Bewirkt bei jemand der trockener Alkoholiker ist bereits ein alkoholhaltiger Hustensaft einen Rückfall?

5 Antworten

Hallo!

'Der Rückfall beginnt im Kopf.' Alkoholismus ist eine dreifache Krankheit: Sie macht Körper, Geist und Seele krank.

Wenn ein Alkoholiker gar nicht auf die Idee kommt, dass etwas, was er zu sich nimmt, Alkohol enthalten könnte, dann bewirkt - in diesem Fall der Hustensaft - gar nichts. Wenn er aber weiß, dass der Hustensaft Alkohol enthält und sich einredet, er müsse ihn ja wegen seines Hustens nehmen, dann ist der Rückfall vorprogrammiert.

Mag sein, dass Alkoholiker über meinen Erklärungsversuch den Kopf schütteln, aber kein Mensch, der diese Krankheit nicht hat, kann sich ganz in das Denken eines Alkoholikers reinversetzen.

Das kann passieren.

Aber so einfach ist das nicht.

Alkoholismus ist eine äußerst heimtückischen Krankheit.

Es gibt ein Suchtgedächtnis, das ist immer aktiv, auch wenn man 20 Jahre trocken ist, wird es aktiviert sobald man Alkohol zu sich nimmt.

Ein zufriedener trockener Alkoholiker wird nicht von einer Soße wieder zum Trinker, insbesondere dann nicht, wenn er die Mechanismen kennt, die zum Rückfall führen.

Es ist auf jeden Fall die beste Strategie, sämtlichen potentiellen Gefahren aus dem Weg zu gehen.

Der Rückfall findet lange vor dem eigentlichen Genuss von Alkohol statt.

Ich war über 16 Jahre trocken um dann wieder für 8 Jahre zu trinken.

Warum das so kam?

Ich habe alle Anzeichen, dass ein Rückfall über kurz, oder lang bevorsteht, missachtet.

Als sich dann die Gelegenheit bot, hatte ich kaum noch eine Chance.

Ich hätte mir viel früher, schon ein halbes Jahr früher, Hilfe holen müssen, dann wäre mir vieles erspart geblieben.

Heute lebe ich in einer anderen Situation und bin seit 8 Jahren wieder trocken. Ich hab auch, aus Unwissenheiteine Schnapspraline gegessen, das hat nichts mir gemacht.

Eine Flasche Bier würde mit Sicherheit mein Untergang sein, auch alkoholfreies.

Ich muss nicht groß dagegen ankämpfen, nichts zu trinken, aber die Gedanken kommen bei den entsprechenden Umständen, 30 Grad im Sommer, die Arbeit ist getan, jetzt ein kaltes Bier, immer wieder zurück.

Man muss sein Leben lang auf der Hut sein, es fällt dich an, wenn du nicht damit rechnest.

Parralelwelt 
Fragesteller
 22.04.2024, 13:33

Sehr beeindruckender Tatsachenbericht

1.) Warum hat es 8 Jahre gedauert bis Du nach dem 1. Rückfall wieder trocken warst?

2.) Was hätte ein halbes Jahr vor Deinem Rückfall passieren müssen um ihn zu vermeiden?

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Grautvornix  22.04.2024, 15:23
@Parralelwelt
1.) Warum hat es 8 Jahre gedauert bis Du nach dem 1. Rückfall wieder trocken warst?

Ich war in einer Lebenssituation die, für mich, aussichtslos erschien. Zum Teil war ich selbst schuld, weil ich entgegen gut gemeinter Ratschläge, einige falsche Entscheidungen getroffen hab. Andere Tiefschläge konnte ich nicht beeinflussen. Insgesamt habe ich gedacht:

Jetzt hast du dich 16 Jahre trocken durchs Leben gekämpft, und dann ist doch alles im Eimer, dann kannst du auch wieder trinken. Es war kein Versehen, dass ich wieder anfing zu trinken, sondern eine Entscheidung.

Es hat 8 Jahre gedauert, weil ich einfach keinen Grund sah nicht mehr zu trinken. Es war auch meine Umgebung die es mir leicht machte. Ich wohnte in einem kleinen Ort der nicht einmal 100 Einwohner hatte und eine Kneipe, die seit Jahren geschlossen war. Ich war immer ein Kneipengänger, es war selten das ich mal Bier zu Hause hatte. Eines Tages wurde die Kneipe wieder eröffnet. Ich musste also nicht mehr ins nächste Dorf in die Kneipe gehen. Nun was soll ich sagen ich nahm dann aktiv am Dorfleben teil, wurde mit der Wirtin und ihrem Mann gut befreundet und hatte viel Spaß. Schnell saß ich am Stammtisch und war gut integriert, in die Dorfgemeinschaft. Arbeit hatte ich auch, aber nichts Dolles für das es sich lohnte eine neue Karriere zu starten.

Es ist bei mir so das ich zwar auch mit drei, oder vier Bier nach Hause gehen konnte, aber wenn die entsprechenden Leute da waren und es lustig war dann hab ich kein Ende gefunden. Irgendwann fiel es auf, dass ich immer mehr trank und auch manchmal so breit war das ich kaum noch die 40 Meter nach Hause kam. Man denkt dann immer das die anderen es nicht merken, aber das ist natürlich ein Unsinn. Als ich dann von der Wirtin angesprochen wurde, hab ich gesagt das ich nicht trinken muss und habe dann von Heute auf Morgen ein halbes Jahr kein Bier mehr angefasst, auch nicht heimlich. Danach ging es aber wieder rund.

Irgendwann war ich arbeitslos, nicht wegen meiner Trinkerei, sondern weil es keine Aufträge mehr gab, bei der Firma für die ich, über ein Zeitarbeitsunternehmen tätig war. Die hatten aber keinen anderen Einsatzort für mich, und haben mich dann entlassen und wieder eingestellt, als es wieder bei dem Kunden Arbeit gab. So gingen die Jahre dahin. Ich trank immer mehr und es kam wie es kommen musste. Nachts um drei hatte ich Hunger bekommen, nachdem ich den ganzen Tag ca. 15 Flaschen Bier getrunken hatte. Ich wollte mit dem Auto zur Tankstelle fahren und landete auf einer Verkehrsinsel.

Führerschein weg, zur Arbeit konnte ich nicht mehr fahren, Job weg.

Ich war froh das niemand bei dem Unfall zu Schaden kam und fragte mich was ich jetzt machen soll. Es war klar, dass mein Leben nicht besser wird wenn ich weiter saufe, also war die Frage mich komplett aufzugeben, oder noch mal eine Therapie für Rückfaller zu machen.

Drei Tage später war ich bei der Caritas und habe dort berichtet was los ist. Ich wollte eine Therapie da machen wo ich vor 25 Jahren meine erste gemacht hatte. Innerhalb von zwei Wochen waren die Anträge raus und ich ging auch gleich in die Entgiftung, die ich zwar nicht brauchte, aber wollte, um nicht wieder schwach zu werden.

Sechs Wochen später war ich für 12 Wochen in der der Therapie und es fiel mir wie Schuppen von den Augen, ich hätte mir einfach nur Hilfe holen müssen, als ich merkte das mein Leben aus dem Ruder läuft.

2.) Was hätte ein halbes Jahr vor Deinem Rückfall passieren müssen um ihn zu vermeiden?

Ich hätte damals schon zur Caritas Suchtberatung gehen müssen, und in Gesprächen mit Therapeuten, andere Lösungen für meine Probleme mit meinem damaligen Leben, erarbeiten können.

Ich hab es einfach vergessen, wie sehr mir die erste Therapie geholfen hat und was ich danach alles erreicht habe.

So ist die Sucht, wenn du einen Moment Schwäche zeigst, dann ist sie sofort da, und redet dir ein, dass nur der Alkohol dich retten kann.

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Das ist wohl individuell verschieden. Denn es ist m.E. richtig, was Ille1811 schreibt, "Der Rückfall beginnt im Kopf". Es ist keine Stoffwechselkaskade, sondern der Gedanke "das kenne ich, dass will ich (wieder)".

Ich kenne einen, der seit zig Jahren trocken ist und keine Probleme hat, einen alkoholhaltigen Eisbecher oder Pralinen mit Alkohol zu essen, ohne Rückfall.

Aber ich würde das keinem empfehlen. Ich bin nicht mal sicher, ob nicht doch der 34. Eisbecher, vielleicht nach einem Schicksalsschlag, doch einen Rückfall auslöst.

Ille1811  22.04.2024, 14:29

dazu passt die Geschichte von Fritzi, die sich gewünscht hat, dass andere nach ihrem Tode sie weitergeben:

Fritzi rief die erste AA Gruppe in Wien ins Leben. Fritzi war über 41 Jahre trocken. Fritzi wurde altersschwach und entschloss sich, in einen vornehmen Seniorenstift zu ziehen. Dort war es üblich, zum Essen ein gepflegtes Glas Wein zu trinken. Fritzi wusste, dass sie Alkoholikerin ist und nicht trinken darf. Im Laufe der Zeit – sie konnte ja auch nicht mehr ins Meeting gehen – setzte sich der Gedanke in ihr fest, dass sie ja schon so lange nichts getrunken hat und sie dort im Seniorenstift ja sicher vor einem Rückfall ist. Und sie trank ein Gläschen mit. Es passierte nichts und Fritzi trank ein viertel Jahr genauso gepflegt, wie die andern Menschen dort. Dann kam – wie aus heiterem Himmel – der Rückfall! Fritzi musste wegen der Wirkung trinken!
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Grautvornix  22.04.2024, 15:36

Der Rückfall ist schon der Eisbecher. Therapeuten machen da keinen Unterschied, was die Menge betrifft. Kann man so sehen, oder nicht. Wie du schreibst, kommt ein Schicksalsschlag dazu dann wird ihm sein Suchtgedächtnis sagen:

Mit dem Eisbecher das hat ja gut geklappt, angesichts der jetzigen, harten Zeit die auf dich zukommt, kannst du ruhig mal einen Schnaps, oder ein Bier trinken, du weißt ja dass du jederzeit wieder aufhören kannst.

Es muss nicht so kommen, aber es ist ein Spiel mit dem Feuer.

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Ja, mein Onkel kann auch keine Soßen essen in der Wein ist oder Mundwasser mit Alkohol oder co das würde schon reichen

Parralelwelt 
Fragesteller
 22.04.2024, 00:06

Ohje schrecklich

Ich habe einen riesigen Respekt vor trockenen Alkoholikern, sag Ihm das mal

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