Ist Sex zur Fortpflanzung?

9 Antworten

Ursprünglich ja. Für die Fortpflanzung ist Sex auch immer noch notwendig - zumindest, wenn es um den natürlichen Weg der Fortpflanzung geht und wir künstliche Befruchtung usw. außen vor lassen.

Darüber hinaus hat Sex aber auch wesentliche andere Funktionen bekommen und diese sind teils sogar wesentlich bedeutsamer für unsere Spezies geworden als die Fortpflanzung an sich. Tatsache ist ja, dass wir heute größtenteils miteinander schlafen, ohne dabei das Ziel der Fortpflanzung im Sinn zu haben. So haben wir beispielsweise Sex miteinander ganz unabhängig davon, in welcher Zyklusphase sich die Frau gerade befindet. Die meisten Sexualakte in unserer Art geschehen, wenn die Frau gerade keinen Eisprung hat, also gar nicht schwanger werden kann. Wir versuchen durch den Einsatz von Verhütungsmitteln ja oft sogar gezielt, eine Fortpflanzung zu verhindern, was uns aber eben nicht daran hindert, miteinander Sex zu haben.

Wenn wir wissen wollen, welche Funktion Sex heute noch erfüllen könnte, ist es hilfreich, sich einmal ein bisschen genauer das Sexualverhalten unserer engsten Verwandten, der Schimpansen (Pan), anzuschauen und hier insbesondere jenes der Bonobos (Pan paniscus). Dieses weist nämlich eine ganze Reihe an Parallelen zum menschlichen Sexualverhalten auf. Im Gegensatz zu allen anderen Menschenaffenarten paaren Bonobos sich bevorzugt mit einander zugewandten Gesichtern (also in "Missionarsstellung" und nicht, wie alle anderen Arten in der "Hündchenstellung"). Auch gleicheschlechtliches Verhalten kommt bei allen Menschenaffenarten vor, bei Bonobos aber besonders häufig, nämlich genauso häufig wie verschiedengeschlechtliches Verhalten. Bonobos sind sozusagen durch und durch bisexuell veranlagt und auch beim Menschen ist bisexuelles Verhalten sehr weit verbreitet. Eine weitere Parallele zur menschlichen Sexualität ist, dass die Paarung der Bonobos weitgehend von der Fortpflanzung losgelöst ist. So haben Bonobos beispielsweise größtenteils unabhängig von der Brunstschwellung der Bonobofrauen Sex. Als Brunstschwellung bezeichnet man das Anschwellen der Genital- und Analregion bei den weiblichen Tieren, das die Wahrscheinlichkeit des Eisprungs signalisiert. Bei Bonobos erstreckt sich diese Schwellung über einen wesentlich längeren Zeitraum als bei Gewöhnlichen Schimpansen (Pan troglodytes). Dadurch wird der eigentliche Eisprung ein Stück weit verschleiert, man spricht hier auch von einer verdeckten Ovulation. Auch das ist eine Parallele zur humanen Sexualität. Beim Menschen ist der Eisprung so sehr verdeckt, dass sogar die meisten Frauen nicht genau sagen können, wann genau sie ihren Eisprung haben, wenn sie nicht gerade einen Verhütungskalender führen. Insgesamt spielt also auch bei Bonobos die Sexualität noch eine weitere wichtige Rolle als nur die Fortpflanzungsfunktion. Bei Bonobos hat sie sich zu einem wichtigen Mittel der Versöhnungs- und Entspannungspolitik entwickelt. Durch sexuelle Handlungen werden bei Bonobos beispielsweise soziale Spannungen abgebaut, sodass mögliche Konfilkte bereits im Keim erstickt werden (wenngleich Bonobos keineswegs ausschließlich friedlich sind, wie oft behauptet wird. Auch bei Bonobos können heftig die Fetzen fliegen, nach neuesten Studien zwischen Männchen sogar heftiger als bei Gewöhnlichen Schimpansen). Bonobos nutzen Sex auch als Mittel, um sich nach einem entstandenen Konflikt wieder miteinander zu versöhnen. Dabei geht das "Angebot" der Versöhnung interessanterweise häufig sogar von demjenigen Individuum aus, das aus dem Konflikt als Sieger hervorging. Das ist ein Zeichen dafür, dass es sich um ein echtes Versöhnungsangebot handelt und nicht etwa um eine Demutsgeste des unterlegenen Individuums. Bei unseren Vorfahren war, genau wie bei Bonobos, das Überleben des Einzelnen vom Überleben der ganzen Gruppe abhängig. Damit die Gruppe als Ganzes funktionieren konnte, brauchte es auch bei unserer Art Mechanismen, mit denen soziale Spannungen abgebaut werden konnten. Möglicherweise hat bei den Vor- und Frühmenschen genau wie beim Bonobo u. a. Sex diese Funktion erfüllt.

Eine weitere Funktion, die Sex bei unserer Spezies erfüllt, ist die Stärkung der Paarbindung. Beim Sex werden große Mengen des Hormons Oxytocin ausgeschüttet. Es wird landläufig auch das "Kuschelhormon" genannt, denn es ist dafür verantwortlich, dass wir nach dem Sex ein großes Bedürfnis nach Nähe zum Partner haben. Es ist aber gleichzeitig auch ein Hormon, das Eifersuchtsgefühle steigert. Insgesamt trägt seine Ausschüttung also zur Ausbildung einer stabilen, monogamen Paarbindung bei. Weshalb sollte das aber förderlich sein? Schauen wir uns hier nämlich Bonobos und Schimpansen an, gibt es einen fundamentalen Unterschied zum Menschen: beide Spezies haben ein promiskuitives Paarungssystem. Das heißt, sowohl Männchen als auch Weibchen paaren sich mit möglichst vielen anderen Individuen der Gruppe. Weshalb sollte also bei unserer Spezies die Evolution die Etablierung fester Paarbindungen gefördert haben, wenn es doch bei Bonobos und Schimpansen auch anders funktioniert? Die Antwort ist, dass die Nachkommen von Schimpansen und Bonobos viel weiter entwickelt und selbstständiger zur Welt kommen. Die Aufzucht der Jungen ist bei Schimpansen allein Sache der Frauen. Schimpansenmänner sind daran überhaupt nicht beteiligt. Beim Menschen ist das anders. Die Aufzucht menschlicher Nachkommen ist so aufwändig, weil die Nachkommen sehr hilfsbedürftig sind, dass es die Mithilfe beider Elternteile erfordert. Dass wir beim Partner bleiben, ist also sehr wohl förderlich, weil dadurch die Überlebenswahrscheinlichkeit des gemeinsamen Nachwuchses steigt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Ja aber darüber hinaus hat er auch eine soziale Funktion (Bindungshormone….).

Definitiv, ja. Wir haben aber auch die Möglichkeit es aus Lust und Laune zu tun.

Gelegentlich ist er das, ja, ob man das nun möchte oder nicht.

An sich ja aber man kann auch nur zum Spaß bumsen