Die verlorene Liebe
Seit geraumer Zeit ist es her, dass ich das Vergnügen hatte, mit ihr zu sprechen. Doch immer, wenn ich an sie denke, überkommt mich das Gefühl, sie zu vermissen. Ihr kleines, rundes Gesicht, der grazile Mund und ihre Haltung, wenn sie den sperrigen Ordner unter ihrer linken Hand trug und ihn in ihre kleine Tasche quetschen musste, um ihn zu verstauen, sind unvergessliche Bilder in meinem Kopf. Ich erinnere mich an unsere Blicke, an die Wege, die wir gemeinsam gegangen sind, an das Lachen und die Tränen, die wir miteinander geteilt haben.
Obwohl seit Jahren kein Kontakt mehr zwischen uns besteht, spüre ich ihre Präsenz bei mir - sowohl im Wach- als auch im Schlafzustand. Mal bedrückt mich das, mal macht es mich glücklich.
Auch wenn ich weiß, wo sie wohnt, bin ich mir sicher, dass sie mein Gesicht nicht sehen möchte, als hätte ich ihr absichtlich etwas Böses getan. Trotzdem habe ich beschlossen, ihr einen Brief zu schreiben und ihn in ihren Briefkasten zu werfen. Aber was soll ich ihr sagen? Ich habe das Gefühl, dass sie den Text gar nicht lesen würde, sobald sie meinen Namen sieht. Daher entschied ich mich dafür, einen falschen Namen zu verwenden. Ich habe ihren Nachnamen herausgefunden. Ich wollte eine passende Einleitung schreiben und begann den Text voller Entschuldigungen und Schuldgefühle. Am Ende schrieb ich, wie sehr ich sie vermisse und dass sie auf sich aufpassen soll.
Ich faltete das Papier und steckte es in einen roten Briefumschlag, weil Rot die Farbe der Liebe ist. Dann ging ich zur Post und schickte den Brief los.
"Ich möchte diesen Brief an diese Adresse schicken"
"30 Cent"
Voll Aufregung ging ich nach Hause und konnte in dieser Nacht meine Augen nicht schließen. Ich habe die ganze Zeit nur an sie gedacht. Es fühlte sich nicht wie eine verlorene Liebe an, sondern wie ein verlorener Teil von mir.
Am nächsten Tag kommt der Postbote:
"Sind Sie Herr Marcus?"
"Ja", sagte ich aufgeregt und mit neugierigem Blick.
"Dieser Brief ist für Sie!"
Als ich auf den Brief guckte, realisierte ich, dass das mein Brief war. Der Name in der Adresse auf dem Briefumschlag existierte nicht. Ich erkannte, dass sie ihre Wohnung gewechselt hatte.
Also machte ich mich auf die Suche nach ihr. Es dauerte fünf Jahre, bis ich herausfand, wo sie wohnt.
Wieder ging ich zur Poststelle:
"Ich möchte diesen Brief an diese Adresse schicken"
"30 Cent"
Und ging erneut aufgeregt nach Hause. Diesmal war ich noch aufgeregter als zuvor. Ich hatte Angst, dass sie erneut umziehen würde, bevor sie den Brief erhielt.
Jetzt sind drei Jahre vergangen, und ich habe noch keine Antwort von ihr erhalten, obwohl sie meine Nummer und meinen Wohnort kannte.