Gedichtanalyse überhaupt möglich?

5 Antworten

Weder klassische Form noch biographischer Hintergrund - Mensch, was man hier immer wieder lesen muss...

Dabei verstehe ich durchaus, dass man sich da gar nicht auskennt, aber dann ist einfach... SCHWEIGEN geboten.

Hinzu kommt, dass deine Wiedergabe falsch ist (hat wohl mit GF zu tun), so dass man aufgrund dieser Elemente dazu nichts Vernünftiges sagen kann.

Es geht hier um ein Ideogramm, und zwar eines der bekanntesten Gedichte der sog. "konkreten Lyrik".

Zum geschichtlichen Hintergund: nach dem Krieg (d.h. hier: nach der Zerstörung der Sprache durch Nazi-Propaganda) entwickelt sich ein radikales Misstrauen gegen wortreiche Sprache, und die Tendenz zum Schweigen wird zu einem neuen, deutlich erkennbaren Ideal der deutschsprachigen Lyrik.

Zum Prinzip: konkrete Lyrik treibt diese Tendenz ins Extrem. Begriffliche und visuelle Mitteilung sollen zusammenfallen.

Zum Gomringer-Gedicht: begriffliche Mitteilung ist das ohne jede syntaktische Verbindung absolut gesetzte Wort, das Visuelle macht die ausgesparte Leerstelle genau in der Mitte der Textgestalt aus (gerade das, was bei dir nicht erscheint).

Die zentrale Leerstelle bewirkt in Verbindung mit der nur räumlich-materiellen (also nicht emphatischen, nicht emotionalisierenden) Wiederholung des "Wortblocks" eine "Sogwirkung", auf die es m.E. ankommt: das absolute (weil wortlose) Schweigen "schluckt" potentiell das Wort, das "Schweigen" anzeigt und bedeutet (linguistisch gesprochen ein sog. "Signifikant") und legt damit nahe, dass lyrische Sprache im Idealfall in absolutem Schweigen aufgehen soll.

achwiegutdass  20.03.2020, 18:52

Nolite mittere margaritas ante porcos!

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Natürlich lässt sich dazu eine Analyse schreiben.

Wann wurde es denn geschrieben. Wie ist die Biographie des Dichters... daraus lässt sich entsprechend interpretieren.

Dieses sich ständig wiederholende Wort schweigen deutet auf enorme Monotonie hin... langeweile...
Das Wort an sich kann sowohl auffordernd, als auch neutral gemeint sein... ein Rückzug ins innerste Selbst über diese Stille in einem Moment vollkommener Langeweile.
Oder aber eine erzwungene Situation... quasi Fließbandarbeit unter Zwang, niemand darf sprechen, die Regularien sind einem eingehämmert, wie das stetige Geräusch der stanzenden Maschine neben einem. Schweigen. Schweigen. Schweigen.

liquorcabinet  19.03.2020, 17:14

Ich studiere Germanistik und mir wurde bereits im ersten Semester klar gemacht, wie absolut unwissenschaftlich es ist, die Autobiografie eines Autors in eine literarische Analyse mit einfließen zu lassen! Das macht man auch bei anderen Wissenschaften nicht. Nur weil DU meinst in der Biografie ein emotionales Tief ausmachen zu können oder nur weil irgendein Heini im Nachgang behauptet, Schiller hätte Depressionen gehabt, muss das noch lange nicht ein Indiz dafür sein, dass der Autor xyz in sein Gedicht geschrieben hat. Man bleibt beim Text! Und geht nicht auf Paratexte über. Eine goldene Regel, die im Deutschunterricht leider immer wieder vernachlässigt wird. Und einen leider 0,0 auf eine Hochschule vorbereitet.

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BeviBaby  19.03.2020, 17:28
@liquorcabinet

Wow, es spielt also wirklich keine Rolle, WANN und WO der Text verfasst wurde? Und welche Einflüsse damals vorherrschten? Welche Einflüsse zur Jugendzeit oder im frühen Erwachsenenalter des Dichters vorherrschten?

Das heißt es ist vollkommen egal, ob ein Gedicht von Gryphius 1630 oder 2015 verfasst wurde, weil der 30-jährige Krieg ja überhaupt keine Rolle spielt?

Interessant, was man so in Germanistik an der Uni lernt...

Denn, sorry, das gehört auch irgendwie zur Biographie des Dichters dazu... oder zur Entstehungsgeschichte des Gedichtes... bei Gryphius ggf. weniger Biographie, doch was wenn jetzt jemand 10 Jahre nach dem 30-Jährigen Krieg nochmal versucht die Schrecken zu verdeutlichen...

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liquorcabinet  19.03.2020, 21:51
@BeviBaby

Ich verstehe deinen Gedankengang, allerdings obliegt es nicht dir zu beurteilen, ob bspw. politische Verhältnisse dafür maßgeblich waren, das x einen bestimmten Text verfasst hat. Solche geschichtlichen Hintergründe darfst du nur dann in die Analyse mit einfließen lassen, wenn sie selbst vom Autor als Motiv genannt wurden. So verfährt die Wissenschaft hier. Weil es ansonsten zu vielen falschen Analysen kommt, weil man aufgrund der Texte meint Zusammenhänge auszumachen, die es so eigentlich nicht gibt. Also nur weil zu dieser Zeit der 30jährige Krieg geherrscht hat und DU meinst, dass die und die Strophe darauf hindeutet, dass er eben dieses einschneidende Erlebnis verarbeitet, muss das noch lange nicht der Wahrheit entsprechen. Außerdem: wenn man sich zuerst anschaut, zu welchen Zeiten der Autor gelebt hat und was er vielleicht privat verarbeiten musste und danach erst den Text unter die Lupe nimmt, ist man sofort beeinflusst und deutet den Text direkt in diese eine Richtung. Verstehst du, worauf ich hinaus will?

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Dass es einen so überwältigt, dass man schweigen schweigenschweigen schweigen schweigen MUSS. Und der Rest ist: SCHWEIGEN.

Gruß, earnest

mendrup  19.03.2020, 18:16

Streber 🤝

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earnest  19.03.2020, 18:17
@mendrup

Nein, nur überwältigt von der Kraft der Worte.

;-)

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Auch wenn keine Satzzeichen da sind, so kann das auch eine Bedeutung haben. Dann die Umbrüche, die Anzahl der "schweigen" und warum in der dritten Zeile nur zwei statt drei sind. Ist das vielleicht mit einer klassischen Gedicht Form vergleichbar.

Und ich weiß nicht, ob es Absicht ist, aber dass ein "schweigen" groß geschrieben ist und der Rest nicht...

Da lässt sich doch was rausholen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich habe es studiert und eine Ausbildung gemacht
liquorcabinet  19.03.2020, 17:11

Ich studiere Germanistik und mir wurde bereits im ersten Semester klar gemacht, wie absolut unwissenschaftlich es ist, die Autobiografie eines Autors in eine literarische Analyse mit einfließen zu lassen! Das macht man auch bei anderen Wissenschaften nicht. Nur weil DU meinst in der Biografie ein emotionales Tief ausmachen zu können oder nur weil irgendein Heini im Nachgang behauptet, Schiller hätte Depressionen gehabt, muss das noch lange nicht ein Indiz dafür sein, dass der Autor xyz in sein Gedicht geschrieben hat. Man bleibt beim Text! Und geht nicht auf Paratexte über. Eine goldene Regel, die im Deutschunterricht leider immer wieder vernachlässigt wird. Und einen leider 0,0 auf eine Hochschule vorbereitet.

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