Gibt es einen Persönlichkeitstypen, der sich in Japan besonders wohlfühlt?
6 Antworten
Das ist eine sehr interessante Frage! Darüber habe ich auch schon häufig nachgedacht, weil ich natürlich auch schon viele Deutsche (und andere Nationalitäten) in Japan kennengelernt habe, und man da schon gewisse „Schubladen“ ausmachen kann. Auch als ich sowohl selbst einen Schüleraustausch nach Japan gemacht hatte und auch als ich ehrenamtlich in meiner früheren Schüleraustauschorganisation gearbeitet hatte, gab es da definitiv gewisse Vorurteile und Schubladen.
Zuerst einmal gibt es bestimmte Typen, die gerne nach Japan wollen. Da gibt es auf jeden Fall den Anime-Nerd mit grüngefärbten, fettigen Haaren, Nasenpiercing und natürlich nichts anderes im Kopf als Anime. Diese Leute halten es mehrere Monate in Japan aus und kommen auch immer wieder, aber nur wenn sie in Japan ausschließlich ihrem Hobby frönen können. Gerade diese Leute haben massive Probleme mit der Anpassung, oft auch mit dem Japanischlernen, und natürlich mit der Leistungserwartung.
Erstaunlicherweise auch der Typus „Ultra-Individualist“ (Hipster) verwechselt gar nicht selten Japans Exotismus mit Individualität, aber diese Leute sind wenigstens nicht dumm und merken sehr schnell, dass sie da einen Denkfehler hatten.
Leider viele kaputte Typen zieht es nach Japan: Incels, Systemverweigerer und diese Autisten-Art, die sich allen anderen überlegen fühlt, denken häufig, Japan sei das Land, in dem sich ihre kruden Wünsche erfüllen - was nicht der Fall ist. Die meisten aus diesen Gruppen kommen niemals nach Japan, und wenn doch gefällt es ihnen nicht. Man neigt dazu, den Typen dazu zu tun, der Komplexe bezüglich seiner Intelligenz hat, Typus „Schule vergeigt, Uni / Ausbildung klappt nicht“. Den würde ich aber etwas extra packen, weil es da darauf ankommt. Ich kenne einen krassen und mehrere leichte Fälle, wo Japan in solchen Typen die Motivation hervorgebracht hat, sich aus dem Sumpf herauszuziehen.
Auf der anderen Seite gibt es da aber auch noch die Streber und Karriereenthusiasten, für die Japanisch halt die nächste Sprache ist, mit dem sie irgendjemanden beeindrucken wollen bzw. die Entsendung nach Japan ihr nächstes Karriere-Statussymbol. Diese Leute kommen zwar gut in Japan zurecht, zuckeln aber trotzdem nach zwei, drei Jahren wieder ab, wenn Japanisch und Japan ihren Zweck erfüllt haben und sie das nächste Statussymbol brauchen.
So, und wer fühlt sich wirklich dauerhaft in Japan wohl? Ich kenne jemanden, der das mal so formuliert hat: „Das Schöne an Japan ist, dass es von mir dies und das und jenes verlangt, aber es mich dann auch dafür belohnt, wenn ich das dann mache.“ Die Person hat das zwar im akademischen/beruflichen Kontext gesagt (sprich: man muss das Sprachzertifikat XY machen, um sich für irgendwas zu qualifizieren), aber ich würde es durchaus auf viele Aspekte des täglichen Lebens ausweiten. Japan ist auch sehr bürokratisch und „durchgeregelt“, aber wenn man das dann brav mitmacht, dann hat man auch etwas davon. Ich kann es besser am Gegenbeispiel Deutschland erklären, denn Deutschland ist ja eigentlich auch bekannt für Bürokratie und Regeln. Aber Deutschland hatte daneben auch schon immer dieses „Durchgehenlassen“ von Leuten, die die Regeln eben nicht erfüllen (ob einmalig oder regelmäßig). Hausaufgaben nicht gemacht? Antwort im Test zwar inhaltlich richtig, aber viele Rechtschreibfehler? Frist zur Abgabe von irgendwas verpasst? Krankschreibung, obwohl man eigentlich nicht wirklich….? Bei bestimmten Angaben im Formular ein bisschen geflunkert? Wie man im Deutschen so schön sagt: „Naja, dann macht man halt ein bisschen Mimimi…“ Und Japan ist da (auch nicht immer, aber eben doch häufiger als Deutschland) unbarmherziger. Und nur um das gleich klarzustellen: Ich bewerte das deutsche „Drüberhinwegsehen“ nicht ausschließlich negativ, es kann auch positive Seiten haben.
Trotzdem: Viele von „uns“ (die wir dauerhaft gut in Japan zurecht kommen und uns hier wohlfühlen) sind glaube ich notorische „Erwartungserfüller“, ggf. auch im Negativen „brav“ oder „people pleaser“. Wir kennen zwar (hoffentlich) Grenzen und rebellieren hin und wieder ggf. auch mal oder vergessen schlicht und ergreifend etwas, aber so ganz grundsätzlich wenn es heißt: Mach deine Hausaufgaben, achte auf den Unterschied zwischen „dass“ und „das“, Abgabe bitte bis zum 31. Mai, morgen Arbeit, bitte das Einkommen wahrheitsgemäß im Formular eintragen - dann tun wir das. Und wenn wir das dann tun, dan wollen wir aber auch, dass es a) klappt, und b) bei den Leuten, die das nicht getan haben, dann nicht klappt, damit wir nicht quasi dafür bestraft werden, dass wir getan haben, was verlangt wurde. Ich glaube, dass das ein ziemlich häufiges Persönlichkeitsmerkmal unter Japan-Auswanderern ist. Wir sind keine Überflieger, aber wir sind gut, aber wir wollen dafür auch ein bisschen was haben, nicht geschenkt, aber dann sollen es andere auch nicht geschenkt bekommen. Das ist denke ich irgendwo auch ein bisschen konservatives Denken.
Weitere häufige Persönlichkeitsmerkmale sind glaube ich „Hang zum Sammeln“ und „Neugier, was es noch alles gibt“. Ich habe mal ein Essay gelesen, wo jemand die Theorie aufgestellt hat, dass Japan-Auswanderer Leute sind, die sich mit dem Lied „Part of your world“ aus Arielle gut identifizieren können und dachte mir, dass da was dran sein könnte 😅 Immerhin fühlt sich Japan tatsächlich ziemlich häufig so an, wie sich die Menschenwelt für Arielle anfühlt, und wir müssen gefühlt auch Pakte mit Hexen eingehen, um hinzukommen. Und es ist ohne Zweifel DAS Land von „Dingelhoppers“ und „gadgets and gizmos aplenty“, mit denen man seine „collection complete“ machen kann, um dann trotzdem zu wehklagen: „I want mooooore….“.
Nerdige ITler und Gamer - letztere vor allem wenn sie auf öffentliche Arkaden/Spielhallen stehen. Da hat Japan das Modernste am Start und in allen größeren Städten gibt es Spielhallen.
Generell Leute, die lieber mit Robotern und Computern interagieren als mit fremden Menschen.
Ja, mir wurde von anderen Autist:innen Berichtet, dass sie sich in Japan deutlich wohler fühlen würden als hierzulande, genauso menschen die eine schnelle udn effiziente Bürokratie udn Pünktliche öffentliche Verkehrsmittel mögen - andererseits empfinde ich die dortige Work-Lifebalance als bedrohlich...
Zum teil das (gibt nicht ohne Grund das Hikikomori-Phänomen dort) aber eben auch schräger Erwartungen die primär dazu dienen deine Loyalität zum Unternehmen zu zeigen udn sehr Steile Unternehmenhierachien.
Ich nehme hierzulande schon das ein oder anderen Fettnäpfchen mit - aber in Japan dem Vorgesetzten vor versammelter Mannschaft zu widersprechen ist, unabhängig davon wer Recht hat, mehr als nur unhöflich etc. ...
Japaner vermutlich, ansonsten würde ich vom Schubladendenken abraten.
Mein Sohn war sechs Monate in Korea und auch in Japan. Was am wichtigsten ist, dürfte interkulturelle Kompetenz sein. Und du musst dich mit der Kultur befassen.
In Japan dürfte es für introvertierte Menschen leichter sein. Mein Sohn hat in Korea einen Persönlichkeitstest machen lassen. Interessanterweise ist die Verteilung in der Bevölkerung dort ähnlich wie in Europa. Der Test war kulturübergreifend.
Zu viel Arbeit und zu hoher Leistungsdruck?