Wie groß sind die Unterschiede zwischen europäischen und amerikanischen Spanisch?

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Es ist alles viel verflochtener, als man es vermuten könnte. Spanisch stammt ja aus Spanien. Es kam mit Kolumbus im Rahmen der Entdeckung Amerikas in den neuen Kontinent.

Alle diese Reisen und späteren Handelsrouten gingen von Andalusien aus auf die Kanaren, die gerade erobert wurden, und in die Karibik bzw. auch in weitere Gebiete. Das Spanisch aus Andalusien hatte sich so in die Neue Welt verbreitet.

Deshalb hat das lateinamerikanische Spanisch zumindest etwas vom Andalusischen und Kanarischen: es wird nicht zwischen s- und z-Lauten unterschieden: caza wird wie casa ausgesprochen. In der 2. Person Plural wird ustedes statt vosotros verwendet. Soweit die "leichten", dialektfreien andalusischen Merkmale.

Später setzte sich immer mehr der königliche Einfluss aus der Hauptstadt Spaniens durch. Es wurden Vizekönigreiche und Universitäten in Amerika gegründet. Der Kontakt zur spanischen Hauptstadt wurde intensiviert.

Deshalb kann man Lateinamerika grob in zwei Teile teilen: Regionen mit stark andalusischem Einfluss, also die Regionen, die zunächst entdeckt wurden, insbesondere der Karibikraum, aber auch das restliche lateinamerikanische Flachland (Küstengebiete, Inseln, flaches Hinterland). Stark andalusisch bedeutet, dass über die oben beschriebenen leichteren Merkmale Vokale betonter werden, die Sprachmelodie dynamischer ist, Konsonanten wie z. B. ein End-s oder -d geschwächt werden und dadurch Silben "verschluckt" werden, was dazu führt, das Wörter weiter zusammenfallen: pa'llá statt para allá, bailao statt bailado etc.

Die kastilisch beeinflussten Gebiete haben dagegen die schwachen andalusischen Merkmale und klingen ansonsten Hochspanisch: Mexiko, das Hochland Kolumbiens und Zentralamerikas, die Anden allgemein, aber auch Lima, die Hauptstadt des ehemaligen Vizekönigreichs Peru. Dort klingt Spanisch deutlicher und gleichmäßiger. Wie aus Madrid, aber eben mit s statt z und mit ustedes statt vosotros.

Dann gibt es noch eine dritte Region, die zwar von Andalusien aus besiedelt wurde, Jahrhunderte lang aber sehr dünn besiedelt blieb und durch spätere Einwanderungswellen aus Italien, Galicien und Asturien geprägt wurde: Argentinien und Uruguay. Dort klingt Spanisch wieder anders.

Was Videos angeht, will da jeder ein bischen auf Sensation machen. Auch auf Wiki könnte man manchmal lesen, "ein Spanier würde ... darunter verstehen". Das ist natürlich Quatsch. Ein Spanier oder jeglicher Spanischsprecher kennt die verschiedenen Varietäten und ahmen diese bereits im Kindesalter nach. Und Chilenen sprechen im Norden ähnlich wie die Andalusier, Venezolaner klingen wie die Kanaren, Argentinier wie Galicier und Kanaren gemischt, Kubaner wie Andalusier. Jeder auf seine Art und Weise und mit regionalen Einflüssen natürlich, aber die markanten Sachen kommen eben aus den Unterschieden, die bereits in Spanien bestanden und sich auf Amerika übertrugen. Der Rest sind kleinere Details.

Am Ende kann jeder jeden verstehen. Spanische und lateinamerikansiche Filme kommen immer im O-Ton. Musik usw. ebenso. Es gibt viele Coproduktionen, wo jeder gemäß seiner Region redet oder singt. Heute gleicht sich das sogar immer weiter an. Plötzlich klingen alle im Reggaeton wie aus der Karibik, Argentinier auf einmal wie Andalusier etc. Je nachdem, wie man es braucht.

Schwerer ist die Umgangssprache. Denn da geht es ja darum, sich von anderen abzugrenzen und Zusammenhalt mit den Seinen anzuzeigen. Die ändert sich auch ständig und ist je nach Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Region und Jahrzehnt wieder anders. Aber das ist dennoch sehr überschaubar, wenn man mal vor Ort ist.

Die Hauptunterschiede zwischen europäischem und amerikanischem Spanisch liegen in der Aussprache, dem Wortschatz und regionalen Ausdrücken. Zum Beispiel wird das "s" in Spanien oft verschluckt, während es in Lateinamerika deutlicher ausgesprochen wird. Es gibt auch Unterschiede im Wortschatz und in der Grammatik, aber die Grundstrukturen sind ähnlich.