Findet ihr, dass Kunst heutzutage handwerklich betrachtet schlechter geworden ist?


05.09.2023, 20:50

Vielen Dank für all eure Antworten und eure spannenden Sichtweisen dazu. Ich kann leider nur eine HA vergeben, soll aber in keinem Fall die anderen Antworten schmälern. :-)

13 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo, Jannik,

Du stellst eine interessante Frage, die man mit bildenden Künstler der Gegenwart erörtern könnte. (Ich bin Designer - mit Hang zu Kunst :-) )

Das 19. Jahrhundert mit seiner akademischen Malweise hat Werke von beeindruckender Qualität hervorgebracht - für manche Künstler war diese Ausrichtung zu eng - die künstlerische Freiheit schien eingeschränkt. Bedeutende künstlerische Strömung bildeten sich ausserhalb der Akademien.

Es liegt auf der Hand, dass eine fundierte Ausbildung auch zu Qualität führen kann, und ohne das entsprechende Handwerk können Werke enstehen, deren Idee zwar neu und auch richtungsweisend sein kann, aber denen es an Qualität mangeln mag. Über den Wert von Kunstwerken sollte man sich besser nicht aufregen, denn da hat der Markt seine eigenen Gesetze - und es gibt Künstler mit hochwertigen Arbeiten, die schlicht unentdeckt sind und es evtl. auch bleiben, so dass ihre Arbeiten deutlich geringere Preise bei Auktionen erzielen.

Wenn einem der Zugang zur Kunst eines anderen nicht gelingt, würde ich mich da nicht zwingen. Ich kann ganz gut künstlerische und handwerkliche Qualität erkennen, auch wenn das Werk mir nichts sagt. Meine bisherige Erfahrung ist, dass die Begegnung mit dem Original oft eine Wende in der Rezeption bedeutet. Viele Werke lassen sich erst im Original wirklich verstehen, denn hier steht man dem Werk genau so gegenüber, wie der Künstler selbst beim Schaffensprozeß. Ich denke da an eine Rothko Ausstellung, bei der die Aussteller den Lichteinfall so gestaltet hatten, wie der Künstler dies in seinem Atelier eingerichtet hatte. Die Wirkung war beeindruckend. Auch Arbeiten von Gerhard Richter lassen sich kaum reproduzieren - die Bandbreite seiner Farbpalette lässt das nicht zu, auch wenn Kunstdrucke einen Eindruck geben können. Das Erlebnis der Farbe bei seinen Werken - selbst bei den Schwarzweiss Vermalungen, ist einzugartig.

Soweit meine Gedanken zu Deiner Frage.

Lg und alles Gute

Jo

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
horribiledictu  11.08.2023, 14:33

wobei spätestens seit der Erfindung des Druckes hinter dem Begriff Original auch ein großes Fragezeichen steht...

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Gerade im 19. Jahrhundert wurde extrem viel Wert auf handwerkliches Können gelegt. Oft waren die Ergebnisse dementsprechend leblos, gerade bei akademischen Künstlern. Als Gegenbewegung kam es dann zur neuen Kunst, wo Gefühle und die hinter einem Kunstwerk verborgene Inhalte in den Mittelpunkt gestellt wurden.

Kunst ist immer auch ein Ausdruck der Zeit, indem diese geschaffen wird.

Ein Salvador Dali war handwerklich fast perfekt und dennoch haben die Kunswerke eine Aussage und berühren.

Ich habe einmal akademisch gemalte Portaits des Künstlers Kurt Schwitters aus seiner Frühphase gesehen und war erstaunt, wie gut diese gelungen waren. Seine dadaistischen Kunstwerke sind eben nicht handwerklich exakte Darstellungen, sondern sie sollten provozieren und das taten sie auch.

Ein wirklicher Künstler schafft meines Erachtens den Spagat von handwerklichen Können und emotionaler Schaffenskraft. Welche der heutigen Künstler sich auch in Zukunft werden behaupten können und Anerkennung finden, dass wird sich zeigen. Wenn ich mir persönlich Kunst kaufe, dann weil sie mir persönlich gefällt und da ist es mir völlig egal, ob der Künster einen Namen hat oder nicht. Das Kunstwerk muss zu meinen Einrichtungsstil passen. In meinen Wohnzimmer hängen daher Originale der völlig unbekannten niedersächsischen Künstlerin Ilwa (Ilse Warnecke *1950)

Ich persönlich glaube, dass die Entwicklung der Fotografie da ihren Teil dazu beigetragen hat. Wieso teuer ein realistisch gemaltes Bild kaufen, wenn man für einen Bruchteil des Geldes ein Foto erwerben kann, das so hyper realistisch ist wie es nur werden kann?

Ich bin in Museen auch immer besonders fasziniert von Bildern aus dem 15. - 18. Jhd., die aussehen als wären es Fotografien und keine Gemälde.

Daoga  11.08.2023, 15:48

Die Fotos ließen für lange Zeit zu wünschen übrig, denn die frühe Fotografie war noch in schwarzweiß. Und später hatte man Probleme mit der Farbbeständigkeit der ersten Farbfotos, vor allem wenn sie dem Licht dauerhaft ausgesetzt sind. Der einzige Vorteil des Fotos neben der schnellen Herstellung, nachdem man von den Silberjodid-Platten wegkam, war die Möglichkeit der leichten Vervielfältigung.

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Geht mir genauso, bei vielem was "moderne Kunst" sein soll denke ich mir, das hätten Kinder im Kindergarten oder Affen im Zoo auch hinbekommen, und bei vielen Plastiken weiß kein Mensch mehr außer dem Künstler, was das eigentlich darstellen soll. Da hilft dann auch kein Schönreden a la "Gedanken dahinter" mehr, wenn man keinen Rorschachtest – Wikipedia beabsichtigt.

Moderne Künstler die es wie die alten Meister können, gibt es übrigens nach wie vor, nur arbeiten sie heute meistens für Titelbilder, Comics, Sammelkartenspiele (Magic etc.), Poster, Design für Computerspiele und Animationsfilme und ähnliche Medien. GuckstDuhier: DeviantArt - The Largest Online Art Gallery and Community oder Du googelst einfach Namen wie Boris Vallejo, Joe Jusko, Vincent Segrelles, Brothers Hildebrandt, Stjepan Sejic, Frank Frazetta (und weitere).

JoSiemens  11.08.2023, 15:19

Es gibt heute erstaunlich gute Leute im Bereich Digital Art - das stimmt ganz sicher. Es ist aber auch so, dass das Arbeiten an Tafelbildern eine größere handwerkliche Herausforderung darstellt. Der Computer ist in diesem Bereich eine große Hilfe - (die ich ebenfalls nicht misssen möchte, denn er spart mir viel Zeit)

Lg Jo

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Nein. Es gibt aber natürlich mehr Leute, die sowas machen und darunter sind eben auch welche, die jetzt nicht so prall sind. Ist bei Fotos ja auch so.

Und dann gibts eben auch Leute, die Bilder nicht verstehen können