Ich war in Japan. Mit welcher Organisation möchte ich gar nicht so groß an die Glocke hängen, weil interessierte Schüler (und deren Eltern) dazu neigen, die Auswahl der Organisation überzubewerten. Nicht falsch verstehen: Natürlich gibt es Preis- und Qualitätsunterschiede, aber solange man nicht die allerbilligste und nicht die allerteuerste Organisation nimmt, oder die Organisation, die erst seit gerade mal drei Jahren am Markt ist, ist man tendenziell schon ganz gut beraten. Eines der wichtigsten Kriterien für mich wird hingegen gerne nicht berücksichtigt, nämlich ob die Organisation eine vernünftige Vor- und Nachbereitung anbietet.
Ein Austauschjahr hat so viele extrem erinnerungswürdige Momente, dass es schwer ist, da „den einen“ zu nennen, der am krassesten war. In meinem Fall war das Gastland eben auch in allen Aspekten ganz anders als alles, was ich davor kannte. Insofern war das Austauschjahr eine Aneinanderreihung von „zum ersten Mal“-Momenten. Mit dieser extremen Andersartigkeit quasi jeden Tag umzugehen, ist erstmal anstrengend, macht einem andererseits auch das gute und stolze Gefühl, „etwas geschafft zu haben“. Ich hatte aus diesem Grund besonders in den ersten drei Monaten geradezu manische Episoden, in denen ich das Gefühl hatte, ich könnte absolut alles tun und nichts könne mich aufhalten. Im weiteren Verlauf dieses Jahres und übrigens auch noch lange nach dem Jahr gab es dann hingegen auch wieder viel Ernüchterung diesbezüglich. Nur weil man einen Schüleraustausch irgendwo hin gemacht hat, weiß man nicht alles über das Land, ist man kein unfehlbarer Experte. Aber gut, andererseits bin ich schon überzeugt, dass ein Schüleraustauschjahr einem einen Einblick in das Land ermöglicht, den man von einem Austauschjahr an der Uni oder einem Work&Travel-Jahr nicht erwarten kann. Ich hatte später auch ein Austauschsemester an der Uni in Japan gemacht und arbeite seit 8 Jahren in Japan, und der Schüleraustausch ist ohne jeden Zweifel das wichtigste Fundament für mein Leben jetzt.
Ich empfehle grundsätzlich jedem Schüleraustausch. Es gibt allerdings auch immer mal wieder Momente, in denen ich jungen Menschen rate, sich nicht schlecht zu fühlen, weil sie sich beispielsweise doch nicht bereit fühlen, ein Jahr ohne ihre leibliche Familie im Ausland zu leben. Es gibt eben diverse Sprüche darüber, wie unheimlich toll ein Austauschjahr ist und wie unheimlich erwachsen ehemalige Austauschschüler sind, aber auf Teufel komm raus zwanghaft durchgezogene Austauschjahre helfen niemandem, und man kann auch im Heimatland interessante Erfahrungen machen, an denen man zum Erwachsenen reift.
Rückblickend anders gemacht… da fällt mir nichts ein, wo ich mir sicher wäre, dass es die Erfahrung auf jeden Fall noch besser gemacht hätte. Ich war beispielsweise relativ spät dran, es wäre eventuell cool gewesen, es ein Jahr früher zu machen, andererseits wäre ich ein Jahr früher eventuell wirklich richtig überfordert gewesen mit Situationen, die ich auch so schwierig fand. Oder zum Beispiel, ich fand (und finde bis heute ;) ) meine Platzierung nicht sooo toll. Ich verrate im Internet nicht, in welcher Stadt genau ich mein Austauschjahr gemacht habe, aber sagen wir einfach, dass es eine Stadt ist, die niemand kennt und die touristisch absolut uninteressant ist. Ehrlich gesagt die ganze Gegend. Aber auch hier hatte es wenigstens den Vorteil, dass ich das Land eben auch fernab von Touristenkohorten erleben konnte. Insgesamt betrachtet ist das die wertvollere Erfahrung, als ein Jahr in Tokyo oder Kyoto gelebt zu haben. Und meine Gastfamilie hat mich dafür viel auf Fernreisen mitgenommen, sodass ich die üblichen Touristenspots dann eben doch gesehen habe.
Mein Tipp an interessierte Schüler ist schon immer gewesen, sich die Länderwahl gut zu überlegen, und in der heutigen Zeit bestärke ich diesen Tipp umso mehr. Ich kann ja verstehen, dass man sich so ein Jahr mit Englisch am ehesten zutraut, aber die üblichen englischsprachigen Länder sind wirklich leider einfach nicht so richtig empfehlenswert.