Wie funktioniert das Prinzip der irreduziblen Komplexität?
Kann mir das vielleicht jemand einfach und mit einem Beispiel erklären? Ist das überhaupt ein wissenschaftlich anerkanntes Prinzip?
4 Antworten
Moin,
das ist ein beliebtes Argument von Kreationisten (Anhängern des „intelligent Designs”...), dass es funktionierende Strukturen gibt, die aus mehreren Bauelementen bestehen, von denen keins fehlen darf, weil sonst die Struktur nicht mehr funktioniert.
Der „Klassiker” ist die Geißel (das Flagellum) von Einzellern. Diese Struktur dient der Fortbewegung. Die Geißel besteht aus neun Bauelementen, die alle nötig sind, damit die Geißel als Fortbewegungsmittel dienen kann.
Das Argument ist nun, dass die Komplexität der Geißel so groß ist, dass sie nicht nach und nach aus weniger Bauelementen hätte entstehen können, so dass eine schrittweise evolutive Entstehung aus (primitiveren) Vorstufen nicht möglich war, da ja kein Element fehlen darf, um als Geißel dienen zu können. Die Struktur ist also als Geißel nicht reduzierbar!
Wenn aber eine evolutive Entwicklung nicht möglich war, muss die Geißel von vornherein so dagewesen sein, wie sie es noch heute ist. Und das ist nur möglich, wenn es einen „intelligenten Designer” gegeben hat (die Anhänger solcher Ideen vermeiden gerne den Gebrauch von „Gott” anstelle des „intelligenten Designers”).
Das Argument scheint auf den ersten Blick tatsächlich ziemlich stichhaltig zu sein. Eine funktionierende Struktur aus mehreren Bauteilen, die nicht reduziert werden kann, ohne die Funktion zu verlieren... das erscheint stark!
Was aber dabei übersehen wird, ist die Möglichkeit, dass die Geißel in ihrer heutigen Form zwar der Fortbewegung dient, aber dass das ja nicht zwangsläufig immer so gewesen sein muss!
Vielleicht war ein Vorläufer der heutigen Geißel gar kein Fortbewegungsmittel, sondern eine Struktur zur Kontaktaufnahme mit anderen Zellen?! Vielleicht war es eine Fangvorrichtung?! Oder einfach eine Präadaptation ohne bekannte Funktion?! In all diesen Fällen wäre eine Reduzierung der komplexen und zusammengesetzten Struktur sehr wohl vorstellbar und möglich. Die schrittweise Entwicklung der heutigen Geißel wäre also durchaus denkbar, wobei sich der Einsatz als Fortbewegungsmittel erst ergeben hat, nachdem sie alle neun Bauelemente beisammen hatte. Und dann hat die Funktion als Fortbewegungsmittel einen evolutiven Vorteil ergeben, der sich durchsetzen konnte...
Das Prinzip der nicht-reduzierbaren Komplexität von Strukturen geht oft fälschlicherweise davon aus, dass eine funktionierende Einheit aus verschiedenen Bauelementen immer das war, was sie heute ist. Aber das ist ja nicht gesagt.
Insofern ist dieses Prinzip eher kein anerkanntes wissenschaftliches Werkzeug, sondern ein Pseudoargument gegen die Evolutionstheorie von Anhängern von religiösen Glaubensrichtungen.
LG von der Waterkant
Wer weiß? Vielleicht gar nicht. Sie ließen sich möglicherweise mehr oder weniger treiben. Deshalb könnte es am Ende ja einen evolutiven Vorteil bedeutet haben, aktiv gegen Strömungsverhältnisse anschwimmen zu können...
Darunter ist zu verstehen, dass als Bsp. bei einem Auto, man enorm viel entfernen kann und dennoch, das Auto noch fahren wird.
Das Auto, das kann noch fahren:
Nimmt man aber die Reifen weg, dann kann es nicht mehr fahren.
Ebenso, kann man den Motor nicht entfernen, wenn man will, dass es fährt.
Es gibt also ein Mindestmaß an Teilen die gegeben sein müssen, sodass das Auto fahren kann.
Sobald man aber bei diesem Mindestmaß etwas entfernt, dann funktioniert das ganze nicht mehr.
Das ist die irreduzible Komplexität.
Irreduzible Komplexität meint damit, dass es einen Punkt gibt, welcher nicht unterschritten werden kann, wenn etwas funktionieren soll.
Bei der Evolution ist dem, dass wen man sich vorstellt, dass einst irgend ein Tierchen lebte, was aber keinen Magen hatte, konnte es auch nichts verdauen.
Es hat auch keinen Sinn zu meinen, dass das Tierchen zwar einen Mund hatte, aber keinen Verdauung.
Es war damit, von Anfang an, in der Lage zu essen, zu verdauen und in der Lage, es auszuscheiden.
Wenn nur eines von den drei Angelegenheiten nicht möglich ist, weil es das nicht gibt, dann funktioniert das Tierchen nicht.
Ebenso, hat es keinen Sinn zu glauben, dass ein Tierchen eine Haut hat, aber keine Organe.
Es kann auch nicht funktionieren, wenn es zwar Organe hat, aber keine Haut.
Ein Tierchen, muss also zwingend eine Art von Haut haben, wenn es Organe haben will.
Eine Haut kann aber nicht funktionieren, wenn es keine Organe gibt, die die Haut mit Nährstoffen versorgen.
Es muss also, Haut und Organe gleichzeitig da sein, sodass das überhaupt funktionieren kann.
Irreduzible Komplexität verweist somit daraf, dass alles ein Mindestmaß an Komplexität zwingend nötig hat, wenn es funktionieren will.
Alles was unter der Komplexität ist, kann nicht funktionieren.

Ist das überhaupt ein Prinzip? Ich verstehe ChatGPT so, dass es darum geht, die Evolutionstheorie zu widerlegen, weil es in der Natur Phänomene gibt, bei denen Zwischenschritte nicht möglich sein sollten, wohingegen die Evolutionstheorie besagt, dass alles schrittweise gewachsen ist.
Man geht davon aus, dass Mutationen nichts Komplexes direkt hervorbringen können. Wenn man hingegen nur einen winzigen Teil aus dem Komplexen entfernen würde, würde das ganze geschlossene System nicht mehr funktionieren. Das heißt, eine (/alle) Zwischenstufe wäre zu nichts zu gebrauchen. Sie brächte keinen Vorteil. Sie sorgten nicht dafür, dass sie sich besser durchsetzen können. Die Zwischenstufe "wüsste" nichts von dem sinnvollen Ergebnis, welches später einmal entstehen würde.
Ist das überhaupt ein wissenschaftlich anerkanntes Prinzip?
Nein. Das ist lediglich ein beliebter Taschenspielertrick der Kreationisten, mit dem sie "beweisen" wollen, dass Evolution nicht möglich wäre. Das Prinzip besagt, dass bestimmte Strukturen (gerne wird das Linsenauge als Beispiel genannt) nicht auf ihre Einzelteile reduziert werden könnten, weil sie nur als Ganzes funktionierten, evolutionäre Zwischenformen wären nicht möglich. Ähnlich wie etwa eine Uhr nur funktioniert, wenn jedes Zahnrad an seinem exakt richtigen Platz sitzt. Die Kreationisten schlussfolgern daraus, dass ähnlich wie die Uhr, die von einem intelligenten Schöpfer, nämlich dem Uhrmacher, erschaffen wird, auch das Leben nur von einem intelligenten Schöpfer erschaffen worden sein könnte und Evolution nicht existierte. Das Prinzip wird daher oft auch "Uhrmacher-Argument" genannt.
Tatsächlich ist an dem "Argument" nichts dran. Evolutionäre Zwischenformen existierten und existieren sehr wohl und sind auch "funktionstüchtig". Wir können die Zwischenformen durch fossile Brückenorganismen eindeutig belegen (berühmtestes Beispiel ist der Urvogel (Archaeopteryx), der sowohl ursprüngliche "Reptilien"-Merkmale wie etwa Zähne, Krallen und knöchernen Schwanz als auch abgeleitete Vogel-Merkmale wie Federn, ein Gabelbein und teilweise verschmolzene Fußmittelknochen besaß.
Auch rezente (heute lebende) Brückenorganismen gibt es. Die Kloakentiere (Monotremata) beispielsweise haben sowohl ursprüngliche "Reptilien"-Merkmale wie ein Rabenschnabelbein als auch abgeleitete Säugetier-Merkmale wie Milchdrüsen, Fell und sekundäres Kiefergelenk. Sie sind lebende Fossilien, die das Uhrmacher-Argument ebenfalls glasklar widerlegen.
Auch morphologische Stufenreihen, also der Vergleich der Anatomie und Morphologie unterschiedlicher heute lebender Organismengruppen, widerlegen das Prinzip der irreduziblen Komplexität eindeutig. So finden wir beispielsweise unter den Weichtieren (Mollusca) alle möglichen Zwischenstufen unterschiedlich komplexer Augenentwicklungen: einfache Augengruben, Becheraugen und auch unterschiedlich weit entwickelte Linsenaugen.
Vielen Dank für die Erklärung! Die Frage die sich für mich sofort aufwirft: Wie konnten sich Einzeller denn ohne die Geißel fortbewegen?