sittlich richtige Handeln). Sie systematisiert, sucht nach Begründungen und entwickelt Kriterien.

Diese allgemeine Bedeutung hat der Begriff »Ethik« auch in der Musik.

In der Frage wird außer dem Bereich der Musik kein Zusammenhang beschrieben, in dem zu klären ist, was Ethik bedeutet. Daher ist es schwierig, eine eingehende Darstellung zu geben. Möglich ist, versuchsweise einige Gedanken zu entwerfen.

Musik ist in der Hauptsache etwas, das Ästhetik betrifft.

Musik beeinflusst die Emotionen.

Musik kann ein Anwendungsgebiet von Ethik sein.

Denkbar sind Überlegungen, wie richtig und gut (im Sinn von etwas, das ethisch wertvoll ist) Musik betrieben wird und inwiefern Musikhören und Musizieren zu einem guten Leben/Glück beitragen kann.

Musik und Musizieren kann nach ethischen Maßstäben beurteilt werden.

Musik und Musizieren kann zur Einübung und Ausbildung eines Aufeinander-Hörens, zu einem Miteinander im Zusammenspiel und gemeinsamen Singen und zu differenzierter Wahrnehmung beitragen.

Musik kann verschiedene Wirkungen hervorrufen, die sich von einem ethischen Standpunkt aus beurteilen lassen. Einerseits kann Musik z. B. anregen, beruhigen, friedensstiftend sein, gemeinschaftsfördernd sein, Empathie (Einfühlungsvermögen) fördern, Solidarität stärken, andererseits auch agressiv stimmen, Hass und Gewalt schüren, rationales und kritisches Denken ausschalten.

In einer Ethoslehre wurden Auswirkungen von Musik auf das Ethos (die Seelenstimmunmg, die Denkweise, den Gefühlszustand, den Charakter) von Menschen dargestellt.

Aus der Antike ist z. B. einiges dargeboten bei

http://www.musikarchaeologie.de/ethik.html .

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Rhetorische Stilmittel in diesem Auszug aus Nepos Hannibal-Biographie?

Salvete, liebe Lateinfreunde!

Für eine meiner Nachhilfsschülerinnen, die ich bei uns am Gym betreue, bräuchte ich mal fachkundige Hilfe:

In der Schulaufgabe, die sie nächste Woche schreiben wird, müssen Stilmittel aus einem bekannten Text gefunden, benannt und in ihrer Bedeutung genau erklärt werden. Leider bin ich mit diesen Stilmitteln nur begrifflich firm - ich kann die Namen zwar, aber inhaltlich bin ich da bei den Tiefen, in die sie da absteigen, ziemlich unsicher. In unserem Kurs (bin 12. Klasse) reicht es aus, einfache Stilmittel, also Anapher, Alliteration, Trikolon etc. zu finden und zu sagen, dass sie etwas betonen (unser Lateinlehrer sieht das etwas entspannter, solange unsere Interpretation ansonsten stimmig ist). Leider hat meine Nachhilfeschülerin eine andere Lateinlehrerin, die das etwas strenger sieht und von Neuntklässlern verlangt, Stilmittel wie Chiamus oder Syndekoche zu erkennen und in ihrer genauen Bedeutung im Kontext des Textes und des Stilmittels zu erklären.

Aus sieben Texten, die für den Fragenteil zur Verfügung stehen, habe ich einen deutlichen Favoriten, da er sehr gut Beispiele für vor einigen Wochen besprochenen Grammatikkapitel in sich vereint, ich hänge euch den Text an:

Hac pugna pugnata Romam profectus est nullo resistente. In propinquis urbi montibus moratus est. Cum aliquot ibi dies castra habuisset et Capuam reverteretur, Q. Fabius Maximus, dictator Romanus, in agro Falerno ei se obiecit. 2 Hic clausus locorum angustiis noctu sine ullo detrimento exercitus se expedivit; Fabioque, callidissimo imperatori, dedit verba. Namque obducta nocte sarmenta in cornibus iuvencorum deligata incendit eiusque generis multitudinem magnam dispalatam immisit. Quo repentino obiecto visu tantum terrorem iniecit exercitui Romanorum, ut egredi extra vallum nemo sit ausus. Longum est omnia enumerare proelia. Quare hoc unum satis erit dictum, ex quo intellegi possit, quantus ille fuerit: quamdiu in Italia fuit, nemo ei in acie restitit, nemo adversus eum post Cannensem pugnam in campo castra posuit.

(Quelle LatinLibrary, der Text ist auch im Neuntklassbuch etwas gekürzt)

Wenn also jemand von euch sich die Mühe machen könnte, mir da die Stilmittel zu nennen und gerne etas ,,tiefgründiger" erklären könnte, wäre ich euch recht verbunden - ich mag in Latein 15 Punkte haben, aber hier halte ich mich nicht für fachlich kompetent genug, Stilmittel genau zu erklären.

Vielen Dank und beste Grüße

PS: Bitte nicht denken, ich hätte absolut keine Ahnung von Stilmitteln - pugna pugnata ist eine Alliteration und sonst was, meinetwegen auch ein Polyptoton (auch wenn es nicht dasselbe Wort sein mag), aber ich halte mich hier echt für unzulänglich - vielleicht auch deshalb, weil ein nicht unerheblicher Teil an Schülern, die letztes Jahr Zweien und Dreien hatten, in dieser 9. Klasse nun akut versetzungsgefährdet ist, das kommt an unserer Schule in Latein ziemlich gehäuft vor.

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Figura etymologica (etymologische Figur)

  • pugna pugnata: Verbindung von Wörtern verschiedener Wortarten aus demselben Wortstamm, nämlich des Substantivs pugna und des Partizips Perfekt Passivs pugnata vom Verb pugnare; das Kämpfen wird betont (auch durch p-Alliteration) und Kampf nachdrücklich als Thema eingeprägt.

Alliteration

  • pugna pugnata: siehe Figura etymologica
  • montibus moratus: Die Bedrohung durch den Aufenthalt auf Bergen nahe der Stadt Rom wird hervorgehoben.
  • multitudinem magnam: Die große Menge der Rinder wird betont und das Hervorrufen von Furcht als Wirkung so naheliegend.
  • tantum terrorem: Das große Ausmaß des Schreckens wird betont und damit die große Wirkung von Hannibals Trick.
  • egredi extra: Ein Heraus, das gewissermaßen zweifach ausgedrückt ist, wird verneint. Es wird betont, daß niemand ein Herausgehen aus dem Schutz des Lagerwalls wagt.
  • campo castra: Die entscheidende Aussage in diesem Teil des Satzes wird betont, nämlich das durch Hannibals große Erfolge in Italien bewirkte Unterlassen, ein römisches Lager auf offenem Feld gegenüber von Hannibal zu errichten.

Praeteritio (Übergehung)

  • Longum est omnia enumerare proelia. („Es wäre zu lange dauernd/weitläufig, alle Kämpfe/Gefechte/Schlachten aufzuzählen.“): Es wird ausgedrückt, einen Sachverhalt übergehen zu wollen, wobei sein Vorhandensein aber eben durch diese Mitteilung erwähnt wird und er Bedeutung erhält. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, wird der Eindruck einer sehr langen Reihe von Erfolgen Hannibals erzeugt.

Anapher

  • nemo ei in acie restitit, nemo adversus eum post Cannensem pugnam in campo castra posuit: Wiederholung des Wortes nemo am Anfang beider Teile des Hauptsatzes; Nachdruck bekommt, dass niemand ihm als Feldherr im offenen Kampf gewachsen war. Dies gilt in zweifacher Hinsicht: Keiner hielt stand, keiner traute sich, im offenen Feld ein Lager gegenüber von Hannibal zu errichten. Die Größe der militärischen Leistungen und Erfolge Hannibals und ihre einschüchternde Wirkung werden hervorgehoben.

Exemplum (Beispiel)

  • hoc unum satis erit dictum, ex quo intellegi possit, quantus ille fuerit: Ein Beispiel verdeutlicht anschaulich Hannibals Größe als Feldherr.

Pointe

  • nullo resistente: Durch diesen letzten Teil des Satzes bekommt die Aussage des Satzes einen wirkungsvoll zugespitzten Sinn. Hannibals Anmarsch auf Rom stößt auf keinen Widerstand.

Nicht direkt ein Stilmittel, aber eine Redewendung, die einer Metapher nahekommt, ist dedit verba (verba dare: leere Worte geben/bieten/darreichen = etwas vormachen, überlisten, täuschen). Hannibal übertrifft damit an Schlauheit den äußerst schlauen Feldherrn (Superlativ-Form callidissimo imperatori, als Elativ zu verstehen) Fabius, eine Steigerung nach ganz weit oben in einen Superlativ-Bereich.

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