Wohnraum als Anreiz für Auszubildende?
Hallo,
erst einmal vielen Dank (auch an gutefrage.de) für dieses Themen-Special, bei dem es endlich mal wieder nicht darum geht, dass irgendein User ins Rampenlicht stellen möchte, sondern um etwas wirklich Relevantes.
Ich habe eine Frage in Zusammenhang mit dem Projekt der Ausbildungspartnerschaft mit Jordanien, wozu man ja auf Ihrer Webseite einen Aufruf für Betriebe findet.
In diesem Informationsblatt gibt es eine Angabe darüber, dass Betriebe, die sich als Ausbildungspartner zur Verfügung stellen, mit einem Investitionsbetrag von 2900-3900 EUR pro Auszubildenden aus Jordanien rechnen müssen, zuzüglich zur monatlichen Vergütung während der Ausbildung. Dieser Betrag umfasst unter anderem die erste und zweite Monatsmiete und ggf. die Mietkaution. Desweiteren wird darauf hingewiesen, dass die Auszubildenden "Engagement des Ausbildungsbetriebes" unter anderem bei der Suche nach finanzierbarem Wohnraum benötigen werden.
Meine Frage ist, warum die Akteure der beruflichen Bildung in Deutschland, also zum Beispiel ja auch Sie, nicht schon vor Jahrzehnten, aber eben leider nicht einmal jetzt, auf die Idee gekommen sind, solche informative, finanzielle und organisatorische Unterstützung auch inländischen Auszubildenden genau so systematisch zur Verfügung zu stellen wie diesen Jordaniern, und damit die Attraktivität von nicht-akademischer Berufsbildung massiv zu erhöhen.
Wir alle wissen seit Jahrzehnten um die Situation nicht nur der Mietkosten in ganz Deutschland, sondern auch der begrenzten Wohnraumkapazität und der "versteckten" Hürden wie zum Beispiel die Ablehnung von Wohnungsbewerbern aufgrund ihres Namens, das Verlangen von Vermietern nach Bürgen etc. Wir alle wissen, wie schwierig es selbst für bereits ausgebildete Berufsanfänger, je nach Region selbst für Berufsveteranen (!) ist, bezahlbaren Wohnraum im Einzugsbereich des Arbeitsplatzes zu finden, denn die Medien berichten darüber seit dem Ende der 90er Jahre regelmäßig. Die Ausbildungsvergütungen sind seitdem zwar glücklicherweise deutlich gestiegen, die Mietkosten aber eben auch und die genannten nicht-monetären Hürden eben auch. Es ist für viele Auszubildende so gut wie unmöglich, ihr Elternhaus zu verlassen, und das wiederum schränkt die Wahl der Ausbildungsbetriebe ein, die ja gerade im handwerklichen Bereich häufig ausserhalb von Städten und eher an Standorten mit großen und günstigen Gewerbeflächen zu finden sind. Während Hochschulen in aller Regel zentral in Städten gelegen sind, und Wohnheimplätze anbieten, die zwar zahlenmäßig auch nicht ausreichen, auf die man aber zumindest eine statistisch realistische Chance und dann Anspruch für den Rest der jahrelangen Studienzeit hat, während man als Auszubildender auf die Eltern angewiesen ist. Sind diese Eltern nicht in der Lage oder nicht gewillt, ihr Kind in dieser Hinsicht zu unterstützen, erübrigt sich die Frage "Ausbildung oder Studium?" oft schon. Und wenn Sie mir das nicht glauben, lesen Sie sich Beitragsfragen in diesem Forum unter dem Thema "Ausbildung und Studium" durch: Die Problematik der als "minderwertig" empfundenen dualen Berufsausbildung gegenüber einem Studium außen vor gelassen, ist ein Studium für viele organisatorisch schlicht leichter umzusetzen, und zwar paradoxerweise sogar umso mehr, je bildungsferner und finanziell benachteiligter das Elternhaus ist. Ich behaupte, dass die Garantie von eigenem Wohnraum, selbst wenn das nur so etwas wie eine betriebseigene Azubi-WG wäre, so einige Schulabgänger dazu bewegen würde, statt eines Studiums eine Ausbildung zu wählen. Empfehlen Sie den Betrieben Ihrer Region doch einmal, zuzüglich zur monatlichen Vergütung auch 2900-3900 Euro plus Engagement in deutsche Bewerber zu investieren - denn diese benötigen Unterstützung bei der Wohnungssuche letztendlich genau so wie jemand aus dem Ausland.