Wie wartungsintensiv sind Scheibenbremsen beim Fahrrad?

6 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Es gibt unterschiedlich wartungsfreundliche und "zickige" Scheibenbremsen. Zwei Beispiele:

  • Der Luftspalt zwischen Bremsbelag und Bremsscheibe ist konstruktiv vorgegeben - und bei manchen Modellen eben breiter als bei anderen Modellen. Wenn der Spalt schmal ist, führt ein kleiner Seitenschlag an der Bremsscheibe natürlich eher zu Schleifgeräuschen, als bei einem breiten Spalt. Wer Bremsen mit breitem Luftspalt hat, wird also seltener da sitzen um die Scheibe zu richten.
  • Bei Fehlbedienung (Bremshebel über Kopf betätigt) kann Luft in das Hydrauliksystem kommen und die Kraftübertragung zwischen Bremshebel und Bremskolben funktioniert nicht mehr richtig. Dann muss die Bremse entlüftet werden - bei manchen Modellen macht ein geübter Techniker das in 5 Minuten, bei anderen Modellen ist ein geübter Techniker einen halben Nachmittag am Fluchen.

Dazu gehört auch der Belagswechsel: Bei manchen Modellen sind die Bremsbeläge von oben in den Bremssattel gesteckt, da braucht man das Rad für den Wechsel nicht heraus zu nehmen. Und bei anderen Modellen ist der Belag von unten gesteckt und man muss zwangsweise das Rad herausnehmen, um an die Bremsbeläge zu kommen.

Wenn es gut läuft, kann eine hydraulische Scheibenbremse 10.000 km quasi wartungsfrei laufen, mit Belagswechseln so ca. alle 2000-5000 km (je nach Belag und Fahrbedingungen). Wenn es schlecht läuft, nervt die Bremse alle 2-3 Fahrten mit irgendwas neuem.

und frage mich, ob diese tatsächlich besser sind als Felgenbremsen

Wenn sie fehlerfrei sind, ja. Der größte Vorteil ist, dass die Bremswirkung immer gut ist, egal ob du gerade im Sonnenschein auf Asphalt fährst oder im strömenden Regen durch den dicksten Modder. Bei hydraulischen Scheibenbremsen kommt dazu noch eine deutliche Kraftersparnis an der Hand.

Aber ich würde sagen, dass man bei Scheibenbremsen durch Fehlbedienung relativ schnell Probleme verschlimmern oder verursachen kann. Wenn du an der mechanischen Felgenbremse mal auf Verdacht an einer Schraube gedreht hast und merkst, dass es die falsche war, drehst halt wieder zurück und gut ist. Wenn du an der hydraulischen Scheibenbremse auf Verdacht mal eine unbekannte Schraube gelöst hast, läuft die Bremse im blödesten Fall aus und ist ein Fall für den Profi.

Was Scheibenbremsen überhaupt nicht vertragen, ist Öl/Fett an den Belägen oder an der Scheibe. Schon ein Fingerabdruck kann zu viel sein. Oder wenn man die Kette mit einem Kettenspray behandelt oder zufällig ein paar Tropfen in abprallen und auf die Bremsscheibe fliegen. Ein Bisschen Sorgfalt im Umgang mit Fahrrad und Bremsen ist also notwendig und Scheibenbremsen sind definitiv nichts für Menschen, die bei Wartung/Pflege/Handling überhaupt nicht nachdenken wollen.

Gibt es verschiedene Systeme, worauf sollte man achten?

Ja, es gibt mechanische Scheibenbremsen, die durch einen Bowdenzug betätigt werden, und hydraulische, die eben mit einem Hydrauliksystem (wahlweise Öl oder Bremsflüssigkeit) arbeiten.

Mechanische Scheibenbremsen sind normalerweise nur im Niedrigpreissegment zu finden. Wenn sie einmal eingestellt sind, sind sie in der Regel sehr wartungsarm; dafür haben sie halt nicht die Vorteile, die hydraulische Scheibenbremsen mitbringen. Zum Beispiel muss bei fortschreitendem Verschleiß der Bremsbeläge händisch nachjustiert werden.

Hydraulische Scheibenbremsen sind im mittel- und hochpreisigen Bereich der Normalfall. Der große Vorteil ist, dass eine Verstärkung der Hebelkraft stattfindet - man kann die Räder problemlos nur mit den Zeigefingern zum Stehen bringen und hat entsprechend die anderen Finger zur Verfügung, um den Lenker festzuhalten. Auch sind hydraulische Scheibenbremsen zumeist sehr fein dosierbar, was einem fähigen Fahrer auf schwierigen Untergründen sehr viel mehr Möglichkeiten bietet. Obendrein stellen sich die hydraulischen Bremsen selbstständig nach, wenn die Beläge verschleißen - was aber auch den kleinen Nachteil hat, dass man am Bremshebel nicht merkt, ob man nun einen neuen oder einen verschlissenen Bremsbelag drauf hat ;)

Wenn die Hydraulik ein Problem hat (Klassiker: Luft im System), sollte die Wartung von jemandem gemacht werden, der versteht was er da tut. Totalausfälle analog zum gerissenen Bowdenzug sind allerdings sehr selten.

Oder sollte man vielmehr einfach bei den mehr oder weniger bewährten Felgenbremsen bleiben?

Ehrlich gesagt sehe ich bei Radfahrern, die ihr Fahrrad als möglichst wartungsarmes Schönwetter-Verkehrsmittel betrachten, die Felgenbremsen als bessere Wahl an. Die Vorteile, die eine Scheibenbremse hat, kommen nicht zum Tragen. Es sollten sich nur mehr dieser Radfahrer damit befassen, dass die Felge verschleißt und irgendwann ersetzt werden muss.

Im sportlichen Bereich, wo das Fahrrad möglichst gut funktionieren soll und es normal ist sich auch mal eine Stunde in der heimischen Werkstatt mit dem Fahrrad zu beschäftigen, sehe ich Felgenbremsen hingegen nicht mehr als sinnvolle Alternative an.

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Weil du in den Kommentaren fragst, wie schwer so eine Scheibenbremse im Vergleich zur Felgenbremse ist:

Eine nackte Scheibenbremse im mittleren Preisbereich wiegt ca. 300 g. Dazu kommen ca. 100-150 g je Bremsscheibe und ggf. ein paar Gramm für einen Adapter, wenn man eine größere Scheibe verwenden möchte.

Dagegen wiegt eine Felgenbremse ca. 300 g mit allem.

spelman 
Fragesteller
 04.05.2022, 18:20

Herzlichen Dank für diese überaus umfangreiche Antwort! Ich bin kein betont sportlicher Radler, benutze mein Rad eher für tägliche Wege als Verkehrsmittel und das zumeist auf Radwegen oder Feldwegen. Letzteres aber möglichst nicht bei Matsch. Deine Ausführungen sagen mir eigentlich klar, dass ich bei der Felgenbremse bleiben werde. Ich repariere vieles selbst und mache das auch gern, andererseits soll mein Rad nicht mehr Aufwand verursachen als nötig. Was man an einer Felgenbremse machen kann, weiß ich, da brauche ich keine Werkstatt.

Die angesprochene Gefahr des Felgenverschleißes ist mir bewußt, meine Felgen haben eine Rille als Verschleißanzeiger (vielleicht haben das ja alle Felgen heutzutage, keine Ahnung). Wenn ich mal einen Schlauch oder Bremsbeläge wechsle, schaue ich danach dann auch mal. Ich würde es bemerken, wenn die Felge dünn wird.

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Die Scheibenbremse ist unempfindlicher gegen Matsch. Deshalb sollte sie auch an Fahrrädern montiert sein, mit denen man im Matsch fahren will. Im Schnee sind sie eventuell auch besser, es kann aber auch Probleme mit der Kälte geben.

Die Bremsbeläge lassen sich einfacher wechseln als die Bremsschuhe der Felgenbremsen. Für die ist doch schon einiges an Konzentration erforderlich, dafür sind sie billiger.

Mehr als ein Rad direkt zum Blockieren bringen, kann eine Bremse nicht leisten. Das können auch die Felgenbremsen. Diskutieren könnte man noch die Dosierbarkeit und die benötigten Handkräfte.

Ein hydraulisches System ist nicht so einfach zu warten, wenn es Probleme macht. Die Scheibenbremse verlangt auch ein höheres Maß an Präzision des Rahmens und der Gabel. Ich halte sie für unnötig kompliziert und schwer für die meisten Räder.

Gerade mache ich die Felgenbremsen an einem Cityrad, V-Brakes. Vorn ist ein Modulator zwischen geschaltet, ein Bremskraftverzögerer. Die Bremse ist einfach zu stark.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Erfahrung mit Fahrrädern.
spelman 
Fragesteller
 03.05.2022, 23:23

Danke für die guten Anmerkungen. Du hast Recht, eigentlich ist die Bremskraft der Felgenbremsen ausreichend, und mehr Bremskraft kriegt man nicht auf die Straße. Mit dem Wechsel der Bremsschuhe bin ich vertraut, ist kein Problem.

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Also ich mag hydraulische Scheibenbremsen. Bremst starke und ist gut und recht einfach selbst einzustellen. Generell sind Scheibenbremsen finde ich prima und nicht speziell wartungsbedürftig.

Macht das Rad halt etwas schwerere also normale Felgenbremsen. Auch braucht die Scheibe natürlich etwas Platz am Rad. Aber generell gut.

spelman 
Fragesteller
 03.05.2022, 22:28

Danke! An zusätzliches Gewicht habe ich noch gar nicht gedacht, was denkst Du, wie viel das etwa ausmacht?

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ich bin zufrieden mit den scheibenbremsen. Wenn die bremsbeläge abgenutzt sind kann man die einfach austauschen. Wenn man eine hydraulische hat sollte man die bremse irgendwann mal entlüften (lassen).

spelman 
Fragesteller
 03.05.2022, 22:27

Danke Dir! Was bedeutet "einfach austauschen"? Kannst Du bitte ganz grob beschreiben, wie man das macht? Nur soweit, dass ich eine ungefähre Vorstellung vom Arbeitsaufwand bekomme.

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Omaannemarie  03.05.2022, 23:00
@spelman

Also ich weiß nicht wie aufwändig das bei felgenbremsen ist und wie das funktioniert deshlab hab ich keinen Vergleich

Das dauert echt nicht lange und ist eigentlich nicht schwer, wenn ich das sogar hinbekomme ;)

Man nimmt am besten das rad raus, dann muss man so ein draht aufbiegen und kann dann so ein metall teil an dem die bremsbeläge sind raus nehmen. Dann macht man davon einfach die Bremsbeläge ab und die neuen rein und baut das ganze wieder rein

Schau dor am besten einfach mal ein videl dazu an

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Ich bin mit einfachen Felgenrandbremsen, oder wie auch immer sie heißen, über 70km/h mit dem Rennrad gefahren und hat alles funktioniert, für mich muss da keine Scheibenbremse ran, mir fehlt da das Verständnis.

Und zum Thema Gewicht: Wir fuhren zu dritt auf Fahrrädern, hat alles brav gehalten...

Rechtzeitig bremsen, regelmäßig fahren und es läuft...

spelman 
Fragesteller
 03.05.2022, 22:29

Ja, ich bin ja auch im Zweifel. Nicht immer ist das Neue auch besser.

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jenshiller  04.05.2022, 10:27
@spelman

Es gibt eben tolle Ideen, wie z.B. das Radar, welches dir von hinten anfliegende Autos anzeigt, da werde ich wohl demnächst zugreifen.

Aber eine Scheibenbremse am Fahrrad? Vielleicht sehe ich es anders, wenn ich es mal probiert habe, aber bisher vermisse ich sie nicht, ich habe auch keinen Aschenbecher am Fahrrad.

Sei aufmerksam, es ist deine größte Sicherheitsoption.

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RedPanther  04.05.2022, 16:03
Ich bin mit einfachen Felgenrandbremsen, oder wie auch immer sie heißen, über 70km/h mit dem Rennrad gefahren und hat alles funktioniert, für mich muss da keine Scheibenbremse ran, mir fehlt da das Verständnis.

Beim Rennrad verstehe ich das auch nicht. Scheibenbremsen spielen ihre Vorteile bei Dreck und Nässe aus... Rennräder werden aber i.d.R. nicht durch den Matsch gefahren.

Und zum Thema Gewicht: Wir fuhren zu dritt auf Fahrrädern, hat alles brav gehalten...

Über die gleichen Wege, mit dem gleichen Tempo, als wärst du allein unterwegs?

Dass man eine überforderte Bremse durch vorsichtige Fahrweise kompensieren kann, ist klar... ändert aber nichts daran, dass die Bremse eigentlich überfordert ist ;)

Rechtzeitig bremsen, regelmäßig fahren und es läuft...

Wer später bremst, ist länger schnell ;)

Das mit dem "rechtzeitig bremsen" wird spätestens dann schwierig, wenn unvorhergesehene Situationen eintreten, z.B. dir jemand die Vorfahrt nimmt. Dann entscheiden 2 m Bremsweg hin oder her ggf. darüber, ob du vor dem LKW zum Stehen kommst oder er über dich drüber rollt.

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jenshiller  04.05.2022, 20:25
@RedPanther

Ernsthaft?

Machen wir es kurz, ich sehe für mich keinen Grund, mir eine entsprechende Bremsanlage montieren zu lassen, ganz im Gegenteil.

Danke

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