Sind die Jugendlichen frecher geworden?

Jugendliche werden immer schlimmer 64%
Es war schon immer so 36%

33 Stimmen

16 Antworten

Es war schon immer so

Hallo Jonny940,

ich bin Jahrgang 72 (wie in meinem Namen unschwer zu erkennen ist) und glaube mich zu erinnern - Altersdemenz lässt grüßen - dass sich auch während meiner Jugend ältere Semester beispielsweise darüber beklagten, dass wir uns respekt- und rücksichtslos im Umgang miteinander, mit älteren Menschen und sogar mit sog. "Respektspersonen" zeigten, zu früh/ zu häufig (mit wechselnden Partnern) sexuell aktiv seien, dass wir zu häufig und bis in die Puppen Party machten und "seltsame Substanzen" konsumierten, uns für merkwürdige Musik und fragwürdige Idole begeisterten, uns zu freizügig kleideten, etc. - kommt dir bekannt vor...?!

Ebenso habe ich gerüchteweise vernommen, dass beispielsweise auch schon bei den sog. 68ern ähnliche "Exzesse" zu beobachten waren ("sex, drugs & rock n roll"), was zu dem Spruch führte: "wer sich an damals erinnert, war nicht dabei" 😉.

Allerdings konnten wir und die Generationen vor uns, unsere "Exzesse" und "Experimente" in o.g. Bereichen nicht, wie die Youngster heute, in den sozialen Medien inszenieren - und das mag ein Kritikpunkt sein: die tendenziell "narzisstische" Selbstinszenierungen vieler jüngerer Menschen in den sozialen Medien... Sicherlich haben TikTok und Co aber auch einen nicht zu unterschätzenden "sozialisatorischen" Einfluss, z.B. im Hinblick auf Geschlechterrollen, Geschlechtsidentität, aber auch "politische (Un)Bildung".

Aber alles in allem ist die Klage über die "verkommene Jugend" schon so alt wie die Menschheit - siehe Zitate der anderen gf-User.

Zum Thema mangelnde Erziehung wäre m. M. anzumerken, dass in unserer Gesellschaft eher ein Zuwachs an pädagogischem Wissen oder zumindest ein größeres Interesse am Thema Erziehung zu beobachten ist, das jedoch nicht selten leider zu einer "Über- Konzentration bzw. Fixierung" auf das (einzige) Kind und dessen Wohl führt und - im Verbund mit den alltäglichen Katastrophenmeldungen - zu einer permanenten Verunsicherung der Eltern beiträgt, die sich in dem Bestreben zeigt, den Nachwuchs vor jedwedem Schaden zu schützen: Überprotektion programmiert, Helikopter-Eltern lassen grüßen.

Kleine Anmerkung am Rande: allerdings sollten Eltern begreifen, dass Kinder und Jugendliche eigene Erfahrungen machen müssen, um über sich selbst und die Welt zu lernen, selbst wenn diese Erfahrungen manchmal schmerzhaft sind.

Und ein Denkanstoß zum Schluss: die Jugend ist immer auch ein Spiegel unserer Gesellschaft und ein "Produkt" ihrer Sozialisation: sollte uns Älteren mal zu denken geben, wenn wir z. B. über Werteverfall, etc. klagen!


BennTheMan  18.09.2024, 20:26

👍 - besonders der Teil mit den Helikoptereltern. In meiner Jugend (mid-90s) noch belächelt, aber heute kommt keiner mehr an ihnen vorbei.

Resultat: Unselbstständig und Konfliktunfähigkeit - Snowflakes.

Garnet72  18.09.2024, 20:35
@BennTheMan

Schöne Ergänzung, an die Snowflakes habe ich - nach meinem Post - auch denken müssen 😉, liebe Grüße aus SB nach SB.

WraithGhost  28.09.2024, 00:36

Hallo Garnet,

als eher unwesentlich Älterer (Jg. 65) darf ich Deinem ausführlichen Kommentar wie meist immer voll und ganz zustimmen. Auch wenn ich als wohlbehütetes Einzelkind die meisten jugendlichen "Exzesse" nicht mitgemacht habe und eigentlich auch selbst nicht wollte. Zu "brav" erzogen?! Duckmäuserei? Hörigkeit? Angst vor drakonischen Strafen von den Eltern? Sei dem, wie es sei. Ich war raffiniert genug, dem Helikopter-Dasein ab und zu erfolgreich und ungestraft zu entfliehen. Mit hämischer Freude!

Möchte noch ein bislang unerwähntes Thema konkret ansprechen:

In meiner vorverurteilenden Meinung dachte ich über die heutige Jugend bis vor kurzer Zeit nur Schlechtes - vor allem über unsere ausländischen Mitbürger. Diese Meinung habe ich inzwischen stark revidiert:

Ich lebe in Wien-Favoriten, mit einem Migrantenanteil von offiziell 30% (in Wahrheit werden es wohl sogar an die 50% sein, zumindest in meinem Grätzel). Die Hilfsbereitschaft der Jugend aus diesem Kreis hat mich überaus überrascht. Egal welcher Hautfarbe, Verschleierung oder nicht - mir wird in den öffentlichen Verkehrsmitteln stets ein Sitzplatz angeboten, die Haustüre aufgehalten, etc. Obwohl ich noch nicht so gebrechlich ausschaue, hat mir erst heute ein ca. 10-jähriger Knabe angeboten, mir meine schwere Einkaufstasche nach Hause zu tragen.

Und da soll noch jemand sagen, dass die heutige Jugend verdorben sei und die ältere Generation "links liegen" lässt und verachteten würde.

LG

WraithGhost

Garnet72  28.09.2024, 01:54
@WraithGhost

Hallo WraithGhost,

herzlichen Dank für deine Zustimmung und deine Erfahrungsberichte sowohl über deine nicht allzu exzessive Jugend, als auch über deine verblüffend (?) positiven Begegnungen mit den heutigen "Pubertieren", die sich wider Erwarten als ziemlich handzahm erwiesen haben.

Sehr erfreut festzustellen, dass weder deine Selbstwahrnehmung noch dein Selbstwertgefühl gelitten zu haben scheinen, obwohl der hilfsbereite Jungspund dich anscheinend eher als "gebrechlichen Greis", statt als Mann in den "besten Jahren" wahrgenommen hat 😉.

Ist aber doch immer wieder beruhigend, dass wir - Lernwilligkeit vorausgesetzt - auch im reiferen Alter noch "Lernprozesse" durchlaufen, die unsere Vorurteile durcheinanderwirbeln: das bestärkt mich in der Hoffnung, dass wir im Zuge des Älterwerdens nicht zwingend zu griesgrummeligen Statlers & Waldorfs mutieren 😁.

Mit diesen erfreulichen Aussichten verabschiede ich mich, dir noch ein entspanntes Wochenende, liebe Grüße, Garnet72.

Jugendliche werden immer schlimmer

Mediensucht und fehlende Erziehung. Es geht schon sehr viel früher los....

Aggressive Kinder in der Kita - Neugier genügt - Sendungen - WDR 5 - Radio - WDR


Garnet72  18.09.2024, 19:29

Da sollten wir, als Gesamtgesellschaft, mal kritisch reflektieren, welche Start- und Entwicklungsbedingungen wir unserem Nachwuchs bieten, bevor wir uns über die Ergebnisse, konkret: die "missratene" Jugend beschweren, ne?

Es war schon immer so

Seit sie Menschen angefangen haben zu schreiben, sind Beschwerden über die Jugend überliefert.

Beispiele:

"Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte“ (ca. 3000 v. Chr., Tontafel der Sumerer).
„Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe“ (Keilschrifttext, Chaldäa, um 2000 v. Chr.)
"Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten" (ca. 1000 v. Chr., Babylonische Tontafel).

...

Und so geht es dann 3.000 Jahre lang weiter

Es ist die Wahrnehmung gemacht worden, daß bei der Schuljugend die früher kundgegebene Anständigkeit und das sittliche Benehmen […] mehr und mehr verschwinde“ (Regierungsbericht, 1852)

https://bildungswissenschaftler.de/5000-jahre-kritik-an-jugendlichen-eine-sichere-konstante-in-der-gesellschaft-und-arbeitswelt/


Garnet72  18.09.2024, 18:48

Das sind auch meine Standardzitate in diesem Kontext 🤝, aber du warst eindeutig schneller 😉.

JayCeD  18.09.2024, 18:52
@Garnet72

Das Witzige ist, mit dem Zitat einer dieser Tontafeln hat meine ehemalige Schuldirektorin ihre Rede zu unserer Abschlussfeier eröffnet. Mit einer stilistischen Pause zwischen der Aussage über die Jugend von heute und der Angabe der Quelle. Fand ich damals ziemlich cool von ihr.

Garnet72  18.09.2024, 18:56
@JayCeD

Absolut, da hat sie sich eher als Anwältin "der" Jugend profiliert.

Es war schon immer so

Es haben schon immer die Erwachsene Jugendliche als schlimm empfunden, die die Kinder und Jugendlichen nicht respektieren.

Wer sich über "schlimme Kinder und Jugendliche" beschwert, sollte sich mal fragen, wie er selber mit ihnen umgeht.

Es war schon immer so

ich habe nicht das Gefühl, dass sich heute weniger Gedanken um Erziehung sondern eher zu viel gemacht werden.

Früher mussten Eltern quasi nach Gefühl machen weil es weniger bis kaum Elternratgeber gab. Da gab's auch mal ohrfeigen wenn dem Vater oder der Mutter die Hauptschnur gerissen ist.

Heute geht's ohne Ratgeber fast nicht mehr.

alle sind Hobby Pädagogen und haben immer irgendwo irgendwas gelesen.