Was genau ist für euch die Geschlechtsidentität?

11 Antworten

jetzt frage ich mich ob ich überhaupt wirklich weiblich bin (also von der Geschlechtsidentität her) und was es überhaupt bedeutet weiblich zu sein (und was es generell bedeutet irgendein Geschlecht zu haben)

Das ist eine interessante Frage, die auch ich nicht so einfach beantworten kann. Ich glaube es reicht vollkommen aus, wenn man sich in seinem Körper wohl fühlt und sich grundsätzlich so identifizieren kann, wie es dem Geschlecht entspricht.

Ich kann für tiefergehendes Interesse die Philosophin Judith Butler empfehlen, die die Theorie aufstellte, dass Geschlechtsidentitäten soziale Konstrukte sind und erst durch Nachahmung und wiederholte Performanz gesellschaftsfähig werden.

Ich lehne grundsätzlich die gesellschaftlichen Kategorisierungen ab (wie von dir beschrieben: Puppen, fürsorglich, Multitasking…) - ich halte sie für überholt, nicht zeitgemäß und grundlegend irreführend und falsch. Weil wir eben sehr individuelle Menschen sind, die keiner Schublade folgen.

Doch so ganz kann ich nicht erklären, was ich selbst unter „Mann“ und „Frau“ im gesellschaftlichen Sinne bzw im psychologischen Sinne verstehe. Das wäre mal eine interessante soziologische Frage.

Ich glaube deshalb, dass man dann eine weibliche oder männliche Identität hat, wenn man sich in seinem biologischen Geschlecht wohl fühlt und sich teilweise mit den gesellschaftlichen Konstrukten identifizieren kann. Schließlich tun viele von uns das gewissermaßen. Ich beispielsweise bin kein vorzeige Mann. Ich finde Autos und Sport langweilig, bin nicht so erfolgsorientiert und eher emotional und kreativ veranlagt. Auf der anderen Seite mag ich aber trotzdem Dinge, die dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden. Ich mag harte Musik, schnelle und gefährliche Dinge, bin verantwortungsbewusst und setze mich auch gern mal durch und bin manchmal auch etwas stur und pragmatisch. Ich kann mir aber genauso gut den Kopf zerbrechen, Veränderungen fürchten, weinen und auf bunte Farben abfahren.

Irgendwo kann ich mich aber trotzdem mit Teilaspekten der „Männlichkeit“ identifizieren.

Ich glaube dass man sich von der gesellschaftlichen Dimension von „was ist männlich“ und „was ist weiblich“ gar nicht trennen kann. Es färbt auf uns alle ab und formt unsere Wahrnehmung der Gesellschaft. Und wieder anderes hat biologische und evolutionäre Gründe, die auch mit der Psyche zusammenhängen. Bestimmte Dinge wie beispielsweise den Mutterinstinkt können eben nur Frauen in dem Ausmaße entwickeln - weil es ganz einfach von Natur aus in der Frau steckt (Stichwort überleben und Fortpflanzung).

Deshalb glaube ich, dass diese Frage danach was nun objektiv den männlichen oder weiblichen Charakter ausmacht nur im Gedankenchaos enden kann.

Ich glaube, dass es das soziale und das biologische Geschlecht gibt und beides kann - muss aber nicht - Hand in Hand gehen. Zuerst ist das biologische Geschlecht da, danach entwickelt sich das soziale Geschlecht und das Bewusstsein. Und da entscheidet sich dann, ob der Mensch sich mit den Attributen und gesellschaftlichen Konstrukten des eigenen biologischen Geschlechts identifizieren kann oder nicht. Und da gibt es ein breites Spektrum.

Fragt man mich, ob ich mich mit dem gesellschaftlichen Bild des Mannes identifizieren kann, dann würde ich mit „nein“ antworten. Dennoch empfinde ich mich als Mann und komme damit klar. Nicht zuletzt, weil ich mich mit bestimmten Aspekten des konstruierten „Mannseins“ trotzdem irgendwie identifizieren kann. Für mich ist mein biologisches Geschlecht ganz einfach deckungsgleich mit meinem sozialen Geschlecht.

Ich spreche aber nur aus der Sicht einer cis Person. Dabei wäre es ja viel interessanter zu wissen, wie sich eine trans Person beispielsweise erklärt oder wie sich eine geschlechtslose Person wahrnimmt. Denn diese sind für die Frage natürlich viel relevanter und interessanter.


Laura51327 
Beitragsersteller
 26.03.2025, 23:21
Ich kann für tiefergehendes Interesse die Philosophin Judith Butler empfehlen, die die Theorie aufstellte, dass Geschlechtsidentitäten soziale Konstrukte sind und erst durch Nachahmung und wiederholte Performanz gesellschaftsfähig werden.

Klient interessant, werde mir es vielleicht irgendwann mal genauer anschauen

Ich spreche aber nur aus der Sicht einer cis Person. Dabei wäre es ja viel interessanter zu wissen, wie sich eine trans Person beispielsweise erklärt oder wie sich eine geschlechtslose Person wahrnimmt. Denn diese sind für die Frage natürlich viel relevanter und interessanter.

Das fände ich auch sehr interessant

Danke für die ausführliche Antwort (:

LongsbieHD  27.03.2025, 21:44

Hi, hast du meine Antwort auf diese Frage gesehen? Ich würde mich wirklich über eine Antwort freuen, einfach damit ich mehr Verständnis habe. Du scheinst dich ja gut mit dem Thema auszukennen/ bist selbst betroffen.

erikbhrdt  27.03.2025, 22:51
@LongsbieHD

Ich kann aus deiner Antwort keine direkte Frage ableiten. Du bist eben als Mann auf die Welt gekommen und hast deine gesellschaftliche Rolle akzeptiert - so wie ich übrigens auch. Und klar klingt diese ganze Thematik für uns als heterosexuelle „cis“ Personen auf den ersten Blick völlig absurd und unverständlich. Eben weil wir uns mit dieser Frage nie beschäftigen mussten. Weil wir im Vergleich zu vielen queeren Menschen nie eine Identitätskrise erlebt haben oder gemerkt haben, dass wir uns „anders“ fühlen. Ich glaube, dass Personen, die sehr stark von der Norm abweichen merken, dass sie irgendwie anders sind und sich daher mehr mit der gesellschaftlichen Darstellung der Geschlechter beschäftigen und feststellen, dass sie damit so gar nichts anfangen können. Ist also nur logisch, dass man dann über die eigene Identität nachdenkt.

Ich selbst bin kein Experte in diesem Bereich und ich bin auch nicht sonderlich belesen. Mit queerer Theorie oder Identitäten allgemein habe ich mich nur sehr wenig beschäftigt. Ich weiß also nicht viel mehr als du. Ich denke, dass ich ganz einfach philosophisch und vor allem emphatisch veranlagt bin und daher auch Spaß an solchen Fragen habe. Und zum anderen habe ich im Laufe meines Lebens inzwischen mehrere Personen kennengelernt, die anders waren. Ich kenne einen Trans-Mann, den ich als Frau kennengelernt habe. Eine andere Person ist als Frau geboren und in einem weiblichen Körper, fühlt sich aber dem weiblichen sozialen Geschlecht nicht zugehörig. Genauso kenne ich andere, die einfach eine andere sexuelle Orientierung haben und ebenso wie du und ich nicht die Frage nach ihrem biologischen Geschlecht stellen.

Und doch eint sie alle eins: Die Erkenntnis, dass sie anders sind. Und viele haben damit bereits in Kindheitstagen zu kämpfen. Vor allem Männer. Ein unpassendes Beispiel aber im Kern ähnlich: Ein ehemaliger Schulfreund ist homosexuell. Das war uns allen eigentlich schon als Kinder klar. Leider aber ist er in eine sehr konservative Familie geboren worden und hatte in der Schule wenig sozialen Anschluss. Das färbt auf die Psyche ab. Heute ist er offen homosexuell, aber geht der Psychotherapie nach und kämpft noch heute mit seiner Familie. Zwar musste er sich nie fragen, ob er ein Mann oder eine Frau ist, aber dafür musste er sich blöde Sprüche gefallen lassen und hat als Kind sicher mehr als nur ein Mal von sich gedacht, dass er nicht normal ist und mit ihm etwas nicht stimmt.

Und dieses Päckchen tragen sicher auch trans Menschen oder nichtbinäre Menschen. Weil sie merken, dass ihnen die Identität fehlte - weil sie im Rollenbild keine Identitätsperson gefunden haben.

LongsbieHD  28.03.2025, 10:22
@erikbhrdt

Ok, ich wusste nicht das cis bedeutet, dass man quasi nicht betroffen ist. Was ich auf jeden Fall verstehe, ist, dass es sehr ungesund ist z.B. seine Homosexualität zu unterdrücken. Ich habe wirklich gar keine Idee von queerer Theorie, aber hilft es Menschen wirklich einfach einen neuen Begriff für das eigene Geschlecht zu finden, oder wäre es nicht sinnvoller statt der Einführung dutzender neue Begriffe Akzeptanz und Toleranz und verstärken? Ich glaube das besonders konservative damit überfordert sind und deshalb viele sich populistische parolen der AfD anhören, weil sie das alles nicht akzeptieren wollen. Ehrlich gesagt verstehe ich auch nicht, warum es nicht einfach nur Weiblich, männlich und divers gibt, sondern sich divers in (ich glaube das gelesen zu haben) fast 70 Untergruppen aufteilt, obwohl gerade mal 1% der Bevölkerung betroffen ist. Unabhängig davon bin ich natürlich nicht gegen etwas davon, ich verstehe es nur nicht.

erikbhrdt  28.03.2025, 10:46
@LongsbieHD

Naja „cis“ bedeutet meiner Auffassung nach einfach, dass man eine heterosexuelle Person ist, die sich mit ihrem Geschlecht identifizieren kann. Und das sind die meisten Menschen in der Gesellschaft. Inklusive du und ich.

wäre es nicht sinnvoller statt der Einführung dutzender neue Begriffe Akzeptanz und Toleranz und verstärken?

Du sagst es. Nur ist dieser kleine Wunsch ein unüberwindbares Projekt. So einfach wie es klingt, ist es leider nicht. Intoleranz und Diskriminierung können wir nicht überwinden. Aber selbstverständlich können wir mehr tun. Und dazu gehört eben auch, dass sich betroffene Personen eine eigene Identität suchen dürfen. Ob das aber nun so wichtig ist, ist eine andere Frage. Grundsätzlich bin ich der Identitätspolitik kritisch gegenüber eingestellt, weil mir vieles auch übers Ziel hinausschießt. Trotzdem erkenne ich an, dass betroffene Personen eine Identität suchen und jemand sein wollen. Und da kommt man um solche Theorien und Konstrukte nicht herum.

Die Grenzen sind da individuell. Den einen ist es zu viel, anderen zu wenig… am Ende bin ich der Meinung: Leben und leben lassen, solange es zu keiner kategorischen Diskriminierung kommt. Und das heißt eben, dass wir auch bunte Vögel und merkwürdige Personen aushalten müssen - ob uns das gefällt oder nicht. Für manche Menschen ist das einfach wichtig.

Die Geschlechtsidentität definiert das subjektive Empfinden eines Menschen einem bestimmten Geschlecht oder einem eher unbestimmten Bereich zwischen diesen anzugehören. So sehr man sozial konstruierte Stereotypen erfüllt, sind manche Eigenschaften stets auf die Biologie des Körpers und dessen Beschaffenheit abzuleiten, weshalb dahingehend eine subjektive Empfindung keinen Sinn ergibt und das Empfinden aus logischer Sicht auch der biologischen Darstellung gleichen sollte. Gibt es einen Unterschied zwischen diesen beiden, ist es meiner Meinung die Biologie, welche als Konstante angesehen wird und das subjektive Empfinden wird befragt. Ich bin kein Experte, aber so steige ich in dieses Thema ein und versuche daraufhin die subjektiven Eindrücke einzuordnen.


Laura51327 
Beitragsersteller
 26.03.2025, 22:52
sind manche Eigenschaften stets auf die Biologie des Körpers und dessen Beschaffenheit abzuleiten

Welche zum Beispiel?

Maxmustermann49  26.03.2025, 23:16
@Laura51327

Frauen haben kleinere Atemwege, und auch ihre Herzen und Lungen sind relativ kleiner, die Herzfrequenz relativ höher, die Blutmenge und der Wert des Sauerstofftransporteurs Hämoglobin sind relativ niedriger als bei Männern. Frauen haben einen höheren Anteil an Fettgewebe und weniger Muskelmasse, auch der Stoffwechsel ist bei beiden Geschlechtern unterschiedlich…—Wikipedia. Das sind grundlegende Veranlagungen, die im Schnitt nun mal so gegeben sind und von denen auf äußerliche Eigenschaften bzw. Unterschiede geschlossen werden kann: Stärke, Temperaturempfinden, selbst die äußerliche Körperform spielt hier (nur meiner Meinung) bereits eine Rolle, im Sinne von wie sich die Person selbst sieht, vor allem aber wie sie gesehen wird. Auch wenn jeder selbstbestimmt sich zu verantworten hat, bedarf es einer gesunde Menge an Einschätzungsvermögen, wenn man Teil der Gesellschaft ist.

Ich selbst bin Genderfluid da ich mich von Tag zu Tag unterschiedlich fühle

Die Rolle welche man in der Gesellschaft spielt. IMO ist es komplett sozial konstruiert und nur eine Rolle die man spielt, egal ob man cis oder trans ist. Klar ist jeder Mensch anders und hat andere Hobbys, andere Stärken und Schwächen, aber das alles ist doch komplett unabhängig vom Geschlecht welches mal am Anfang "gewählt" hat. Ich weiß zwar nicht wie es ist sich unwohl im eigenen Körper zu fühlen oder dieses sogar abstoßend zu finden, der Körper IMO nur Peripherie und man selber ist nur der Kern, also das Gehirn. Und das Gehirn hat ja bekanntlich kein Geschlecht, aber wenn du dich im Körper und in der Rolle eines anderen Geschlecht wohler fühlst dann why not. Who cares ob du jetzt weiblich, männlich, nonbinary oder was es sonst noch gibt bist. Wichtig ist doch das du dich wohlfühlst. Es muss auch jeder akteptieren wenn du dein Geschlecht wechselst (oder auch nicht wechselst), schließlich ist es ja dein Körper und nicht der Körper von jemand anderes! Es ist ganz alleine deine Entscheidung!

Ganz ehrlich, ich hoffe ich stoße hier niemandem sauer auf, ich akzeptiere was dieses Thema angeht jede andere Meinung, alles fein. Da hier meine Meinung:

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wieso man sich solche Gedanken macht. Ich bin biologisch männlich, aber lasse mir davon doch nichts vorschreiben, sondern bin, wie ich bin. Und nur weil ich Verhaltensweisen habe, die nicht ins stereotype Bild passen, definiere ich mich anders. Jeder ist einfach wie er ist, meiner Meinung braucht es dafür keine Geschlechtsindentität, ich bin einfach nur, wenn ihr mir erklären könnt, wieso das Sinn macht, erklärts gerne, ich habe wirklich nur keine Idee wieso man darüber nachdenkt, ich halte das für Zeitverschwendung. (Wie gesagt, für mich, ich will hier niemandem seine Meinung absprechen)