Wie fandet ihr das gegliederte Schulsystem in Deutschland früher?
Ich (Abitur 2014, Gesamtschule) kann aus eigener Erfahrung sagen, dass die Integrierte Gesamtschule (IGS) früher eher ein Ort der sozialen Probleme war als ein Ort des Lernens. Ich habe den Eindruck, dass das gegliederte Schulsystem eher dazu dienen sollte, dass die Akademikerkinder nicht mit den Arbeiterkinder (bin ein Arbeiterkind) gemeinsam lernen. Ich erinnere mich auch wie die Akademiker/Akademikerkinder sich vor 20 Jahren über Hauptschüler lustig machten. Aus meiner Grundschulklasse sind (2005) alle Akademikerkinder aufs Gymnasium gekommen aber kein einziges Arbeiterkind.
Chancengleichheit? Von wegen.
Gab ja auch damals schon auf dem Gymnasium jede Menge Akademikerkinder die sich nicht anstrengten. Die waren da nur, weil ihre Eltern dafür sorgten. Die schickten ihr Kind auch aufs Gymnasium, obwohl es nicht die Empfehlung dafür hatte.
Wie denkt ihr darüber?
17 Stimmen
10 Antworten
Ein Ort der sozialen Probleme ist der ideale Ort zum Lernen. Zwar nicht, um lateinische Vokabeln und Grammatik sowie Integralrechnung zu lernen, aber dort kann man seine Persönlichkeit in der Auseinandersetzung mit Mitmenschen lernen und einüben, die einen anderen als den eigenen Lebenshintergrund haben.
Wenn wir uns nur mit Personen unterhalten, die ähnliche Erfahrungen und Einstellungen/Haltungen mitbringen, können wir uns nicht weiterentwickeln.
Die Auseinandersetzung mit dem "Fremden" lässt uns reifen und fit für ein Leben in einer bunten Gesellschaft werden.
UND Du bist ein gutes Beispiel dafür, dass sich Vokabeln und Stochastik dort auch noch lernen lassen.
War bei uns auch so ähnlich, Arztkinder, die Kinder von Geschäftsleute, Lehrerkinder bekammen alle die Empfehlung fürs Gymnasium oder Realschule und wir der Rest waren als Bauerntrampel abgestempelt und durften uns für Handwerkerkarrieren bewerben, nur hatte damals das Handwerk goldenen Boden, heute ist es ja schon so das ein Friseur Azubi oder ein Koch zumindest Realschule besser wäre es abitur haben sollen, frage mich nur wo da noch die bleiben sollen die "nur" einen Hauptschulabschluss haben.
Chancengleichheit? Von wegen.
Gab ja auch damals schon auf dem Gymnasium jede Menge Akademikerkinder die sich nicht anstrengten. Die waren da nur, weil ihre Eltern dafür sorgten. Die schickten ihr Kind auch aufs Gymnasium, obwohl es nicht die Empfehlung dafür hatte.
Wie denkt ihr darüber?
Da gebe ich dir vollkommen recht, aber genau da ist "das System" machtlos, weil es Eltern nicht verbieten darf, ihren Kindern die Zukunft zu verbauen. Solange Arbeiter-, Bürgergeld- und Migrationshintergrundeltern ihre Kinder nicht aufs Gymnasium schicken, bleibt der Akademikernachwuchs dort unter sich.
Die Hauptschule war gedacht für zukünftige Handwerker, die Realschulen (mit Handelsschule) für Kauffleute und Verwaltung und das Gymnasium sollte aufs Studium vorbereiten. Solange sich alle daran hielten war auch alles gut. Für Lernbehinderte gab es eine Spezialschule und gut.
Doch irgendwann glaubten alle ohne Abitur, gäbe es keine Zukunft und drehten das System ad absurdum.
Hauptschule war auch ein Schutzraum. Hier kam nicht ständig einer an und verlangte, noch eine Schüppe aufzulegen, auch wenn da nix mehr war. Man gab sich viel Mühe und wurde auch dafür mal gelobt. Was macht das mit einem Menschen, wenn man nie genug ist?
Das war eine klare Regelung und ich fand das auch ok.
wer lernen wollte, konnte im damaligen Gymnasium mehr und schneller lernen. Ja, Akademikerkinder waren überrepräsentiert - aber keinesfalls unter sich. Die Chancenungleichheit bestand vor allem darin, dass Akademikerkinder bei Unklarheiten zu Hause nachfragen konnten, und Kinder reicher Eltern Nachhilfeunterricht bekamen.
Den Weg, die Anforderungen ans Abi zu senken, finde ich aus wissenschaftlicher Sicht gar nicht gut. Aber den Politikern stand der Sinn auch weniger nach Chancengleichheit (die gäbe es ohnehin nur bei elternunabhängiger Kindererziehung) und mehr nach Deckung des Bedarfs an besser ausgebildeten Arbeitskräften.