Boltzmann-Gehirn solipsistisch oder nicht?

6 Antworten

Also ich würde schon sagen, dass man die Idee des Boltzmanngehirns dem Solipsismus zuordnen kann.

So wie z.B. Roger Penrose diese Hypothese versteht, ist das Universum gar nicht real existent, sondern nur die Illusion eines sogenannten Boltzmann-Gehirnes. Ein Boltzmann-Gehirn ist nicht evolutionär und real entstanden, sondern es entsteht dadurch, dass durch zufällige Quantenfluktuation Teilchenkombinationen entstehen, die gerade komplex genug sind um für einen Moment ein Bewusstsein zu entwickeln und darauf gleich wieder in die unendlichen Tiefen des Alls zu zerstrahlen. Im einfachsten Fall sind alle Sinneseindrücke und „Beobachtungen“ dieses Gehirns Einbildung bzw. falsche Erinnerungen. Roger Penrose hat nun die Wahrscheinlichkeit abgeschätzt, dass unser Universum genau so beschaffen ist, wie wir es als Boltzmann-Gehirne gerade sehen. Diese Wahrscheinlichkeit beträgt 1 zu 10 hoch 10 hoch 123.

Ein solches Boltzmann-Gehirn (mit dem Ludwig Boltzmann selber übrigens gar nichts zu tun hat. Man hat da lediglich sozusagen seinen Namen missbraucht) ist noch nicht einmal an einen realen Körper gebunden, sondern kann unabhängig von Materie und Energie im Universum entstehen. Insofern ist schon einmal die Vermutung, es ginge um die Wahrscheinlichkeit, dass reales und bewusstes Leben entsteht eine Verdrehung des Sachverhaltes. Es geht ausschließlich um die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines Boltzmann-Gehirnes, welches die Illusion des heutigen Universums entwickeln könnte.

Gläubige bemühen gerne mal Penrose, um für einen Schöpfergott zu argumentieren, da die Entstehung eines realen Gehirnes höchst unwahrscheinlich sei und daher geschaffen worden sein muss. Danei übersehen sie abergeflissentlich die Tatsache, dass wenn das Universum nur eine Illusion ist, dass dann zwangsläufig auch die Idee eines dahinter stehenden Schöpfergottes nur die Illusion eines Boltzmann-Gehirnes sein kann. Daher geht die Rekursion auf Penrose bei genauer Betrachtung voll nach hinten los, denn wer dieses Argument bemüht, übernimmt die Annahme, dass Universum und Gott nur Illusionen sind, womit er sich selber widerspricht, sofern er gleichzeitig die reale Existenz eines Schöpfergottes behauptet.

Abgesehen von obigen Ausführungen gilt unter fast allen seriösen Wissenschaftlern, die sich mit Leben, Geist, Bewusstsein oder Evolution beschäftigen, die Hypothese eines Boltzmann-Gehirnes als Ergebnis von Quantenfluktuationen als dermaßen absurd, dass diese Idee in den Wissenschaft praktisch keine Rolle spielen.

Demgegenüber hat sich in den „Lebenswissenschaften“ auf breiter Front die Theorie Dissipativer Strukturen durchgesetzt, nach der die Entwicklung von Leben und Bewusstsein kein höchst unwahrscheinlicher Zufall auf Quantenebene ist, sondern ein reales thermodynamisches Phänomen der Selbstorganisation. Diese Ausgangsbasis behauptet letztlich das Gegenteil von Penrose, nämlich dass Leben und Bewusstsein nicht höchst unwahrscheinlich seien, sondern im Rahmen von Naturgesetzlichkeiten fast zwangsläufig entstehen muss, sofern bestimmte Randbedingungen dafür gegeben sind.

Die hier angedeutete philosophische Auseinandersetzung über die Entstehung von Universum, Leben und Bewusstsein lässt sich ontologisch (ontologisch = rein auf Logik beruhend) nicht entscheiden. Eine Entscheidung, welche Strömung recht hat, lässt sich nur durch eine konkrete Beobachtung entscheiden. Eine solche entscheidende Beobachtung wäre die Entdeckung exraterrestrischen Lebens. Sollte diese gelingen, könnte man sowohl die Idee eines Schöpfergottes als auch der eines Boltzmann-Gehirnes als eine von vielen Irrungen des menschlichen Geistes in die Tonne treten.

Skeptizist 
Fragesteller
 31.01.2020, 07:11

Hallo Hamburger02, ich weiß, was das Boltzmann-Gehirn ist und wie es enstanden sein soll, aber trotzdem danke für deine ausführliche Antwort! :-)

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Hallo Skeptizist,

Nehmen wir an, wir würden ein Boltzmann-Gehirn mit einem Ich (einer Identität) sowie weitere zunächst als illusionär vermutete Ichs (Identitäten) - alle mit Bewusstsein und auch einem Leben - von "außen" beobachten. Ich gehe davon aus, dass wir nicht zwischen dem Boltzmann-Gehirn und allen anderen unterscheiden können. Zumal würden alle von ihrer eigenen Identität und ihrem Bewusstsein sprechen.

Für uns als Beobacher könnte jedes dieser Ichs behaupten, dass es ein Boltzmann-Gehirn mit eigener realer Identität ist. Das Bewusstsein würde jedem dieser Ichs zu dieser Behauptung führen.

Wir hätten also eine ganz Menge Ichs, Identitäten, mit Bewusstsein, die damit ihre Identität wahrnehmen - und sich ggf. in irgendeinen MIttelpunkt stellen könnten oder auch nicht. Von einem solchen im Mittelpunkt stehenden Ich wäre es solipsistisch, nur sich selbst als real zu sehen; und das würde in meinen Augen nicht aus dem Bewusstsein sondern aus einer Einstellung, die über das Bewusstsein dem Ich bewusst ist, entspringen.

Die Einstellung, die ich nicht dem Ich, sondern dem Leben, das das Ich führt, zuordne, sehe ich nachgeordnet und von Leben abhängig, dazu noch wandelbar. Diese Einstellung läuft - wenn wir jetzt so sagen wollen - auf jedem Boltzmann-Gehirn, wie dort auch das Bewusstsein läuft.

Das Ich, die Identität, bildet sich im Gehirn in der Wahrnehmung von sich selbst und ggf. einem Namen ab. Dabei sehe ich das Gehirn als Teil des Lebens - und das Bewusstsein erscheint wie eine Schnittstelle auf der Seite des Lebens in Richtung über das Leben hinaus.

Ich spreche selbst weniger von einem Ich, sondern von einem Sein mit Identität sowie einem Leben, das ein Bewusstsein führt, und einer Lebensenstellung.

Mit vielen lieben Grüßen
EarthCitizen

Woher ich das weiß:Hobby
Skeptizist 
Fragesteller
 31.01.2020, 11:53

Also meinst du, dass das Ich des Boltzmann-Gehirns mit seinem Gedanken auch unzählige weitere Iche geschaffen hat?

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EarthCitizen20  31.01.2020, 18:06
@Skeptizist

Betrachten wir einmal eine Menge von Autorinnen und Autoren, die Geschichten schreiben. Sie schenken ihren Protagonistinnen und Protagonisten ein Ich und ein Leben. Diese könnten auch wieder Autorinnen und Autoren sein, in den Geschichten andere Geschichten schreiben.

Damit wären beliebig viele Ichs zu erschaffen, die wiederum Ichs erschaffen könnten. Keines dieser Ichs wäre in deren Leben selbstbestimmt, da die Autoren und Autorinnen immer bestimmen, was diese Ichs im Leben denken, fühlen und tun. Die Ichs wüsten von den Autorinnen und Autoren nur etwas, wenn letztere sich ihnen gegenüber offenbaren würden. Sonst hätten die Ichs den Eindruck, selbstständig und selbstbestimmt zu sein.

Betrachten wir - um einen Begriff in der Hand zu haben - jede dieser Ebene, auf der es solche Ichs mit ihrem Leben gibt, als Weltebene. Kehren wir wieder auf unsere eigene Weltebene zurück. Zunächst nehmen wir an, dass wir auch solche Protagonisten und Protagonistinnen sind.

Auf der Weltebene "über" uns findet dann ein Prozess statt: er hatte uns geschaffen, er hält uns weiter am Leben, er definiert Raum und Zeit für uns. Da es ein Prozess ist, benötigt er selbst Zeit. Er kann daher nicht außerhalb der Raumzeit allgemein sein.

Unsere Protagonistinnen und Protagonisten in den Geschichten leben aber nur durch den andauernden Prozess der Autoren und Autorinnen. Alle zsammen leben sie in der gleichen Raumzeit. Die literarischen Teile macen eine Teilmenge der Raumzeit aus, und diese Teilmenge mag fiktiv sein.

Ein singuläre Moment einer Schöpfung - und dann das Ganze laufen lassen - ist in diesem speziellen Fall nicht denkbar. Die Zeit würde stillstehen, da sie von den Autorinnen und Autoren betrieben wird.

Denken wir an ein Ich das uns und unsere Weltebene geschaffen hatte. Im Vergleich zu einer literarischen Teilmenge an Raumzeit ist unsere Weltebene unendlich in allen vier Dimensionen. Die Frage ist, ob sie koordiniert betrieben werden kann. Dabei meine ich nicht nur unser Leben, sondern alle Prozesse in allen Universen.

Ich gehe davon aus, dass wir mit unserer Weltebene die Raumzeit komplett abbilden. Darüber hinaus wäre alles raumzeit- und damit prozesslos. Wir laufen also selbst im Rahmen der Raumzeit, wo es Prozesse gibt - und wären nicht einmal geschaffen, sondern einfach nur da. Ein solches schöpfereische oder betreibende Ich - gerne mit Gott assoziiert - wäre nicht plausibel darstellbar.

Wir haben sicherlich alle Boltzmann-Gehirne, da wir etwas in einer besonderen Teilmenge der Raumzeit (andere Weltebene) schaffen und betreiben können. Dieses Etwas ist für uns z.B. literarisch illusionär.

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Solche Überlegungen können einen wirklich verrückt machen. Fest steht, dass das Boltzmanngehirn von fast allen Wissenschaftlern abgelehnt wird, da es sich einfach weder beweisen noch widerlegen lässt. Sollte es zufällig entstehen wäre es wohl deutlich unwahrscheinlicher, dass ein Gehirn entsteht, in dem deine Gedanken nicht zusammenpassen als in dem sie zusammenpassen. Also höre auf, darüber nach zu denken, ob dein Leben eine Illusion ist sondern tue etwas sinnvolles. Im Übrigen sollte auch ein Boltzmann Gehirn glücklich sein. Wenn ich eines wäre dann bist du aber nur ein Gedanke.

Vorab:

Theoretisch kann die ganze Welt eine Illision sein auf Grund der Basis aller energetischer Zustände die unsere Welt erfahrbar macht und beinhaltet. Sämtliche Materie ist energetisch inkl. der Reizweiterleitung/ Wahrnehmung/ Interpretation sämtlicher Wellen von außen, in unserem Gehirn. Wir wissen dass Materie eine Atombindung ist und auf Quantenebene immer ein Abstand zwischen den Atomen besteht. Die Wahrnehmung der Umwelt wird jedoch von uns als irgend ein Aggregatzustand interpretiert. Darauf haben wir indirekten Einfluss.

Da das Energiepotential des gesamten Universums so enorm ist und wohl auch chaotisch sein kann, beeinflusst durch die vielfältigen Atombindungen und ewigen Morphismen ist theoretisch alles möglich. Also alles, alles was man sich denken kann, unendlich viel Materiekonstellation unendlich viele energetische Zustände unendliche viele Aggregatzustände, ein Gehirn das unserer Universum denkt.

Schon alleine dass es Menschen gibt, in ihrer Komplexität zeigt was alles möglich sein kann, wenn man lange genug wartet. Und leider müsste man auch über unser winziges Periodensystem schmunzeln...in Anbetracht dessen was da draußen sein könnte.

Zeit:

Da Zeit ja relativ ist, wäre vielleicht unsere Menschheit, gemessen an etwas Unbekannten nur eine Wimpernschlag, eine Phase des Wandels.

Zum Gehirn:

Das Ich ist auch nur eine Interpretation vom Energiefluss der Umwelt. Das Ich könnte ein Boltzmanngehirn (BG) sein, entgegen der Hypothese dass das gesamte Universum samt Inhalt ein Gedanke ist. Das Boltzmangehirn müsste darauf hin nicht intelligent sein oder Selbstbewusstsein haben. Es könnte im gewissen Rahmen der energetischen Möglichkeiten aber Zustände erschaffen.

Die Frage ist auch ob der Gedanke des BG unendlich sein könnte und wie es zu dem Gedanken gekommen ist Menschen zu erdenken und ob der Menschengedanke des BG tatsächlich aus chaotischen Zuständen entsprang. In Anbetracht der Unendlichkeit könnte das BG auch Menschen mit 5 Armen und 20 Augen erschaffen haben die sich einfach Teilen als sich fortzupflanzen.

Die Möglichkeiten wären grenzenlos und nicht immer sinnvoll, für unsere kleinen Gehirne.

Ein BG kann von der Wissenschaft nicht ausgeschlossen werden, weil wir zu wenig wissen.

Skeptizist 
Fragesteller
 30.07.2020, 11:50

Das PSE ist lückenlos und vollständig aufgedeckt.

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Wepster  31.07.2020, 17:23
@Skeptizist

hmmm....

https://www.gsi.de/forschungbeschleuniger/forschung_ein_ueberblick/neue_elemente.htm (2016)

oder 2019

"Die Vereinten Nationen (UN) haben 2019 zum „Internationalen Jahr des Periodensystems der chemischen Elemente“ (IYPT 2019) erklärt: Damit wollen sie weltweit das Bewusstsein dafür wecken, wie Chemienachhaltige Entwicklung fördern sowie Lösungen für weltweite Herausforderungen bei Energie, Bildung, Landwirtschaft oder Gesundheit bieten kann. Es sollen so auch die jüngsten Entdeckungen und Benennungen vierer „superschwerer“ Elemente des Periodensystems mit den Ordnungszahlen 113 (Nihonium), 115 (Moscovium), 117 (Tenness) und 118 (Oganesson) bekannter gemacht werden. Die Widmung fällt zudem mit dem 150. Jahrestag der Entwicklung des Periodensystems zusammen.[209] Veranstaltungen in Paris, Murcia und Tokio werden an das Ereignis erinnern."

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Meiner zugegeben unmaßgeblichen Meinung nach ist Bolzplatz da eine bessere Alternative. Man auch auch zuviel denken.