Glücklich für immer?
Im Rahmen meiner ökumenischen Erkundungen bin ich auch auf die christliche Gemeinschaft der Zeugen Jehovas gestoßen. Dort wurde mir ein drei Kapitel umfassende Zeitschrift mit dem Titel Glücklich für immer angeboten. Auch wurde mir das Angebot unterbreitet das ganze als Bibelstudium durchzuführen. (Faktisch wurde da die Zeitschrift gelesen und hier und da mal die Bibel zur Hand genommen. Ich stelle mir unter Bibelstudium ehr vor, das man die Bibel selbst betrachtet und im Bedarfsfall einen Kommentar zur Hand nimmt).
Was mir dabei sehr negativ aufgefallen ist, das die Sprache in der Zeitschrift sehr flach ist und mich nicht wirklich vom Verstand her fordert. Ich denke mir manchmal, das eine gewisse Infantilität notwendig ist, um nicht intellektuell unterfordert zu werden.
Hat jemand von euch liebe Lesende Erfahrungen in dem Zusammenhang?
6 Antworten
das die Sprache in der Zeitschrift sehr flach ist und mich nicht wirklich vom Verstand her fordert. Ich denke mir manchmal, das eine gewisse Infantilität notwendig ist, um nicht intellektuell unterfordert zu werden.
Vielleicht ist das ja der Grund:
(Matthäus 11:25) 25 Damals erklärte Jesus: „Ich preise dich öffentlich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das alles vor den Weisen und Intellektuellen verborgen und es kleinen Kindern mitgeteilt hast.
Die katholische Kirche hat früher Messen in Latein gelesen, damit das "einfache Volk" nichts versteht. Wäre das eher nach Deinem Geschmack?
Ich bin Lateiner und bei mir wölben sich beim Kirchenlatein die Zehennägel nach oben. Das ist nicht die Sprache Ciceros und Senecas! Mein Lateinlehrer pflegte Kirchenlatein als Küchenlatein zu bezeichnen!
Du wirst ewig auf der Suche sein mit deiner Einstellung.
Schau mal wie die Zeugen Jehovas mit "Abtrünnigen" umgehen, Kontaktabbruch. Da dürfen Vater und Mutter nicht mehr mit dem Kind reden, das diese Sekte verlassen hat
Von der Verweigerung einer lebensrettenden Bluttransfusion aus reĺigiösen Grünen ganz zu schweigen
Glücklich für immer klingt traumhaft doch Glück ist oft ein Prozess und keine dauerhafte Endstation. Wichtig ist kleine Momente zu schätzen und bewusst zu gestalten so entsteht nachhaltiges Wohlbefinden. Wie definierst du persönlich für immer glücklich?
Mit den Zeugen Jehovas hab ich nix am Hut, ist halt eine Sekte, die die Bibel verfälscht und denkt sie wären die einzigen wahren Christen, aber das ist ein anderes Thema, wollt ich nur mal gesagt haben.
Die kleinen Momente wertschätzen ist eine gute Einstellung hier auf Erden, aber hierbei ist gemeint wenn es kein Leid, Sorgen,.etc., alles was durch den Sündenfall in diese Welt kam nicht mehr geben wird.
Denn km christlichen Kontext wird hier die Ewigkeit gemeint sein, wenn diejenigen die Jesus Opfer am Kreuz angenommen haben am Ende der Zeit wieder mit Gott vereint sein werden.
" Ich denke mir manchmal, das eine gewisse Infantilität notwendig ist, um nicht intellektuell unterfordert zu werden. "
🙄 Irgendwo muss ja ein Anfang gemacht werden bzw. muss zu diesem zurückgekehrt werden.
" und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. " Matthäus 18.3
Kinder sind nun mal unvoreingenommen und können alles glauben was man ihnen erzählt. Wenn ihnen eine gute Geschichte erzählt wird werden sie dies auch mit guten Gedanken und Werken daraus honorieren da sie das nachahmen was ihnen gefällt.
So ist es auch mit den biblischen Geschichten und mit Menschen die erfahren mussten, das ihre eigene Erkenntnis und Weisheit sehr begrenzt und entwicklungsbedürftig ist um das Große und Ganze bzw. den Sinn des/ihres Lebens verstehen zu können.
Um Sinngebung geht es doch letztendlich da wo man keinen Sinn sieht.
Glück ist daher auch immer mit Sinn verbunden der uns auf die Ebene bringen soll um im Einklang/Harmonie mit uns selbst bzw. mit dem göttlichen in uns leben zu können.
" Da er aber gefragt ward von den Pharisäern: Wann kommt das Reich Gottes? antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden; man wird auch nicht sagen: Siehe hier! oder: da ist es! Denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch . " Lukas 17.20,21
Wo das Kind in einem gestorben ist, ist es schwer zu glauben doch wahre Erkenntnis und Wissen kommt immer aus dem Glauben da niemand erst weiß und dann glaubt sondern umgekehrt, erst muss geglaubt und erfahren werden um Erkenntnis und Weisheit und somit Wissen zu erlangen das uns den Sinn des Lebens erkennen lässt.
LG
Hallo SuchenderChrist,
es wäre sicher kein Problem gewesen, die Broschüre, die neben der Bibel Grundlage für einen Bibelkurs ist, wesentlich komplizierter und mit einem anspruchsvolleren Text zu schreiben. Doch wem wäre damit gedient?
Worum geht es denn bei einem Bibelkurs -- um den Intellekt zu befriedigen, oder die Bibel auf einfache Weise zu verstehen? Für Bibelkurse gibt es nicht nur bestimmte Zielgruppen, sondern er ist für jedermann gedacht. Daher besteht das Ziel darin, dass sowohl hoch gebildete als auch Menschen mit einer sehr einfachen Bildung die Bibel verstehen.
LG Philipp
Ich analysiere derzeit dieses Werk. Bin auf mehrere Rahmen gestoßen - es umfasst 60 Lektionen in vier Teilen - Ziel ist es dir das Gedankengut und deine Emotionalität dem "Willen Jehovas" anzupassen - dies im Sinne einer Indoktrinierung. Folgende Rahmen sind mir bisher aufgefallen (Spoiler aus meinem kommenden Manual): 3.3.1 Methodik:
Vereinfachung und selektive Auslassung
Der Rahmen des Bibelkurses ist didaktisch bewusst eng gefasst. Komplexe oder kontroverse theologische Inhalte werden systematisch vereinfacht und auf ein kognitiv niedrigschwelliges Niveau reduziert. Dieses Vorgehen erleichtert die unkritische Übernahme der vorgegebenen Interpretationen durch die Teilnehmenden und minimiert das Risiko negativer Resonanz.
Die selektive Auslassung betrifft insbesondere solche Inhalte, die die Akzeptanz der vorgegebenen Lehre erschweren könnten. Die Pluralität theologischer Strömungen innerhalb des Christentums wird nicht vermittelt; alternative hermeneutische Ansätze oder historische Kontextualisierungen bleiben unerwähnt. Abweichende christliche Denominationen werden pauschal der Kategorie „falsche Religion“ zugeordnet, ohne differenzierende Argumentation (ein Bemessen anderer Religionen an eigenen Merkmalen für "wahre Religion" findet man auf JW org).
Dieser eng gesteckte Rahmen unterbindet genuine Reflexionsprozesse: Es fehlt an Möglichkeiten zum Abwägen, zur kritischen Hinterfragung und zur Überprüfung anhand unabhängiger Quellen.
Empirische Belege für diesen Mechanismus sind naturgemäß eingeschränkt verfügbar – das Fehlen entsprechender Inhalte im Kursmaterial selbst ist Teil der Methodik.
Das Prinzip der selektiven Auslassung von externen Ansichten, wird in der internen Literatur der Zeugen Jehovas auch explizit abverlangt. So findet sich im Königreichsdienst - September 2007, Fragekasten - folgende Anweisung ("der treue und verständige Sklave" = Leitende Körperschaft):
„Billigt es ‚der treue und verständige Sklave‘, wenn sich Zeugen Jehovas eigenständig zusammentun, um biblische Themen zu untersuchen und zu debattieren? … Nein. … Wir sind zweifellos für alle geistigen Gaben Jehovas in den heutigen letzten Tagen dankbar. Daher billigt der ‚treue und verständige Sklave‘ keinerlei Literatur, keine Websites und keine Treffen, die nicht unter seiner Leitung hergestellt oder organisiert werden."
Begleitend wird betont, dass für vertiefte Studien ausschließlich die eigenen Publikationen zu verwenden seien:
„Wer sich noch eingehender mit der Bibel beschäftigen möchte, könnte sich mit den Büchern Einsichten über die Heilige Schrift oder Die ganze Schrift ist von Gott inspiriert und nützlich befassen … Sie enthalten für das Bibelstudium und zum Nachdenken mehr als genug Stoff.“
Der implizite Auftrag besteht darin, den theologischen Diskurs vollständig auf interne Quellen zu begrenzen. Raum für eigenständige Analyse, für den Austausch unabhängiger Erkenntnisse oder für den Einbezug alternativer hermeneutischer Ansätze ist nicht vorgesehen.
Diese Maßgabe wird zusätzlich durch das Ziel der organisatorischen Einheit legitimiert, wie derselbe Fragekasten formuliert:
„Jehova sorgt dafür, dass … alle seine Diener … in demselben Sinn und in demselben Gedankengang fest vereint sind und im Glauben befestigt bleiben.“
Fortsetzung folgt ...
Danke für den Beitrag, dazu habe ich eine Frage, kann man den evtl. irgendwo als PDF bzw. als gedrucktes Werk erwerben?
Ist leider noch nicht fertig. Ich muss noch die Module für den Therapieverlauf zusammen stellen, Der Anhang ist erst in Rohfassung und ein der Wachtturm-Literatur NLP Glossar muss erstellt werden ... Noch viel zu tun.
3.3.2 Selektive Auslassung & emotionale Aufladung
Hovland, Janis und Kelley (1953) identifizierten in ihrem klassischen Persuasionsmodell drei Kernfaktoren wirksamer Überzeugung:
Wer sagt es? (Quelle) Was wird gesagt? (Botschaft) & Zu wem wird es gesagt? (Zielgruppe)
Der zweite Faktor – Was wird gesagt – beschreibt u. a., wie die inhaltliche Gestaltung einer Botschaft die Aufnahmebereitschaft beeinflusst. Dabei gilt:
- Einseitige Argumentation kann wirksamer sein, wenn die Zielgruppe wenig Vorwissen hat oder gegenteilige Argumente nicht kennt. Sie entspricht der selektiven Auslassung.
- Simplifizierung komplexer Inhalte steigert die Verständlichkeit und verringert kognitive Ablehnung.
- Emotionale Aufladung durch moralische oder spirituelle Bezüge kann Zustimmung erleichtern, ohne dass inhaltlich überprüft wird.
Im Kurs Glücklich für immer! der Zeugen Jehovas wird dieser Ansatz konsequent umgesetzt:
- Eine kritische Auseinandersetzung mit alternativen Deutungen oder theologischen Gegenargumenten ist nicht vorgesehen
- Botschaften sind stark vereinfachend und folgen einer klaren Schwarz-Weiß-Logik.
- Zentrale Aussagen sind emotional aufgeladen,
z. B (sinngemäße Aussagen).:
„Gott will, dass es dir gut geht – das WIE erfährst du in der Bibel …“
„Gott will die Erde zu einem Paradies machen – wenn du dabei sein willst …“
„Gott will, dass du die Bibel studierst, nur so erfährst du seinen Willen …“
„Gott will, dass du gewisse Dinge nicht tust …“
„Es ist Gottes Wille, wenn wir uns der Autorität der Leitenden Körperschaft unterwerfen …“
Durch diese Struktur werden moralische Aufrichtigkeit und spirituelle Hoffnung zu Triggern, die auf der Metaebene Autoritätsgehorsam legitimieren.
Das Vertrauen (3.3.5) aus der frühen Kontaktphase wird so direkt auf die Organisation und ihre Führung übertragen, ohne dass die Argumente rational geprüft werden müssen.
Quelle: Hovland, C. I., Janis, I. L., & Kelley, H. H. (1953). Communication and Persuasion. New Haven: Yale University Press.
3.3.3 Methodik:
Einfluss auf persönliche Motive
Die im vorangehenden Abschnitt beschriebene "Einheit", derer Akzeptanz ist nur ein angestrebtes Endprodukt des Bibelkurses.
Der Kursteilnehmer wird nicht transparent darüber informiert, dass diese Einheit die Unterlassung eigener, unabhängiger Meinungsbildung zu biblischen Themen beinhaltet.
Stattdessen wird innerhalb des vorgegebenen Rahmens (vgl. 2.4.1 & 2.4.3) der Eindruck erzeugt, man sei aus freien Stücken und aufgrund eigener Überlegungen zu den gewünschten Schlussfolgerungen gelangt.
Ein weiterer Faktor hierfür ist die gezielte Ansprache persönlicher, emotionaler Motive. Bereits zu Beginn werden allgemeingültige Lebensthemen aufgegriffen, die in der Zielgruppe emotionale Resonanz erzeugen.
So heißt es in Glücklich für immer, Lektion 1:
"Fast jeder hat Fragen über den Sinn des Lebens, das Leid in der Welt, den Tod und die Zukunft. Aber uns beschäftigen auch ganz Familie sorgen und wollen ein glückliches Leben führen. Viele haben festgestellt, dass die Bibel nicht nur die großen Fragen des Lebens beantwortet, sondern auch praktische Tipps für den Alltag enthält. Die Bibel kann wirklich jedem etwas geben.“
Diese einleitende Ansprache, sowie andere Appetizer ( z.B. das Paradies, Jehovas zu gefallen), verschieben den Fokus: Es handelt sich nicht um ein systematisches, theologisches Studium – etwa eine Analyse der Lehrinhalte einzelner Bibelbücher – sondern um eine auf die persönliche Lebenssituation ausgerichtete Gesprächsführung. Der Teilnehmer soll sichemotional „abgeholt“ fühlen.
Im Verlauf des Kurses werden die Motive des Kursteilnehmers gezielt gelenkt (Beispiele):
- Verwendung des Gottesnamens „Jehova“ als einzig korrekte Bezeichnung (Lektion 4,
Video 2), womit man Gott gefällig agiert (Appell an gute Absicht Gott zu gefallen)
- Gleichsetzung der Bibel mit dem „Wort Jehovas“ (Lektion 5), um zu Erfahren was Gott von einem will
- Darstellung von Jehovas Eigenschaften und der Möglichkeit, „sein Freund zu werden“ (Lektionen 7 & 8)
- Aufforderung zum Gebet, um den Kurs „richtig zu verstehen“ (Lektion 9)
- Abgrenzung vom Christentum (Lektion 13, 18, 19)
- Sich als JZ taufen lassen (Lektion 46)
Beobachtung: Die Theologie der JZ wird erst im Teil 2 des Kurses vertieft. Nachdem der Kursteilnehmer innerlich für das Folgende vorbereitet wurde zu übernehmen geht man derer Sonderlehren und Verbote im Teil 3 durch und im Teil 4 erfolgen Motivations-Verstärker zur Identität als JZ.
Eine angestrebt vollständige Auflistung der einzelnen Etappenziele (60 Lektionen) findet sich in Anhang A.
Die Abfolge dieser Inhalte zielt nicht auf ein ergebnisoffenes Studium, sondern auf die auf dem Kursteilnehmer angesetzten Motivatoren (z.b. um Jehova zu gefallen und Armageddon zu überleben) die zur Übernahme einer spezifischen Glaubensidentität führen sollen:
Mitgliedschaft, Anerkennung der Organisation durch die Taufe und das Selbstverständnis als Zeuge Jehovas. Die persönliche Vereinnahmung steigert das Erfolgspotential des Zwecks dieses Kurses und ist zumindest auch im Vorgängerkurs Teil der Bindungsstrategie, Teilweise schon in älteren Kursen der Organisation.
Ein authentisches Bibelstudium würde eine inhaltlich offene Auseinandersetzung mit Text, Kontext und alternativen Auslegungen beinhalten.In Glücklich für immer hingegen (ebenso die Vorgänger-Kurse) werden emotionale Bindung, exklusive Deutungshoheit und organisatorische Loyalität systematisch miteinander verknüpft.
Die Übersicht auf Seiten 29/30 dient nicht der theologischen Bewertung, sondern der Verdeutlichung der strukturellen Besonderheiten aufgrund vorhandener Unterschiede.
3.3.4 Methodik: Fragen im Kursbuch & forcierte Antworten = "eigene Meinung"
Den Eindruck eine persönliche Meinung gebildet zu haben, entsteht u.a. durch das Prozedere der gezielten Fragestellungen, die der nicht hinterfragende Kursteilnehmer auch bedenkenlos nach Vorgabe beantworten wird. Hier findet eine erhoffte Begrenzung des kognitiven Rahmens statt - es werden die Inhalte geliefert um die sich die Gedanken kreisen sollen - und die "richtigen Antworten" liefern.
Das Kursbuch und die Videos schafften einen eigenen kleinen Horizont in dem man sich unbewusst gedanklich begrenzen lässt (2.4.1).
Beispiele aus Glücklich für immer - Lektion 2:
"... 1. Was verspricht die Bibel?
Die Bibel erklärt, warum es heute so viele Probleme gibt. Sie sagt aber auch, dass es nicht immer so bleiben wird. Die Bibel verspricht uns „eine Zukunft und eine Hoffnung“. (Lies Jeremia 29:11, 12.) Diese Hoffnung hilft uns, besser mit unseren Problemen zurechtzukommen und glücklich zu sein – nicht nur heute, sondern für immer.
2. Wie beschreibt die Bibel die Zukunft?
Die Bibel sagt über die Zukunft: „Den Tod wird es nicht mehr geben. Auch wird es weder Trauer noch Aufschrei noch Schmerz mehr geben.“ (Lies Offenbarung 21:4.) Alles, was das Leben heute so schwer macht – Armut,
Ungerechtigkeit, Krankheit und Tod –, wird es nicht mehr geben. Die Bibel verspricht ein Paradies auf der Erde, in dem wir für immer ein glückliches Leben führen können. ..."
Das beantworten der Fragen basiert dann auf die Absätze dahinter.
In der selben Lektion gibt es dann immerhin den Ansporn sich eine eigene Meinung zu bilden:
" - MANCHE SAGEN: „Was die Bibel verspricht, ist zu schön, um wahr zu sein.“
Warum ist es wichtig, die Fakten zu prüfen und sich eine eigene Meinung zu bilden? - "
Diesem Anschein wird man jedoch nicht gerecht - fast nie wird nach der eigenen Meinung gefragt. Nur ob man die Vorgaben als eigene Meinung übernommen hat.
Fragt man einen Menschen nach seiner Meinung, kommt es oft zur positiven Interaktion. Dieses Gefühl, eine eigene Meinung gebildet zu haben, wird durch das Beantworten der Fragen ausgelöst und haben so einen autosuggestiven Charakter (aus einer erfolgreichen Suggestion wird eine Autosuggestion).
Hier geht es jedoch nicht um einen Austausch von Meinungen, sondern um die Sendung und Übernahme von Vorgaben.
Es kann sich also im besten Fall um eine Illusion handeln, man habe sich eine eigene Meinung gebildet, wenn man hinter den vorgegebenen Antworten steht (vgl. 3.1.4, Janja Lalich, Bounded Choice, 2004) .
Therapeutische Relevanz
Nach dem Ausstieg kommt es oft zur festen Überzeugung, man hätte sich immerhin selbst eine Meinung gebildet und man übernimmt es als alleinige Schuld sich den JZ angeschlossen zu haben (ein INS-Phänomen - Annehmen der Schuldverschiebung - als Vergleich zu toxischem Beziehungsmuster)
- das Verschließen vor der Realität kann hier ein Selbstschutz sein, da man verständlich den Wunsch hegt nicht auf irgend etwas reingefallen zu sein - Ablehnen der Opferrolle - das wird oft verdrängt und nicht akzeptiert.
Das der Mensch jedoch einer größeren Architektur auferlegt war, mit mehreren Ansätzen von Beeinflussungs-Strategien, könnte ihn in seiner Verarbeitung des Ausstiegs die Institutionelle Selbstnegierung nehmen.
3.3.5 Methodik: Anerkennung und Liebe bei Akzeptanz der Vorgaben
– „das Herz erreichen“
Es ist grundsätzlich nicht verwerflich, sich freundlich zu verhalten, um jemanden für eine Sache zu gewinnen. Positive Anerkennung und ein vertrauensvoller Rahmen begünstigen die Aufnahme von Informationen. Werden diese Informationen tief in das Selbst- und Weltbild eines Menschen eingebettet, verändern sie seine innere Wahrnehmung.
Bei den Zeugen Jehovas verfolgt die Leitende Körperschaft das Ziel, den Kursteilnehmer innerlich zu beeinflussen – ein Vorgang, der in der Literatur als „das Herz erreichen“ beschrieben wird.
Für einen ZJ ist das „Herz“ der symbolische Sitz der inneren Beweggründe: der Ort, an dem Motivationen und Entscheidungen entstehen.
Ziel ist es nicht nur, biblisches Wissen zu vermitteln, sondern gezielt die inneren Entscheidungsprozesse, Wünsche und Hoffnungen eines Menschen anzusprechen. Beispiele aus der Wachtturmliteratur zeigen dies deutlich:
„Wie gelang es Paulus, auf überzeugende Weise ‚anhand der Schriften‘ zu argumentieren? Er appellierte an Herz und Verstand seiner Gesprächspartner. So wie er bemühen auch wir uns, das Herz zu erreichen …“ – WT, 15.02.2010, S.13
„Beim Verkündigen der guten Botschaft von Königreich bemühen wir uns, so geschickt wie möglich zu lehren, um das Herz unserer Mitmenschen zu erreichen.“ –
WT, 15.01.2009, S.15
„Die Liebe, die wir in unserem Dienst zeigen, wird wesentlich dazu beitragen, das Herz der Menschen zu erreichen. Um beim Jüngermachen wirklich etwas zu bewirken, müssen wir wie Jesus mit Liebe lehren.“ – WT, 15.07.2009, S.16
Während die Bibel das Herz meist als Synonym für die inneren Beweggründe verwendet, wird ein JZ angeleitet, diese gezielt zu erreichen - wenn möglich liebevoll und einfühlsam.
Die emotionale Ansprache dient somit der induzierenden Veränderung: Menschen werden in ihrem Fühlen und Denken so beeinflusst, dass sich ihre inneren Strukturen in Richtung der Vorgaben der Gemeinschaft verschieben.
Die ausübenden JZ sind sich dieser Mechanismen oft nicht vollständig bewusst. Viele erleben die Wirkung zunächst selbst als positiv und übertragen dieses Erleben auf andere. Das Schlagwort „das Herz erreichen“ vermittelt dabei einen harmlosen, liebevollen Eindruck, während es sich um gezielte emotionale Beeinflussung und persuasive Suggestion handelt.
Ein anschauliches Beispiel bietet das Lehrvideo aus dem Kurs Glücklich für immer, in dem eine Lehrerin als Testimonial (Lektion 1) dargestellt wird: Das Vorgehen der Liebesbekundung der JZ ist erkennbar, bei besonderer Anerkennung (ein beobachtbares"anhimmeln"), wenn die Lehrerin die "richtigen Antworten" aus dem Kursbuch gibt.
Dieses Vorgehen aktiviert Selbstwertgefühle und innere Motivation, die Lernbereitschaft und emotionale Bindung an die Lehre zu erhöhen – ohne dass die Beteiligten den Wirkungsmechanismus erkennen.
Fazit für die therapeutische Praxis:
„Das Herz erreichen“ ist ein gezieltes Verfahren der emotionalen und kognitiven Beeinflussung. Es wirkt über Anerkennung, Vertrauen und subtile Motivation. Für Fachkräfte ist entscheidend, diese Mechanismen zu kennen, ihre Auswirkungen auf Selbstbild und Entscheidungsprozesse zu verstehen und sie in der Arbeit mit ehemaligen oder noch aktiven Mitgliedern zu berücksichtigen.
Etwaiges Misstrauen, nach dem Ausstieg, in das Vertrauen in Mitmenschen ist u.a. auch darauf zurück zu führen, das man unbewusst als Selbstschutz die Sichtweise angenommen hat, niemanden mehr vertrauen zu können, weil man retrospektiv die damalige Freundlichkeit der JZ als "Köder" bewertet.
3.3.6 Methode: Vertrauen als strategisches Bindungselement
In der Frühphase der Mitgliederwerbung wird Vertrauen gezielt als psychologischer Hebel eingesetzt. Siegrist (2001) definiert Vertrauen als die Bereitschaft, sich auf andere zu verlassen und dabei das Risiko einer Enttäuschung in Kauf zu nehmen – basierend auf wahrgenommener Wertübereinstimmung. In Abgrenzung dazu beschreibt er Konfidenz als Sicherheit, die auf überprüfter Erfahrung und Evidenz beruht.
Die Ursache liegt hier in dem Selbstzweifel, da man JZ vertraut hatte und dieses geschenkte Vertrauen zerstört wurde.
Während der Anpassungsphase an die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas wird Vertrauen zunächst personenbezogen aufgebaut: Ein sympathischer Verkündiger tritt wiederholt in freundlichem, gesprächsbereitem Kontakt auf. Dieses persönliche Vertrauen wird anschließend auf weitere, als sakral präsentierte Bezugspunkte übertragen – die Bibel (in der spezifischen Übersetzung), die Wachtturm-Literatur, die „Organisation Jehovas“ und schließlich die Leitende Körperschaft.
Ein anschauliches Beispiel findet sich auch hier im Lehrvideo aus dem Kurs Glücklich für immer! (Lektion 1): Dort vertraut eine Lehrerin bedenkenlos einer Schülerin, wenn es um Bibelauslegungen geht. Diese Darstellung ist euphemistisch idealisiert und vermittelt implizit, dass Annahme und Weitergabe der Lehre keine kritische Prüfung erfordern.
Durch die Vorbildfunktion der Lehrerin kann die unkritische Haltung übernommen werden oder bestehende Zweifel zerstreut werden.
Damit verschiebt sich die Grundlage der Informationsübernahme: von Konfidenz (Evidenz und Erfahrung) hin zu Vertrauen emotionale Wertkongruenz).
Dieser Mechanismus reduziert bei Erfolg langfristig die Kritikfähigkeit gegenüber der Quelle und verstärkt die Bindung an die Organisation.
Therapeutische Relevanz:
Für die therapeutische Arbeit bedeutet das, den Klienten behutsam darin zu ermutigen, Menschen wieder individuell wahrzunehmen – jenseits generalisierten Misstrauens – und neue vertrauensvolle Beziehungen Schritt für Schritt aufzubauen.
Ähnlich wie bei 3.3.4 kann es nach dem Ausstieg zu einem tiefgreifenden Misstrauen kommen - auch gegenüber professionellen Helfern, die versuchen, eine tragfähige Vertrauensbasis aufzubauen. Dieses Muster kann sich in anderen Lebensbereichen fortsetzen und zur sozialen Isolation führen.
Das Willkommensvideo des Kurses Glücklich für immer legt gleich zu Beginn offen, wie der Ablauf des Kurses gestaltet sein wird. Damit können Hemmungen abgebaut und gleichzeitig Erwartungssicherheit geschaffen werden:
Ein kurzes Gebet zu Beginn, die gemeinsame Bearbeitung von Lektionen, Absätzen und Fragen, ergänzt durch Videos, thematische Vertiefung und ein abschließendes Gebet.
Diese wiederholten Handlungen erzeugen Vertrautheit, klare Erwartungshaltungen und eine soziale Normierung der Interaktion.
Rituale wie diese erfüllen mehrere Funktionen: Sie markieren den Übergang in einen „heiligen“ Lernraum, strukturieren Zeit und Aufmerksamkeit und erleichtern die emotionale Einbindung der Teilnehmenden.
Nach Émile Durkheim (1912/engl. Übers. 1990) stärken wiederholte kollektive Handlungen die soziale Kohäsion und das Bewusstsein gemeinsamer Werte. Victor Turner (1969) betont, dass Rituale transformative Prozesse einleiten, in denen Individuen liminale Phasen durchlaufen und so in die Gemeinschaft integriert werden. Whitehouse (2000) und Collins (2004) heben hervor, dass emotional aufgeladene, wiederkehrende Rituale intensive soziale Bindungen erzeugen und konforme Anpassungen wahrscheinlicher machen.
Im Kurs Glücklich für immer dient dieser ritualisierte Rahmen daher nicht nur der Wissensvermittlung, sondern auch der emotionalen und sozialen Vorprägung. Teilnehmende lernen, dass bestimmte Abläufe, internen Wortgebrauch und wiederkehrende Interaktionen normal und erwünscht sind.
Gleichzeitig wird subtil vermittelt, dass ihr Verhalten in Übereinstimmung mit den Erwartungen der Gemeinschaft – „Gottes Volk“ – zu stehen hat. Damit bildet der ritualisierte Rahmen im Kurs die Grundlage für das Ankersystem (Kapitel 3.4), in dem Bezugspunkte wie Versammlungen, Predigtdienst, NW-Übersetzung und Taufe emotional verankert werden.
Therapeutische RelevanzFür ehemalige Teilnehmende ist dieser Aspekt entscheidend, wenn sie sich fragen, warum sie während des Kurses kein ungutes Gefühl hatten. Die ritualisierte Struktur vermittelte unbewusst Sicherheit und erleichterte so die Akzeptanz der Inhalte.
Sicherheitsgefühl durch Wiederholung
Die wiederkehrenden Abläufe erzeugten ein Gefühl von Vorhersehbarkeit und Kontrolle. Schon die Gewissheit, was als Nächstes kommt (etwa bei der Vorbereitung auf das wöchentliche „Wachtturm-Studium“) konnte innere Zuversicht schaffen. Dieses Sicherheitsgefühl wurde häufig nicht als psychologische Wirkung der Routine erkannt, sondern dem „wahren Glauben“ zugeschrieben.
Leere und Unsicherheit nach dem Ausstieg
Nach dem Austritt berichten manche ehemalige Zeugen von einem Gefühl innerer Leere oder dem Wunsch, Kontrolle über ihr Leben zu behalten. Hier zeigt sich, dass das zuvor erlebte Sicherheitsgefühl stark an ritualisierte Strukturen gebunden war – selbst wenn diese nicht bewusst als „Rituale“ erkannt wurden.
Gewohnheiten und Selbstfürsorge
Auch alltägliche Gewohnheiten – etwa das Vorbereiten auf die Zusammenkünfte, ein bestimmtes Maß an Hygiene oder das Sich-Schick-Machen „für Jehova“ – hatten einen Identitäts- stabilisierenden Charakter. Nach dem Ausstieg kann der bewusste Umgang mit diesen Gewohnheiten therapeutisch wichtig sein:
- Manche ehemals hilfreiche Routinen (z. B. Selbstfürsorge) sollten als positive Gewohnheiten neu bewertet und beibehalten werden.
- Andere Strukturen, die nur in Abhängigkeit von der Gemeinschaft Sinn ergaben, können bewusst losgelassen oder durch neue, selbstbestimmte Rituale ersetzt werden.
Hinweis: Der Begriff „Ritual“ wird von Zeugen Jehovas selbst negativ besetzt, da er mit „falscher Anbetung“ oder „Spiritismus“ assoziiert wird.
In der therapeutischen Arbeit empfiehlt es sich daher, sensibel mit der Begrifflichkeit umzugehen und alternativ von „Gewohnheiten“ oder „Strukturen“ zu sprechen - oder den Begriff „Ritual“ neu und positiv zu besetzen.
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Und das wäre nur der Rahmen - LG-B.
Quelle?, oder übliche protestantische Polemik?
Und das Zitat aus Mt 11,25 als Begründung anführen, um die eigenen Glaubensinhalten derartig einfach zu formulieren, das es keine geistige Forderung hergibt, ist schwach. In anderen christlichen Kirchen gibt es ja auch unterschiedliche Angebote, die ein unterschiedliches Niveau haben. Das Fehlt bei den Zeugen schlicht bei ihrem Angebot.