Warum spricht man über Migrantenquoten statt über Chancengleichheit?
Karin Prien, unsere Bildungsministerin, diskutiert ernsthaft darüber, ob Schulen eine Obergrenze für Kinder mit Migrationsgeschichte brauchen. Damit verschiebt sie die Debatte weg von den wahren Ursachen der Bildungsmisere und legt den Fokus auf Herkunft, als wäre sie das Problem. Das ist nichts anderes als das Scheitern eines ungerechten Systems, das seit Jahrzehnten soziale Ungleichheiten zementiert, in ein kulturelles Problem umzudeuten.
Denn Fakt ist: Unser Bildungssystem bevorzugt seit jeher Kinder aus akademischen, wohlhabenderen Haushalten. Es beginnt damit, dass Eltern mit höherem Einkommen ihren Kindern frühzeitig Zugang zu hochwertiger Frühförderung, Musikunterricht, Büchern und Lernumgebungen verschaffen können. Sie kennen das System, sie wissen, welche Hebel man bedienen muss, um dem Kind einen Platz auf dem Gymnasium zu sichern. Kinder aus einkommensärmeren Haushalten dagegen müssen sich oft durch ein System kämpfen, das sie nicht für sie gemacht wurde. Ihre Eltern können sich keine Nachhilfe leisten, sie haben oft nicht die Zeit oder das Wissen, um bei schulischen Problemen zu helfen. Allein die Sprache ist schon eine Barriere. Viele Familien kämpfen sich ohne Unterstützung durch Elternabende, Formulare, Anträge.
Wenn wir also wirklich gerechte Bildung wollen, dann brauchen wir keine Obergrenzen für Migrationshintergründe. Dann brauchen wir eine grundlegende Umverteilung von Ressourcen. Schulen in belasteten Vierteln müssen deutlich mehr Geld und Personal erhalten. Diese Schulen dürfen nicht länger Verlierer im Wettbewerb sein, sondern brauchen mehr Lehrerinnen, kleinere Klassen, Sozialarbeiter, Psychologen und muttersprachliche Assistenzen. Dort muss Zeit sein für individuelle Förderung, für kulturelle Öffnung, für echte Integration, nicht als Einbahnstraße, sondern als wechselseitiger Prozess.
Wir brauchen endlich ein Ende der frühen Selektion. Das dreigliedrige Schulsystem sortiert nicht nach Leistung, sondern nach Herkunft. Zehnjährige werden auf Schienen gesetzt, die über ihre ganze Bildungsbiografie entscheiden. Diese Praxis gehört abgeschafft. Stattdessen brauchen wir gemeinsame Schulen für alle Kinder, länger, durchlässiger, gerechter.
Und wir müssen erkennen, dass Bildung mehr ist als Schule. Armut, Ausgrenzung, Rassismus, Wohnverhältnisse, Gesundheit. All das beeinflusst Lernerfolg. Wenn Politik diese Dimensionen ignoriert und lieber symbolpolitisch über Obergrenzen für Migrantenkinder diskutiert, dann zeigt das nicht nur, wie tief das Problem sitzt, sondern auch, wie wenig Interesse besteht, wirklich etwas zu verändern.
11 Antworten
Ich gebe der Ministerin recht. Viele Kinder aus Migrantenfamilien sprechen kein Deutsch oder nur sehr schlecht, das ist eine Tatsache.
Und dann? Was machen Kinder die nichts verstehen? Klar, sie suchen sich eine andere Beschäftigung und machen Blödsinn oder werden Aggressiv wenn sie Älter sind. Kurz: Sie stören den Unterricht! Und wenn dann gleich einige dieser Kinder in der klasse sind, ist ein normaler Unterricht nicht mehr möglich.
Und damit auch keine guten Abschlüsse später.
Und genau hier möchte die Ministerin ran, sie möchte die Anzahl der Kinder mit Nachholbedarf klein halten so das die Lehrerin eine Chance hat zu unterrichten.
Das ist meine Erklärung.
Ich finde aber das dieser Vorschlag nicht weit genug geht und die Wurzel des Übels nicht beseitigt. Die familiären Verhältnisse in diesen Familien und die mangelnde Integration. Hier muss dringend nachgebessert werden und die Kinder müssen bereits lange vor der Schule in die Lage versetzt werden Deutsch zu verstehen und zu sprechen. Sonst wird das nie was mit der Schule und auch nicht mit der beruflichen Zukunft. Ich persönlich würde mir hier einen umfassenden Ansatz der Politik wünschen um dieses riesige Problem klein zu bekommen. Im Notfall ohne oder gegen die Eltern wenn es dem Kind nützt.
Worin gibst du der Ministerin Recht?
Streitpunkt ist doch eher die Aussage über eine Obergrenze, weil jedem bewusst ist, dass das gar nicht richtig funktionieren kann. Sollen die Kinder dann gar nicht auf die Schule? Sollen die von Köln nach München fahren? Sollen die ein paar Jahre in der Vorschule bleiben und dann erst eingeschult werden (Im Wissen, dass das die Situation nicht ändert)?
Dass es ein Integrationsproblem gibt und der Staat da zu wenig macht ist nicht von der Hand zu weisen. Der Teil der Erkenntnis der Bildungsministerin ist auch nicht das was stört.
Damit verschiebt sie die Debatte weg von den wahren Ursachen der Bildungsmisere und legt den Fokus auf Herkunft, als wäre sie das Problem.
Die Bildungsministerin hat mit dem Thema Migration einen wichtigen wunden Punkt unseres Schulsystems angefasst. Und es ist schon überfällig, über Integration von Kindern aus Migrantenfamilien noch intensiver als bisher nachzudenken und Änderungen herbeizuführen.
Ergänzung: Gerechte Bildung - was soll das sein? Die wichtigsten Unterschiede liegen doch nicht beim Geld wohlhabender Familien und bei "armen" Schulen, sondern in unterschiedlichen Interessen an Bildung - und auch Familien mit schmalem Geldbeutel können vorbildlich ihren Kindern den hohen Wert von Bildung vermitteln. Und auf diesem Weg erarbeiten sich Kinder aus finanziell schwächeren Familien den Weg in eine gute Zukunft. Was Eltern versäumen, kann die Schule nur bedingt aufholen. Kinder, die nicht wirklich gut lernen wollen, warum auch immer, bleiben eben auf einem niedrigeren Bildungsniveau.
Und wir müssen erkennen, dass Bildung mehr ist als Schule. Armut, Ausgrenzung, Rassismus, Wohnverhältnisse, Gesundheit. All das beeinflusst Lernerfolg.
Diese Faktoren bilden nicht das Hauptproblem. Aus meiner Sicht liegt das Hauptproblem an der Familie, am Vorbild, an der Einstellung zum Thema Bildung bei den Eltern!
Eine Bekannte von mir ist Lehrerin und das bei einer Schule wo fast nur noch Migrantenkinder sind.
In der 1. Klasse sind sehr viele Kinder die kein Deutsch bezw sehr schlechtes Deutsch beherrschen.
Die Lehrer haben erstmal das Problem Kinder mit verschiedenen Sprachen auf das einigermaßen gleiche Deutschlevel zu bekommen.
Dadurch haben Kinder die die deutsche Sprache sehr gut beherrschen erstmal ein Nachteil, denn sie sollen eigentlich Lesen, Schreiben usw beigebracht bekommen oder?
Viele Eltern die sich es leisten können, schicken dadurch ihre Kinder auf Privatschulen.
Meine Bekannte meinte es wäre besser viele der Migrantenkinder erst einmal in Vorschulen zu schicken wo ihnen die deutsche Sprache und auch manches andere beigebracht wird, denn so haben sie mehr Chancengleichheit.
Dieser Vorschlag mit der Deckelung funktioniert nicht, besser sind viele kleinere Klassen und Kinder die massive Probleme haben extra zu unterstützen.
Doch dies kostet Geld und man braucht auch wesentlich mehr Personal. Dies würde sich aber mit Blick auf die Zukunft sehr gut rechnen.
Denn wir brauchen keine neue Sozialempfänder, sondern Menschen die Berufe erlernen, die sich gut integrieren und später auch Steuern zahlen.
Ich kann deine Kritik nachvollziehen und im Großen und Ganzen bestätigen.
Zehnjährige werden auf Schienen gesetzt, die über ihre ganze Bildungsbiografie entscheiden.
Ich kenne einige Leute, die auf dem 2. Bildungsweg ein Fachabi gemacht haben. Viele davon waren "Spätzünder", die sich erst mit 20 ihre eigene Schiene gesucht haben. So trifft diese Aussage nicht ganz zu.
An der Migration liegt das aber nicht. Natürlich ist der Unterricht schwieriger, wenn 80% der Klasse Deutsch nicht flüssig beherrschen. Das betrifft aber auch Kinder, die vor der Schule noch kein Hochdeutsch gesprochen haben. "Schreibt so, wie ihr sprecht." => "Isch komm us Mannem!"
Das Bildungssystem scheitert nicht an Migranten-Kindern. Ich sehe Werk-Realschulen, die mit Overhead-Folien arbeiten, weil pro Jahrgang 1 Laptop zur Verfügung steht. Im Gymnasium im Nachbarviertel bekommt der Theaterraum einen brandsicheren Vorhang für 20'000€. Die Highend-Computer hatte eine Mutter aus dem SAP-Management gestiftet.
Und wir müssen erkennen, dass Bildung mehr ist als Schule. Armut, Ausgrenzung, Rassismus, Wohnverhältnisse, Gesundheit.
Huch?! Manchmal verblüffen mich schlaue und reflektierte Aussagen auf GuteFrage.
Nein, leider müssen wir das nicht erkennen. Schön wäre es, aber niemand kann uns zwingen. Stattdessen können wir Ängste vor Migration schüren, denn Fremdes ist sehr leicht als suspekt ausgrenzbar.
Das funktioniert in den USA doch auch. Dort werden auch die Blutsauger aus Mitteleuropa aus den Unis vertrieben.
Es gibt genügend Menschen, denen man einreden kann, Migrantenkinder wäre nicht vordringlich Menschen, denen Bildung zusteht, sondern Messerstecher und Sozialschmarotzer.
Kinder mit ungenutztem Bildungspotential sind eine Last, genau wie Omas, die für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten.
Leider müssen wir gar nichts erkennen.
Erstens unterstellst du so einfach der Bildungsministerin, dass ihr oberstes Ziel Chancengleichheit sei. Eigentlich müsste man sie erst einmal fragen, was ihr oberstes Ziel ist. Vielleicht ist für sie nicht das Ziel, in ärmere Familien zu investieren, damit deren Kinder die gleichen Chancen haben wie reichere Familien, sondern das Ziel, möglichst viel aus dem Topf durch Förderung heraus zu bekommen, der die besten Grundvoraussetzungen hat.
Wenn sie beispielsweise Kinder hat und das Niveau bei den ärmeren Kindern niedrig ist und wo das Niveau niedrig ist, ist anstelle von klugen Dingen oftmals viel Blödsinn im Kopf. Vielleicht will sie die Dummen nicht klug machen, sondern einfach den Kontakt von Dummen mit Schlauen reduzieren, weil sie Angst hat, dass die Dummheit ihre Kinder anstecken könnte.
Wenn wir also wirklich gerechte Bildung wollen, dann brauchen wir keine Obergrenzen für Migrationshintergründe. Dann brauchen wir eine grundlegende Umverteilung von Ressourcen.
Richtig. Wenn... Dann...
Bevor mein Text wie Werbung für andere Motivationsgründe wirkt: Für mich ist eine Obergrenze für Schüler mit Migrationshintergrund schon allein aus einem Grund ein Nogo: Es handelt sich um Rassismus.
Es ist für eine Ministerin auch sehr unschlau formuliert. Sie bräuchte zum Beispiel nur eine Mindestvoraussetzung im Einkommen festlegen. Dann hätte sie fast alle Kinder mit Migrationshintergrund (plus ein paar arme Deutsche) ausgeschlossen, ohne rassistisch zu wirken.