Fließt der Strom durch die Erde in die Steckdose?

8 Antworten

aber das geht ja nicht da ein Leiter einfach nur im Boden steckt

Eh... nein. Wer auch immer dir das erzählt hat, das vergiss mal lieber schnell. :)

An eine handelsübliche Schutzkontaktsteckdose werden nach aktuellem Stand der Technik drei Leiter angeschlossen:

  • Außenleiter
  • Neutralleiter
  • Schutzleiter

Von den Außenleitern gibt es drei Stück, L1, L2 und L3. Diese sind zueinander jeweils 120° Phasenverschoben und führen eine Spannung von 400V, was jedoch in diesem Fall irrelevant ist. Zum Sternpunkt, der durch den Neutralleiter gebildet wird, führt jeder Außenleiter 230V.

Der Neutralleiter ist der Punkt, an dem die drei Außenleiter wieder zusammengeführt werden. Dieser ist geerdet und führt somit keine Spannung zur Erde bzw. dem Schutzleiter.

Der Schutzleiter ist die Erdung, dieser Leiter darf nicht für die aktive Stromführung verwendet werden und dient einzig und alleine zur Sicherheit. Er ist auch mit der Erdungsanlage des Gebäudes verbunden.

Vom Umspannwerk bzw. dem Trafo kommen meist vier Leiter an:

  • Phase L1
  • Phase L2
  • Phase L3
  • Nullleiter (PEN)

Im Gebäude wird der PEN-Leiter in PE (Schutzleiter) und N (Neutralleiter) aufgeteilt.

Der Stromfluss führt also über einen der Außenleiter, im Haus über den Neutralleiter und ab dem Hausanschluss über den PEN-Leiter. Und das - wie du schon korrekt erkannt hast - abwechselnd in die eine und die andere Richtung.

Der Schutzleiter, der "in der Erde steckt", hat damit erstmal gar nichts zu tun.

Und Erde ist ja auch ein Isolator besonders bei einer Entfernung von mehreren Kilometern zum Kraftwerk.

Tatsächlich ist das Erdreich aufgrund der riesigen Masse und dem Mineralangereicherten Wasser darin sogar ein sehr guter Leiter. Bei einem guten Erder bietet das Erdreich sogar weniger Widerstand, als die Zuleitung.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Elektrofachkraft im Kunden- und Wartungsdienst

Elektrischer Strom fließt nur im geschlossenen Kreis, selbstverständlich auch durch den Erdboden, sonst wären ja alle elektrischen Erdungen sinnlos!

"Und Erde ist ja auch ein Isolator besonders bei einer Entfernung von mehreren Kilometern zum Kraftwerk."

Die Annahme ist geradezu absurd. Feuchter Sandboden oder Ackerboden leitet den Strom spezifisch immerhin schon 200 000 mal so gut wie Leitungswasser oder 5 000 mal so gut wie Meerwasser. Dazu verringert sich der Widerstand der Erde mit dem rechnerischen Querschnitt 12 000 km bei großen Strecken auf Milliardstel im Vergleich zu gewöhnlichen Leitern mit ca 1 Millimeter Durchmesser. Deshalb ist bei elektrischen Erdungen nur der enge Übergangswiderstand zur Erde relevant und nicht die Entfernung.

Somit wird "bei einer Entfernung von mehreren Kilometern" die Erde nicht - wie Du vermutest - zum "Isolator", sondern ganz im Gegenteil praktisch zum widerstandslosen Leiter!

Wenn der Erdboden nicht so leitfähig wäre, gäbe es die allermeisten Stromunfälle nicht, weil da in den meisten Fällen der Stromkreis über die Erde geschlossen wird. Und Erdblitze gäbe es bei Gewitter auch nicht mitsamt den Blitzopfern am Erdboden.


isohypse  26.03.2025, 21:23

Allerdings fließt in einem fehlerfreien Stromkreis der Strom nicht über das Erdreich. Zumindest nicht bei den bei uns üblichen TN-C-S Netzen. Ich sag das nur zur Sicherheit. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:TN-C-S-earthing_de.svg

dompfeifer  26.03.2025, 21:42
@isohypse

Das gilt aber nur bei einer völlig symmetrischen Belastung der Außenleiter.

Und der elektrische Widerstand "auf langen Strecken" ist dabei schon gar kein Problem, dagegen schlimmstenfalls der Übergangswiderstand zur Erde.

isohypse  26.03.2025, 21:44
@dompfeifer

Der Strom fließt dann aber immer noch über den N und dann den PEN Leiter zum Ortsnetztrafo zurück. Es liegt ein geschlossener Kupferkreis vor.

dompfeifer  26.03.2025, 22:03
@isohypse

Im Ortsnetz schon, aber wohl kaum bei den überregionalen Hochspannungsleitungen. Da sieht man nur einen Leiter als Blitzableiter an den Mastspitzen mit vergleichsweise kleinem Querschnitt. Hier vermute ich schon geerdete Sternpunkte Primärseitig bei den verteilenden Trafos.

die andere Leitung der Steckdose ist ja stromlos

Das ist nicht ganz richtig.

Stark vereinfachte Erklärung (den ganzen Umspannkram, den Drehstrom und die Erdung mal außen vor), da das Thema tatsächlich ein größeres Kapitel ist:

Kraftwerk >> Phase (das ist der "heiße", der dir einen Stromschlag geben kann) >> ein Steckdosenloch >> durch Verbraucher >> Neutralleiter zurück >> anderes Steckdosenloch >> Kraftwerk.

Ein geschlossener Stromkreis. Die Stromstärke (A) ist im gesamten Stromkreis gleich. Er wechselt 100x die Sekunde die Flussrichtung, da es Wechselstrom mit 50Hz ist (=50x vorwärts und 50x rückwärts). Die Spannung (V) zwischen Phase und Neutralleiter beträgt 230V.

Das funktioniert ganz ohne Erdung ohne Einschränkungen.

Was hat das mit der Erdung / dem Schutzleiter auf sich:

Aus unterschiedlichen physikalischen Gründen ist es sinnvoll, eine Masse festzulegen und den Erdboden mit dieser zu verbinden.

Diese Masse ist in den meisten Fällen der Neutralleiter. Um den Erdboden in die festgelegte Masse einzubeziehen, wird ein Erder in die Erde getrieben und eine Verbindung von diesem zum Neutralleiter hergestellt.

Da nun eine leitende Verbindung zum Erdboden besteht, kann man sagen: Der Neutralleiter ist geerdet. Erdboden und Neutralleiter haben dadurch stets dasselbe Potential. Anders gesagt: Der Neutralleiter hat Erdpotential bzw. 0V gegen Erde.

Richtig zu verstehen: Das ändert an dem eingangs erwähnten Stromkreis des Verbrauchers gar nichts. Der Strom fließt dadurch nicht anders.

Dieses Konstrukt nennen Fachleute "Netzform TN" (es gibt weitere Netzformen, bei denen das etwas anders geregelt ist)

Das Erden hat zwar viele Vorteile, aber auch einen gefährlichen Nachteil: Schwerkraftbedingt trampeln Menschen auf dem Erdboden herum. Dadurch haben auch diese Erdpotential.

Steht ein Mensch leitfähig genug auf dem Erdboden hat auch er das Erdpotential. Zwischeb ihm und der Phase liegen 230V (Erdboden ist ja mit N verbunden). Fässt der Mensch in die Phase, schließt sich der Kreis und der Mensch bekommt einen gefährlichen Stromschlag.

Das mutwillige Berühren der Phase mit dem Finger kann man nicht wirklich unterbinden. Man kann die Gefahr durch verschiedene Maßnahmen weitgehend eliminieren (indem z.B. die Löcher der Steckdose so sind, dass der Finger nicht durchpasst).

Nun kann es aber sein, dass er ungewollt mit der Phase in Berührung kommt: Er hat z.B. einen Backofen, bei dem im Inneren die Isolierung der Phase beschädigt ist und dadurch die Phase ungewollt leitenden Kontakt mit dem Metallgehäuse hat. Fässt der Mensch dieses an, bekommt der ahnungslose Mensch auch in diesem Fall einen Stromschlag.

Um das zu verhindern, wurde der Schutzleiter erfunden. Er ist im TN-Netz technisch nichts anderes als ein zweiter Neutralleiter.

Der Schutzleiter wird mit dem Metallgehäuse des Ofens verbunden. Ist alles in Ordnung, fließt kein Strom über den Schutzleiter.

Gelangt die Phase an das Gehäuse, wird der Strom abgeleitet, was dazu führt, dass die Spannung am Gehäuse auf 0V heruntergezogen wird, so dass der Mensch eben KEINEN Stromschlag bekommt. Der Leiter schützt also die Menschen vor solchen Situationen und deshalb heißt er so.

Da dieser Ableitvorgang in vielen Fällen auch einen Kurzschluss darstellt, löst idr. die Sicherung aus. In den Fällen, wo die Verbindung nicht gut genug für einen Kurzschluss ist, beendet der (hoffentlich vorhandene) FI den Spaß - Der Mensch bleibt dadurch verschont!

Auch der FI-Schalter kommt hier ins Spiel: Der überwacht permanent den Stromfluss von Phase und Neutralleiter und vergleicht sie. Besteht hier eine Differenz, muss der Strom irgendwo abbleiben - Er fließt - anstatt über den dafür vorgeseheneen Neutralleiter - über den Schutzleiter. Überschreitet diese Differenz einen gewissen Schwellwert (idr. 30mA), schaltet der FI ab.

Der Schutzleiter existiert übrigens nur durch die Verbindung zur Erde vor Ort. Der Erder befindet sich am letzten Trafo, wo aus der Mittelspannung die 230V macht. Idr. befindet sich in jedem Haus, das daraus versorgt, ebenfalls jeweils ein Erder. Das muss aber nicht zwingend so sein.

In den höheren Spannungsebenen und im Kraftwerk ist er in dieser Form nicht vorhanden.

Es gibt noch die TT- und die IT-Netzform. Da ist das etwas anders geregelt.

In manchen Fällen ist der Schutzleiter auch im TN-Netz nicht mit dem Neutralleiter verbunden.

Der Neutralleiter heißt übrigens nicht Neutralleiter, weil er geerdet ist, sondern weil das Netz eigentlich ein Drehstromnetz ist, welches aus 3 Phasen besteht und der Neutralleiter der Mittelpunkt ist. Zwischen jeder Phase und N sind jeweils 230V und zwischen den Phasen jeweils 400V. Damit die Steckdosen im Haus die 230V bekommen, wird eine der 3 Phasen zusammen mit Neutralleiter und Schutzleiter daran angeschlossen.

Früher hat man übrigens gar keinen separaten Schutzleiter verlegt, sondern den betriebsmäßig vorhandenen Neutralleiter einfach als Schutzleiter mitverwendet. Den nannte man dann "Nullleiter" bzw. PEN. Das ist allerdings unsicher und nur noch in bestimmten Fällen erlaubt, aber in alten Häusern noch so vorzufinden.

Wenn du es ganz genau wissen willst, frage Google nach "Netzformen" :)

Woher ich das weiß:Hobby – Ich beschäftige mich schon mehrere Jahre damit.

Es kann so sein, ja. Beispielsweise in Island.
https://de.wikipedia.org/wiki/Single-Wire_Earth_Return

Aber bei uns nicht.
Ein Pol des Stromnetzes ist geerdet.
Das heisst aber bei uns noch nicht, dass der Strom durch die Erde fliesst. Denn vom Erdpunkt (Sternpunkt) in der Trafostation wird auch dieses Kabel mit Erdpotential bis in die Häuser gezogen.
Aber man kann gegen Erde die Spannung des "heissen" Pols messen (sog. Aussenleiter im sternförmigen Drehstromnetz).

Aber "der Strom" "wechselt" nicht "zwischen Leiter 1 und 2 hin und her". Das ist eine irreführende Vorstellung.

  • Die Polarität der Spannung ändert bei Wechselspannung regelmässig (einmal ist Plus, mal Minus an Erde. Bei 50Hz 100x pro Sekunde.
  • Und der Stromfluss wechselt dadurch einfach regelmässig die Richtung, eben 100x pro Sekunde.

Nein, für den regulären Stromfluß steht immer ein galvanisch verbundener kabelgebundener Stromkreis zur Verfügung. Die Erdung hat andere Gründe - es fließt aber praktisch nichts über das Erdreich - auch nicht auf der Transportebene.