Auf welchem Fundament steht Moral?

8 Antworten

Moral ergibt sich zuallererst aus dem Wertekonsens einer Gesellschaft und wird über Erziehung, Schule und gesellschaftlichen Austausch anerzogen und tradiert.

Das eigentliche Fundament ergibt sich aus den evolutionären Prozessen, die unsere Art geprägt haben. D.h. Homo Sap gedeiht am besten in einem sozialen, kooperativen und durchaus altruistischen Umfeld, wobei die Abwägung zwischen Altruismus und Egoismus oder auch der Grad an Fremdenfeindlichkeit oder kultureller Abschottung von kulturellen und sozioökonomischen Umständen der jeweiligen Gesellschaft abhängt.

Hieraus ergeben sich zwingend „moralische Werte“, die eben das Verhalten, das uns am meisten nutzt als richtig kodifizieren.

Religionen haben niemals grundsätzliche Werte erschaffen, sondern nur das in jeder Gesellschaft als mehr oder richtig empfunden Verhalten als von ihren jeweiligen Göttern angeordnet dargestellt.

Als die einzige Art, die aufgrund ihrer kognitiven Fähigkeiten, nach tieferen Gründen und Rechtfertigungen für ihre Moral sucht, haben wir die Ethik als philosophisches oder wissenschaftliches Konzept entwickelt um moralisches Verhalten aus tieferen allgemeingültigen und wissenschaftlich darstellbaren Fundamenten abzuleiten.

Alle diese ethischen Konzepte enthalten immer ein Element des Glaubens, weil es keine naturwissenschaftliche Belegbarkeit für richtiges oder falsches Verhalten gibt.

Meine Ethik ergibt sich aus dem naturalistischen/evolutionären Humanismus und kommt völlig ohne Götter aus.

Gut dargestellt im Manifest des evolutionären Humanismus von Michael Scgmidt-Salomon und der Bruno Giordano Stiftung: https://www.giordano-bruno-stiftung.de/buecher/manifest-des-evolutionaeren-humanismus


Kajjo  11.06.2024, 18:44
Hieraus ergeben sich zwingend „moralische Werte“, die eben das Verhalten, das uns am meisten nutzt als richtig kodifizieren.

Wenn man bedenkt, wie krass verschiedene Moralkodizes in der Welt sind und wie sich sich auch verändern, kann ich das "zwingend" nicht so wirklich erkennen. Aber ja, Moral ist weit überwiegend kulturell und sozial bedingt.

Religionen haben niemals grundsätzliche Werte erschaffen

Hm, was nennst du "grundsätzlich"? Religonen haben schon etliche Werte erschaffen, die sich ohne Religion bei nüchterner Betrachtung eher nicht ergeben würden. Natürlich sind alle Werte menschengemacht. Aber religiöse Werte sind manchmal schon geradezu willkürlich, Hauptsache sie dienen der Unterjochung der Gläubigen.

Alle diese ethischen Konzepte enthalten immer ein Element des Glaubens, weil es keine naturwissenschaftliche Belegbarkeit für richtiges oder falsches Verhalten gibt.

Eine steile These -- der ich irgendwie sogar intuitiv zustimme. Werte sind sozial-kulturell, nicht im Kern naturwissenschaftlich.

PeterJohann  11.06.2024, 20:21
@Kajjo

Ich denke das unsere entwicklungsbiologischen Prägungen uns (als Art nicht unbedingt als Individuum) erfolgreich sein lassen, wenn wir uns "sozial" verhalten (Fairness, Gerechtigkeit, Altruismus/Nächstenliebe, Aufrichtigkeit usw. ). Das Grundsätzliche ist evolutionär vorgegeben, aber die tatsächliche Ausprägung der verschiedenen Werte ist ein Spektrum/ eine Verteilungskurve, die von soziokulturellen und ökonomischen Faktoren abhängig ist; das kann sich in in der Ausprägung des sozialen Wertesatzes (positiver oder negativer) oder in der mal engeren, mal weiteren Definition der Ingroup für die der Wertesatz gelten soll (Familie, Sippe, Stamm, kulturgleiche Menschen, Nation, Glaubensgenossen, Menschheit) zeigen.

Mit grundsätzlichen Werten meine ich die Basis-parameter nach denen eigentlich jede Gesellschaft funktioniert und in der sich die Mehrzahl wohl fühlt - wie die Gebote zum "nicht lügen, nicht stehlen, nicht töten" und "Schwächeren beizustehen". Diese grundsätzlichen Werte hatten vermutlich schon die ersten Stammesverbände der Frühmenschen (inkl. dem Neandertaler). Diese Werte wurden vermutlich schon von den ersten Schamanen und dann allen nachfolgenden Religionen usurpierte und als "göttlich" dargestellt, weil sie für jeden selbstverständlich sind und Selbstverständliches in Verbindung mit Unsinnigem (Opfer, Priestergehälter, Abgaben, Herrschaftsansprüchen...) läßt dann das Unsinnige eher als recht und notwendig erscheinen und die Priester und Herrschenden mächtig werden..

Das Problem mit Werten egal ob göttlich verordnet, von Kant belegt oder durch den naturalistischen Humanismus auf eine sinnvolle, alles erfassende Basis gestellt ist eben, dass es kein Beleg für die überprüfbare Richtigkeit gibt und inherent, wie für alle Glaubensartikel, auch nicht geben kann. Man könnte spieletheoretische Modelle entwickeln um zu zeigen, welcher Wertesatz am meisten Zufriedenheit für eine Mehrheit generiert, aber selbst dann müßte man Annahmen treffen, die auf Glauben beruhen. Bei mir wäre das der Glaube, dass der Humanismus der einzige Weg ist, die Naturwissenschaften der einzig sinnvolle Ansatz zur Welterklärung darstellt und dass die Menschenrechte allgemeingültig sind.

Kajjo  11.06.2024, 23:15
@PeterJohann
erfolgreich sein lassen, wenn wir uns "sozial" verhalten (Fairness, Gerechtigkeit, Altruismus/Nächstenliebe, Aufrichtigkeit

Ja, da stimme ich zu -- in den meisten Fällen, aber eben nicht immer. Und diese Ausnahmen berücksichtigen die meisten Moralcodices nicht.

Aber die von dir genannten Punkte unterstütze ich und die halte ich auch aus naturrechtlicher Perspektive für valide.

die Naturwissenschaften der einzig sinnvolle Ansatz zur Welterklärung darstellt 

Da gehe ich mit. Ich bin Atheist und Naturwissenschaftler.

dass die Menschenrechte allgemeingültig sind.

Die Menschenrechte sind sehr christlich-westlich fokussiert und längst nicht so allgemeingültig wie es gerne wären oder wie deine obigen naturrechtlichen Schlagwörter.

Ich finde deine Ansichten interessant und wertvoll. Kannst mir eine Freundschaftsanfrage schicken, wenn wir weiter diskutieren wollen.

Moral ist nicht anderes als das alle Menschen möglichst gleich glücklich sind.

Ich habe bewusst nicht mehr gesagt, denn sonst wäre es nicht mehr neutral.

Es gibt sehr viele verschiedene Grundlagen für Moral und leider kein einheitliches oder anerkanntes Modell. Jede Philosophieschule hat da ihre eigenen Theorien hervorgebracht.

(1) Zunächst stellen Religionen sehr oft das Fundament und die gleichzeitige Rechtfertigung für einen Moralkodex dar. Es ist einfach gottgewollt und fertig.

(2) Kant postulierte den kategorischen Imperativ und behauptete, mit Vernunft solche Regeln ableiten zu können.

(3) Der Utilitarismus geht vom "größten Glück für die größte Anzahl Menschen". Dies ist sehr umstritten und eher ein sehr theoretischer Ansatz, der kaum real gelebt wird.

(4) Das Naturrecht behauptet, dass es universelle moralische Prinzipien gibt, die sich unmittelbar aus der Natur des Menschen ergeben. Ich denke, dass dies zu einem gewissen Teil zutrifft, aber längst nicht als Begründung für den Großteil der realen Moralkodizes ausreicht. Wirklich schlüssige und unstrittige Naturrechts-Moral ist kaum aufstellbar, sondern erscheint eher als nette Theorie.

Ich plädiere erst einmal dazu, dass Moral die Spielregeln einer Gesellschaft/Kultur sind und als solche sind sie größtenteils eher willkürlich und abhängig von der Gesellschaft selbst.

Moral als Handlungsanweisung wird meiner Meinung nach weit überschätzt.

Vernunft, Überlebenswille, Selbstverteidigung, Recht auf Eigentum sind eher die Grundpfeiler, die man aus der Natur ableiten könnte.

Meistens auf persönlichen Belangen. Schau dir das Mittelalter an:

Während die Äbte, Bischöfe, Päpste, Hanse-Kaufleute immer reicher und fetter wurden, musst das gemeine Volk (Bauern, Handwerker....) hungern.

Man hat in der Kirche von "Armut" und "Fasten" gesprochen, während sich die hohen Tiere die besten Weine, Wildbret,... haben schmecken lassen. Schau dir unsere Politiker wie die Wirtschaftsweisen an: Sie verlangen, dass die gemeine Bevölkerung auch bis 70 arbeiten gehen kann. Aber sie selbst beziehen Pension nach wenigen Dienstjahren bis zum Lebensende. Wo ist das "moralisch"? Von da an ist "Moral" auch sehr flexibel. Es gibt da auch ein Lied bei den Störtebeker Festspielen:

LIED⎮MORAL⎮Wolfgang Lippert⎮Störtebeker Festspiele⎮Verraten und Verkauft⎮2007 (youtube.com)

Moral basiert auf kulturellen Normen, philosophischen Prinzipien und manchmal religiösen Lehren. Kulturell wird sie durch Erziehung und Traditionen vermittelt. Philosophisch gibt es Ansätze wie den Utilitarismus, der das größte Glück für die meisten anstrebt, oder die deontologische Ethik, die auf festen Pflichten basiert. Ein Beispiel ist Kants kategorischer Imperativ: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." Religionen, wie von MenschDNA beschrieben, bieten oft moralische Regeln basierend auf göttlichen Geboten. Moral ist somit ein Mix aus gesellschaftlichen, philosophischen und religiösen Einflüssen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich bin CDU-Politiker und sehr bewandert in der Politik.

Katzenblau 
Beitragsersteller
 11.06.2024, 01:23

Wie würde man eine Moral nennen die auf einem Kosten/Nutzen Prinzip basiert, wie etwa dem evolutionär begründeten Verhalten von Tieren?