Egoistisch/ Ukrainer aufnehmen?

8 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo SomebodyElse681,

ich kann Dir nur ein wenig von meinen Erfahrungen erzählen: Hier in unserem Haus war die Dachgeschoß-Wohnung direkt über mir grad unvermietet (2½ Zimmer), und da hat die Hausverwaltung ukrainische "Flüchtlinge" untergebracht. Die waren zunächst zu sechst (!) in zweieinhalb Zimmern, drei junge Frauen und drei Kinder (Junge 12 und zwei Mädchen 11 und 4). Eine der Frauen kann einigermaßen Deutsch, so dass man sich durchaus verständigen kann (und das andere regelt der Translator auf dem Handy). Inzwischen ist eine der Frauen mit ihrem Kind, dem Jungen, in eine andere kleine Wohnung gezogen; die anderen Frauen sind zwei Schwestern, die eine mit den beiden Mädchen, die andere ohne Kinder.

Also die "unseren" sind top-freundlich, absolut bescheiden, völlig unaufdringlich und einfach nur dankbar und freuen sich, dass sie unterstützt werden. Sie wollen auch gar nicht als "die armen Flüchtlinge und das muss so schlimm für Euch sein" gesehen werden, sondern einfach bei uns "Normalität" haben und selbständig leben. Sie tun auch alles, um da schnellstmöglich bei uns mitzuhalten; machen Kurse, suchen Arbeit; die 11-Jährige geht auf eines unserer Gymnasien und ist da schon ganz gut und fleißig angekommen und die 4-Jährige ist im Kindergarten um die Ecke und hat da schon Freundschaften geschlossen.

Wenn sie was wissen wollen oder brauchen, dann können sie einfach zu mir kommen (ich hab für sie ein paar hausmeisterliche Kleinigkeiten in ihrer Wohnung erledigt, ein paar Sachen besorgt und sie hie und da mal wohin gefahren, wo sie mit Bus und Bahn nicht ohne weiteres hin gekommen wären, unter anderem mit den Kindern mal an einem Wochenende in einen Freizeitpark) oder mir per eMail oder WhatsApp schreiben, aber ansonsten sieht man sich eigentlich nur hie und da im Treppenhaus; und da ist jede Begegnung immer wohlwollend, freundlich und angenehm.

Sie haben mir mal aus Dankbarkeit einen selbst gemachten Kuchen gebracht, mich zum Kaffeetrinken eingeladen und ich hab denen angeboten, dass die Kinder gern bei mir zu Halloween klingeln dürfen und ich dann was Süßes hergerichtet haben werde; was sie dann auch gemacht haben: Die geschminkten Mädchen hatten einfach ihre Freude und die Mama und Tante haben das mit Handy aufgenommen (und bestimmt den Angehörigen in der Ukraine geschickt).

Mit den unseren kann man sehr gut leben und wir kommen bestens miteinander aus; für mich ist es eher sogar sowas wie eine "Erweiterung meines eigenen Horizonts", wenn man mal wieder sieht, wie wenig man als Mensch eigentlich brauchen würde, um zufrieden und glücklich zu sein; und wie dankbar wir eigentlich jeden Tag sein dürften für alles, was wir haben ... beginnend mit mehr als genug Nahrung und Wasser, Frieden und Freiheit und Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bei uns ... das machen wir uns eigentlich oft viel zuwenig bewusst und haben den Kopf dafür bei anderen Sachen, die wir zwar auf den ersten Blick für wichtig halten, die es aber eigentlich gar nicht sind ... .

Ich kann Deine Bedenken durchaus sehr gut verstehen; ich wüsste möglicherweise auch selber nicht, wie ich denken würde, wenn ich 17 wäre. Ich denke schon, dass es wichtig wäre, dass Ihr gut überlegt, wie es gehen könnte, dass alle auch ihren "eigenen Bereich" haben, also dass ggf. die ukrainischen Gäste dann evtl. sowas wie einen eigenen Wohnbereich mit eigener kleiner Küchenzeile; Mikrowelle, Kaffeemaschine oder so haben; im besten Fall vielleicht sogar einen separaten Eingang, wo dann alle Seiten auch mal die Tür hinter sich zulassen können und nicht Du grad ihnen oder sie Dir über den Weg laufen, wenn jemand grad aus der Dusche in sein Zimmer huscht ... .

Deswegen würde ich an Deiner Stelle schaun, dass Du Dir sehr gründlich überlegst, was "genau" Deine Bedenken sind; und dass Du die dann auch sachlich und gut begründet bei Deinen Eltern vorbringen kannst. Denn grad wenn's nicht um zwei selbständige Wohn-Einheiten in einem Mehrparteien-Haus geht, sondern wirklich um das Teilen des ganzen Lebensraums, ist das schon nochmal eine "andere Hausnummer" ... man stellt sich schnell mal was ganz idyllisch vor und merkt dann erst an der täglichen Realität, wo die Tücken und Haken liegen, über die man vorher nicht nachgedacht hat. Aber es kann eben auch persönlich eine sehr bereichernde Erfahrung sein, wenn alle bewusst wohlwollend und wertschätzend und achtsam und rücksichtsvoll miteinander umgehen.

Und dann solltet Ihr im besten Fall miteinander überlegen, wie man Deinen Bedenken bestmöglich Rechnung tragen und bei Eurer Wohnsituation bestenfalls dafür Sorge tragen kann, dass alle Seiten trotzdem auch ihren "eigenen" Rückzugs- und Lebensbereich haben. Hier bei uns klappt es auf diese Weise hervorragend und ich wünsche Dir und Euch, dass Ihr beim Überlegen am Ende zu guten Ergebnissen kommt, wie auch immer die dann sein mögen ... .

Liebe Grüße 🙂

SomebodyElse681 
Fragesteller
 06.11.2022, 23:46

Wow super Antwort danke.

Und Chapeau für die "Mühe" die sie sich machen!

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Ralph9  08.11.2022, 08:31
@SomebodyElse681

Hallo SomebodyElse681,

bitte, selbstverständlich sehr gern; ich hab ja nur ein bisschen erzählt, wie es hinsichtlich Deiner Frage hier in unserer Hütte läuft und wie ich Dir diesbezüglich ranzugehen empfehlen würde. Und naja, ich selber hab für mich nicht das Ziel, hier immer der erste zu sein, der auf eine Frage antwortet; sondern wenn, dann möchte ich immer eine möglichst hilfreiche Antwort geben, damit die Leute auf eine GuteFrage auch eine bestmögliche Antwort bekommen... .

Ach ja, kürzlich haben "unsere" Ukrainerinnen mich gebeten, ihnen mal ein paar Seiten Unterlagen auszudrucken; Lern-Aufgaben für die deutsche Sprache und Grammatik, weil sie da fleißig rangehen und üben, aber selber keinen Drucker haben; sowas ist für mich natürlich kein Problem – und gleich an dem Tag, als sie eingezogen sind, hab ich bei meinem Router ein "Gast-WLAN" für sie eingerichtet (reicht problemlos in die Wohnung über mir, vor allem in ihre Küche mit Essbereich und ihr Wohnzimmer – ihre Wohnung ist überdies nicht halb so groß wie meine), dass sie zwar nicht in mein privates Heimnetzwerk können, aber vom ersten Moment an ein WLAN ("WiFi") hatten und seitdem nutzen können. Ihre Angehörigen sind ja in der Ukraine, die Männer als Soldaten im Krieg und ihre Eltern und Familien in den Städten immer wieder dem Bombenterror und seinen Folgen ausgesetzt, sie selber wiederum – verständlicherweise – davor geflohen (insbesondere wegen der Sicherheit und des Schutzes der Kinder vor allem, was passieren könnte ... ) => da wird eben, wann immer es eine Gelegenheit gibt, Kontakt gehalten, miteinander telefoniert und geschrieben, Video-Calls gemacht und Fotos & Videos hin und her geschickt ... das ist zumindest den "unsren" ganz wichtig und in ihrer Wohnung haben sie ja auch "die Ruhe" dazu; und durch die Möglichkeit mit meinem Gast-WLAN brauchen sie sich selber keinen Festnetz-Anschluss einrichten und dafür jeden Monat bezahlen, sondern können in ihrer Wohnung einfach jederzeit mit ihren Handys, Tablet und Laptop in's Internet gehen ... und für mich kostet's keinen Cent zusätzlich.

Ich danke Dir für Deinen ⭐, Dein Kompliment, Dein Danke und Dein Hilfreich. Wenn Du es magst, dann kannst Du ja gern irgendwann mal kurz erzählen, wie es am Ende ausgegangen ist, wie Ihr Euch entschieden habt und es Dir und Euch geht. Und falls Du Rückfragen hast oder ich weiteres für Dich tun kann, selbstverständlich sehr gern. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit würde es sich in Euren Fall auch um Frau/en und Kinder/Jugendliche handeln, aber da ist natürlich jeder Einzelfall ein Einzelfall. Wie gesagt, mit getrennten Wohnungen, Briefkästen & Türklingeln und lediglich gemeinsamem Treppenhaus & Haustür ist es natürlich überhaupt kein Problem, da sind sie halt einfach eine "neue Miet-Partei".

Sehr bewusst und gern möchte ich auch ein Kompliment zurück an Dich geben: Ohne Dich irgendwie zu kennen, sondern rein von Deiner Frage hier sowie Deiner Art, auf meine Antwort zu reagieren, machst Du mir für "m17" von Deiner Persönlichkeit her einen deutlich überdurchschnittlich positiven Eindruck; das wollte ich Dir ich gern noch rückmelden.

Alles Gute und liebe Grüße 🙂

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Die meisten Russen oder Ukrainer werden auf Dauer nicht glücklich hier in Deutschland, weil die Deutschen leben ein komplett anderes Leben. Sie sind kaum gemeinschaftlich wie es im Osten üblich ist. Hilfsbereitschaft ist im Osten eine ganz andere als hier. Das wird viele Russen und Ukrainer innerlich töten und sie hauen dann wieder ab. ;-)

Na, wenn ihr mehr als genug Platz habt, warum sollte es dich dann stören? "Es wäre dir unangenehm", was heißt das überhaupt?

Vermutlich habt ihr mehrere Badezimmer, vielleicht handelt es sich ja auch um eine Einliegerwohnung, so dass die ukrainische Familie sowieso separat wäre bis auf vielleicht einen gemeinsamen Eingang.

Wieso verbringst du - abgesehen von der Schule - den ganzen Tag zu Hause? Du bist doch nicht krank! Treibst du keinen Sport? Bist du nicht mit deinen Freunden zusammen, unternehmt ihr nichts miteinander?

SomebodyElse681 
Fragesteller
 05.11.2022, 23:57

Haben 3 Bäder. Aber nur 1 mit Dusche und bad:/

Habe zwar mein eigenes "bad" aber es hat keine Dusche nur Klo und Waschbecken mir Spiegel usw.

Wir würden beim Essen immer zusammenkommen oder Wohnzimmer.

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spanferkel14  06.11.2022, 00:07
@SomebodyElse681

Ok, das ist natürlich eine Umstellung. Ja, da kann ich dich schon verstehen. Ich denke, es hängt auch sehr davon ab, was das für eine Familie ist. Alles ist möglich: Vielleicht sind es sehr nervige Leute und/oder welche, die von der Art her überhaupt nicht zu euch passen. Dann ist solch ein Zusammensein für beide Seiten sehr stressig. Aber es kann ja auch ganz anders sein, und ihr lernt auf diese Weise ganz tolle Leute kennen. Vielleicht ist ein/e Jugendliche/r in etwa deinem Alter dabei, mit dem/der du dich anfreundest. Das kann also auch eine ganz spannende Geschichte werden. Egal wie, ihr lernt auf jeden Fall alle etwas dabei.

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Das werden wohl jetzt so einige erfahren helfen und da das.Für diese Flüchtlinge ein Fest bekommen alles und dürfen noch unmöglich sein.

Ok, ich schreibe mal meinen Standpunkt:

Als ich im Februar von dem Ukraine-Krieg erfahren hatte, hatte ich sofort den Drang Menschen dort zu helfen. Mein erster Gedanke war, am Wochenende mit dem Auto an die ukrainische Grenze zu fahren und Leute mitzunehmen, die mitkommen wollen. Ging aber nicht.

Darum bin ich dann mit einem großen Plakat zum Berliner Hauptbahnhof gefahren und habe mich dort hingestellt. Es kamen auch Interessenten, aber dann kam unsere Polizei dazwischen und meinte, dass solche Plakate nicht mehr gestattet wären, da es schon Entführungen und ähnliches gab.

Darum musste ich wieder nach Hause und mich bei einer Plattform anmelden, die mich an Ukrainer vermittelt haben, die eine Unterkunft suchten. Die einzige Information, die ich bekam, waren Alter und Geschlecht der Personen. Ich habe dann gewartet, bis ich das ''Angebot'' von zwei Müttern bekommen habe, die nahezu in meinem Alter sind, mit jeweils einem Kind. Ab Ende März habe ich dann mit ihnen zusammen gewohnt. Seit Juli habe ich ihnen nun mein gesamtes Haus vorübergehend überlassen, da es auf Dauer doch anstrengend ist, mit 4 Ukrainern als einziger Deutscher im Haus zu wohnen und auch, weil es eine gute Einnahmequelle ist. Ich rechne noch mit mindestens einem Jahr, wodurch ich viel Geldansparen kann. Und ich weiß mittlerweile, dass ich ihnen vertrauen kann, es sind sehr vernünftige Menschen.

Hätte ich es nicht gemacht, hätte ich ein verdammt schlechtes Gewissen bekommen, da ich allein ein Haus mit ausreichend Platz habe, während so viele Menschen nicht wissen, wohin mit sich! Ich würde mir sooo egoistisch dabei vorkommen. Und das ist einfach nicht mein Stil.

LG

Der Phoenixx