Was haltet ihr von Wölfen bei uns?

10 Antworten

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Hier auch gerne noch einmal für Dich:

  

Ich verstehe dass es nicht schön ist wenn einem die Tiere gerissen werden aber dann muss man eben Schutzvorkehrungen treffen. In anderen, sogar ärmeren Ländern klappts ja auch.

In diesen "anderen Ländern" wird er auch einfach erschossen, wenn er sich zu dicht heranwagt.

Hierzulande passiert das nicht. Also verliert er die Scheu vor dem Menschen und dessen Behausungen, Nutztierhaltungen etc. immer mehr.

Und wir können auch nicht die komplette Landschaft mit mehreren Meter hohen und in die Erde eingelassenen Zäunen in kleine Stücke zerschneiden, da sich dann auch alles andere Wild nicht mehr bewegen kann. Das führt zu großen Problemen bei allen anderen Wildtieren. Sollen die Alle unter dieser einen Maßnahme für dieses eine Tier leiden müssen? Wäre nicht sehr tierlieb…

Wir sind bei der Wiederbesiedelung Deutschlands durch den Wolf inzwischen schon lange in bestimmten Regionen an einem Punkt angelangt an dem es nicht mehr darum geht ihn vor dem Aussterben zu bewahren.

Also werden wir jetzt über kurz oder lang in den nächsten Schritt übergehen müssen. Das Management der Population, wie bei jedem anderen Wild auch. Dazu gehört auch die Bestandsregelung.

Auch wenn das hier einige mit „Scheuklappen-Sichtweise“ nicht wahrhaben wollen, weil es in ihrer Welt nur „Schwarz und Weiss“ („Ausrotten“ oder „alle Wölfe machen lassen“) gibt. Dem ist aber ja nicht so.

Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Denn weder funktioniert auf Dauer ein "alle Wölfe einfach so machen lassen" noch macht es Sinn "einfach so alle zu erlegen".

Der Wolf muss erst wieder lernen, das ihm auch hier von Menschen aktiv Gefahr droht, damit er sich vom Menschen selber und seinem Nutzvieh fern hält.

Das erreicht man nicht, indem man tatenlos zusieht und nichts macht.

Denn der Wolf ist ein schlaues Tier. Er lernt dazu und gibt dieses Wissen an seine Nachkommen weiter die sich das Verhalten abschauen und es dann, wenn sie die Eltern verlassen und eigene Rudel gründen, dieses Wissen auch in die Welt hinaus weitertragen.

Das heisst, das sich das Verhalten des Wolfes auch durch unser eigenes Verhalten (und wie viel Angst wird dem Wolf machen) verändert. Denn unser Verhalten dem Wolf gegenüber wird vom Wolf sehr wohl erkannt und er richtet sich darauf ein. Wenn er merkt, das wir ihm nichts tun, dann wird er immer mehr die Scheu verlieren und die Wahrscheinlichkeit von Konfrontationen wird immer mehr ansteigen.

Früher wurde er vom Menschen aktiv gejagt, verletzt, getötet. Das Miterleben solcher Situationen hat dem Wolf klar gemacht, das er den Menschen und seine Behausungen, seine Tierhaltung etc. meiden muss.

Heute findet das nicht mehr statt. Der Wolf merkt, das ihm vom Menschen außer "gescheucht zu werden" nichts Ernsthaftes mehr droht. Er läuft ein paar Meter weg, schaut sich um und merkt "mehr passiert hier nicht".

Das ist nicht nur für uns selber irgendwann gefährlich, weil er den Respekt vor dem Menschen verliert sondern führt mittelfristig auch zu immer mehr Problemen, da er sich auch in die unmittelbare Näher der Menschen, deren Behausungen, ihrer Nutz- und Haustiere, Straßen etc. begibt. 

Und dass das keine bloße "Spinnerei" ist sondern bereits jetzt ganz real passiert, das kann man hier zum Beispiel sehen, wo ein Wolfsrudel bereits dazugelernt hat und den Menschen offen konfrontiert um ihm das erlegte Wild abspenstig zu machen. Oder in dem anderen Beispiel vor ein paar Monaten wo er seelenruhig 8 km durch eine Großstadt spaziert oder an dem Wolf der den Schafhirten in den Niederlanden vor ein paar Tagen angegriffen hat.

Hier noch eine interessante Prognose wie es weitergehen wird, wenn wir „gar nichts“ machen: Wissenschaftler warnt: Wölfe töten Menschen

  

Außerdem gibt es ja auch Wildschweine in unseren Wäldern, die meiner Meinung nach sogar „angriffslustiger“ sind als Wölfe.

Mal abgesehen davon, dass das so nicht stimmt (die sind gar nicht wirklich angriffslustig): Das ist Whataboutism.

Nur "weil es ja auch … gibt" ändert das nichts am Wolf. Dadurch wird der Wolf weder besser noch schlechter. Das ist also irrelevant, keinerlei Begründung für oder gegen den Wolf und somit kein Argument.

    

Außerdem sind sie so wichtig für den Wald, da sie an der Nahrungsspitze stehen.

Das ist, so pauschal, nicht richtig. Sie haben in bestimmten Situationen einen Nutzen für den Wald.

Aber Jäger denken ja dass es ihre Aufgabe wäre. 

Was die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Jäger sind, das denken sich die Jäger nicht aus, das ist eine Sache die ihnen vom Gesetzgeber so vorgeschrieben wird.

Die Jäger haben derzeit mit dem Wolf gar nichts zu tun, da er nicht gejagt wird.

Und an den Aufgaben und Pflichten der Jäger ändert sich auch durch den Wolf nichts.

Der Wolf hegt das Wild nicht und hält sich auch nicht an die Vorgaben wie viele Exemplare von welchem Wild erlegt werden müssen um die Population passend zur jeweiligen Kulturlandschaft in der die Tiere leben (wir haben keine unberührte Natur mehr, deren Entwicklung uns "egal" ist) im Gleichgewicht zu halten. 

Und es ist die Pflicht des Jägers genau das zu tun, siehe §1 Bundesjagdgesetz. Und das ersetzt der Wolf nicht.

Im Gegenteil:

Wenn es irgendwann eine bestimmte Menge Wölfe in DE gibt, dann wird man sich Gedanken darüber machen müssen, die Wölfe ebenfalls in ihrer Population zu regeln, was dann eher auf zusätzliche Arbeit für die Jäger hinauslaufen wird.

  

Der Wolf war hier heimisch und wurde von den Mensch getötet und vertrieben

Dieses "hier" war damals aber ein Anderes als heute.

  • Damals haben vielleicht 8 Millionen Menschen in DE gelebt und es gab noch Stellen mit unberührter Natur in der ein Wolf abseits vom Menschen leben konnte und wo es für den Menschen egal war, weil es keine Berührungspunkte gab.
  • Heute ist DE komplett genutzte Kulturlandschaft die nicht mehr den natürlichen Regeln unterliegt (=wo man die Natur "einfach alleine machen lässt"). Diese Kulturlandschaft brauchen wir Menschen aber um zu leben. Die gibt es, weil auch Du essen willst, ein Dach über dem Kopf hast etc. Und heute leben hier 80 Millionen weitere Menschen. Da gibt es keine Plätze mehr wo der Wolf "abseits des Menschen ohne Berührung mit ihm zu haben" auf Dauer leben kann.

Fazit

Wenn es eine einfache, für alle gangbare Lösung gäbe, dann hätte man die schon lange gewählt. Gibt es aber leider nicht. Also wird man weiter versuchen, da einen Kompromiss zu finden.

Das heisst aber auch, das man in den Wolfsbestand regulierend eingreift. Und das man ihm regelmäßig zeigt, das wir als Menschen für ihn gefährlich sind, so dass er den Respekt vor uns, unseren Behausungen und unseren Nutztierbeständen nicht verliert und sie lieber meidet, weil er weiss das es sonst "knallt".

Und es ist ja nicht so, als ob dadurch der Wolf hier wieder ausgerottet würde. Wir haben inzwischen in Teilen Deutschlands die höchste Wolfsdichte ganz Europas!

Um das aber noch einmal klar zu stellen: Ich bin nicht für die "Ausrottung" des Wolfes (was einem ja gerne pauschal unterstellt wird, wenn man das Thema auch etwas kritisch sieht).

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin Jäger
crasytyp  17.12.2023, 01:50

Natürlich stellst du den Wolf in Sachen Jagtmuster und Vorliebe als ziemlich dumm dar, da du selbst Jäger bist.

Fakt ist aber, dass auch der Wolf nicht blöd ist, weshalb er sich die leichteste Beute aussucht. Sobald es von dieser Beute weniger gibt, ist sie nicht mehr die Leichteste und er sucht sich eine neue Beute. Er wird nicht eine einzige Tierart jagen, bis sie ausgestorben ist (es seie denn, sie bleibt für zulange Zeit die leichteste Beute).

Außerdem wird sich der Wolf innerhalb der Tierart, die er jagt Exemplare aussuchen, die nicht schnell laufen können (alt oder krank) oder sich schlechter zur Wehr setzen können (kein bzw. kleineres Geweih, keine Hauer, kleine Körpergröße). Der Wolf sorgt also auch dafür, dass es keine kranken Tiere im Wald gibt.

Vielleicht wird der Wolf nicht genau die Zahl von jeder Tierart töten, wie es das Gesetz den Jägern vorschreibt, sondern sie im einen Jahr überschreiten und im nächsten unterschreiten, jedoch wird auch er die Bestandzahlen stabil halten.

Sobald wir den Wolf davon überzeugt haben, nicht mehr unsere Hoftiere zu fressen (sei es meinet wegen durch das gezielt Erschießen einiger Exemplare), sondern eher Rehe, Hasen und Wildschwein, und sobald deren Bestand in einem Gebiet gering ist, wird auch die Zahl der Wölfe in diesem Gebiet sinken.

Ich habe nichts dagegen, wenn hin und wieder auf einen Wolf oder Fuchs geschossen wird oder mit Platzpatronenen erschreckt wird, um zu zeigen, wer die wahre Spitze der Nahrungskette ist und in wessen Revier (Grundstück) man sich nicht aufhalten sollte. Jedoch wäre es hier wahrscheinlich voll, wenn man die Wölfe am Ortsrand erschießt und nicht gut getarnt in der Mitte des Waldes, da er sonst zwar weiß, dass es ein noch gefährliches Tier gibt, aber nicht wie es aussieht und wo es lebt.

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Waldmensch70  17.12.2023, 21:17
@crasytyp
Natürlich stellst du den Wolf in Sachen Jagtmuster und Vorliebe als ziemlich dumm dar,

Leseschwäche? Ich habe in meiner Antwort genau das Gegenteil geschrieben.

da du selbst Jäger bist.

Und damit willst Du was genau unterstellen?

Fakt ist aber, dass auch der Wolf nicht blöd ist, weshalb er sich die leichteste Beute aussucht. Sobald es von dieser Beute weniger gibt, ist sie nicht mehr die Leichteste und er sucht sich eine neue Beute. Er wird nicht eine einzige Tierart jagen, bis sie ausgestorben ist (es seie denn, sie bleibt für zulange Zeit die leichteste Beute).

Diese Logik hinkt.

Auch wenn ein Tier an der Stelle sehr selten ist wird er es trotzdem "mitnehmen", wenn er es zufällig antrifft und erbeuten kann.

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crasytyp  22.12.2023, 20:45
@Waldmensch70

Die erste Kritik an Wölfen, die ich bereits beim Einwanderen der ersten Wolfes in Süddeutschland gehört habe, kamen von Jägern. Die Kommunen hingegen, haben Werbung damit gemacht, dass es nun auch bei uns Wölfe gibt.

Mein Eindruck war also, dass die Jäger Angst haben, nicht mehr soviele Rehe, Hirsche, Wildschweine etc. schießen zu dürfen, weil die Natur das nun (teilweise) selbst regelt. Dadurch würden sie nämlich eine effektive Nebeneinkommensquelle und ein Hobby verlieren.

Das mit der einfachsten Beute war viel etwas falsch ausgedrückt: Wenn es in Deutschland beispielsweise momentan eine außergewöhnliche Zahl an Rehen gäbe, würde die Wahrscheinlichkeit, dass dem Wolf ein Reh begegnet höher sein als bei den meisten anderen Tieren im Wald, zudem sind Rehe kleiner und haben ein kleineres Geweih als andere Hirsche. Daher wird der Wolf in diesem Jahr viel jagt auf Rehe machen. Dadurch, dass die Zahl der Rehe zurück geht, könnte wiederum die der Rothirsche steigen. Daher wird der Wolf sich im nächsten Jahr mehr auf Rothirsche konzentrieren, da diese zwar größer sind, die wahrscheinlich ihnen zu begegnen, jedoch nun höher ist als beim Reh.

Natürlich wird der Wolf auch kein Exemplar einer anderen Tierart auslassen, wenn es ihm zufällig begegnet und einfacher zu fangen ist. Er wird aber dennoch so klug zu sein, dass er abschätzen kann, welches Tier in Fluchtverhalten, Größe und Anzahl wohl am sinnvollsten zu suchen und zu jagen ist.

Momentan sind für den Wolf unsere Hoftiere die einfachste Beute. Würden wir sie ihm jedoch wegnehmen (sie im Stall einsperren), dann macht er sich vielleicht etwas mehr Mühe und jagt einen Hasen oder ein Reh.

Da die leichteste Beute, wie du gesagt hast, nicht unbedingt eine einzelne Tierart ist, sondern jedes alte oder kranke Tier sein kann, räumt der Wolf den Wald auf und macht Platz für junge Beutetiere. Vorallem kann er auch bei Krankheiten wie der Schweinepest, aber auch bei Tieren, die der Jäger nicht töten konnte hilfreich sein, da diese Tiere die leichte Beute darstellen und er es wittern kann. Diese Tiere wird er dann töten, wie es auch der Jäger tun wollte und somit das Risiko einer Übertragung geringern. Vorallem, wenn es ganze Rudel gibt, wird die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie diese Tiere finden und fast vollständig auffressen. Den Rest werden dann Füchse und Krähen fresse.

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Waldmensch70  23.12.2023, 08:30
@crasytyp
Mein Eindruck war also, dass die Jäger Angst haben, nicht mehr soviele Rehe, Hirsche, Wildschweine etc. schießen zu dürfen, weil die Natur das nun (teilweise) selbst regelt. 

Das ist Unsinn, da die Jäger z.B. beim Schwarzwild ohnehin nicht nachkommen. Wenn der Jäger es auch jetzt schon nicht schafft mehr zu erlegen, dann spielt es doch keine Rolle ob von der Menge die übrig bleibt ein paar vom Wolf geholt werden.

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Der Wolf ist ein einheimisches Tier und gehört zum funktionierenden Ökosystem dazu. Wie sich die Anwesenheit des Wolfs positiv auf das Ökosystem auswirken kann, demonstriert der Yellowstone National Park, USA. Nachdem der Park jahrzehntelang wolfsfrei war, hatte man im Park mit massiven Problemen zu kämpfen, weil die Wapitis, die Hauptbeutetiere des Wolfs, sich stark vermehrten. Das führte zu extrem hohen Verbissschäden. Krankheiten breiteten sich leicht aus, was zu regelmäßigen starken Populationseinbrüchen der Wapitis führte. Und auch der Gabelbock verschwand, weil durch die Abwesenheit des Wolfs kleinere Raubtiere wie Kojoten sich vermehrten. Inzwischen hat die Auswilderung von Wölfen dazu geführt, dass die Zahl der Wapitis ein stabiles Maß angenommen hat. Die Zahl der Verbissschäden ging zurück, vielerorts ist bereits ein junger Wald nachgewachsen. Eine Studie belegt sogar, dass der Wolf den Yellowstone National Park resistenter gegen den Klimawandel gemacht hat.

Der Verbiss am Wald ist auch hierzulande ein Problem. Insbesondere, weil riesengroße Forstflächen in den vergangenen Jahren aufgrund des Klimawandels und der massenhaften Ausbreitung des Borkenkäfers abgestorben sind. Ich bin mir sicher, dass Wölfe sich auch hierzulande aufs Ökosystem positiv auswirken und zu einer Reduktion von Wildverbiss beitragen. Es ist ja nicht nur so, dass Wölfe den Bestand von Rehen und Hirschen reduzieren. Das Wild ändert in Wolfshabitaten auch sein Verhalten, indem es häufiger den Standort wechselt. Auchdas reduziert den Wildverbiss.

Klar ist auch, dass der Wolf in der ganzen EU geschützt ist und dass die Bestandsentwicklung des Wolfs in Deutschland zwar erfreulich ist, aber noch längst nicht alle prinzipiell nutzbaren Habitate besiedelt wurden. Noch immer nicht ist die Wolfspopulation so groß, dass sie nicht gefährdet wäre. Dass der Wolfsbestand regional zu stark ansteigen würde, wie einige argumentieren, stimmt auch nicht. Denn Wölfe wandern mit Erreichen der Geschlechtsreife ab, um eigene Rudel zu gründen.

Es ist natürlich richtig, dass der Wolf es Schafhaltern nicht leichter macht. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass viele von den Ländern bereitgestellte Finanzhilfen gar nicht abgerufen werden. Und von den allermeisten Wölfen geht keine besonders erhöhte Gefahr aus. In Thüringen beispielsweise wird aktuell nicht ein einziger Wolf als "Problemwolf" geführt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
Pomophilus  17.11.2023, 18:19

Viel Zustimmung, danke!

In einem Punkt liege ich vielleicht etwas anders: ich sehe einen großen Unterschied bezüglich der Regulation von wildlebenden Huftieren durch den Wolf zwischen Yellowstone und Deutschland: wir leben hier in einer Kulturlandschaft, in der der Mensch den überwiegenden Teil der Landschaft gerodet hat und aktiv offenhält. Damit ist die verfügbare Nahrung am Boden für die Huftiere um ein Vielfaches angestiegen, damit hat sich auch die Biotopkapazität drastisch erhöht. Ein Beutegreifer wie der Wolf wird immer nur bewirken, dass die Populationsgröße der Huftiere auf dem Niveau der neuen Biotopkapazität bleibt (wenn auch mit weniger drastischen Schwankungen als ohne ihn) aber dieser Wert ist viel zu hoch für den kümmerlichen Rest an Wald, den es noch gibt. Der Wolf alleine wird die Schalenwildbestände bei uns also nicht auf ein waldverträgliches Maß absenken können. Es wird weiterhin ihre Bejagung brauchen, der Wolf kann dabei aber unterstützend wirken.

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Darwinist  18.11.2023, 11:09
@Pomophilus
Deutschland: wir leben hier in einer Kulturlandschaft, in der der Mensch den überwiegenden Teil der Landschaft gerodet hat und aktiv offenhält.

Knapp ein Drittel der Fläche Deutschlands ist bewaldet. 2022 waren es laut statistischem Bundesamt 29.9 %, etwas mehr als 2016 (29.7 %).

Damit ist die verfügbare Nahrung am Boden für die Huftiere um ein Vielfaches angestiegen, damit hat sich auch die Biotopkapazität drastisch erhöht.

Aber das Nahrungsangebot schwankt saisonal. Sobald die Felder abgeerntet sind, finden große Huftiere wie Rehe oder Hirsche in der offenen Kulturlandschaft kaum noch Nahrung und genau deshalb zieht es sie dann in die Wälder, wo es zum Verbiss kommt. Rehe sind eigentlich keine Waldtiere, sondern typischerweise Bewohner von offeneren Landschaften wie Waldrändern und Lichtungen und gehen in den Wald, weil sie außerhalb nichts Fressbares mehr finden.

Der Wolf alleine wird die Schalenwildbestände bei uns also nicht auf ein waldverträgliches Maß absenken können.

Das vermag die Jagd aber auch nicht. Wie Versuche z. B. in Baden-Württemberg zeigen, hat Jagd auf die Regulation von Rehen keinen spürbaren Einfluss. Vielmehr regulieren sich die Bestände durch das Nahrungsangebot und Zu- bzw. Abwanderung, also hauptsächlich bottom up.

Die Anwesenheit von natürlichen Räubern wirkt sich aber auch durch nicht-letale Effekte auf die Beutetiere aus, z. B. durch Verhaltensänderung. Fred Kurt hat in der Schweiz dazu Untersuchungen gemacht und festgestellt, dass Rehe dort, wo wieder Wölfe und Luchse heimisch wurden, Rehe wesentlich häufiger den Standort wechselten. Sie waren weniger ortstreu, was weniger Verbiss zur Folge hat. Zudem ist die Anwesenheit von natürlichen Beutegreifern ein Stressfaktor, der sich auf die Reproduktionsrate auswirken kann - nur steckt die Erforschung dieser nicht-tödlichen Einflussfaktoren bisher noch in den Kinderschuhen.

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crasytyp  17.12.2023, 02:24
@Pomophilus

Wo es viel Beute gibt, da gibt es auch viele Raubtiere. Soll heißen, wenn es in einem Gebiet genug Rehe für 10 Wolfsrudel hat, dann werden sich dort wahrscheinlich auch 9-10 Rudel ansiedeln. Wenn der Bestand der Rehe sinkt, dann wird ein Teil der Rudel weiter ziehen und es gibt nur noch 5 Wolfsrudel in diesem Gebiet.

Wenn du eine Stelle in einer Firma hast und dir wegen zu niedrigem Umsatz gekündigt wird, dann wirst du wahrscheinlich an einen Ort ziehen, wo es viele Stellenangebote gibt, weil die Firma sich mehr Mitarbeiter leisten kann. Dort wirst du wahrscheinlich solange bleiben, bis auch diese Firma dich wegen geringem Umsatz kündigt, und dir dann wieder eine neue Stelle suchen.

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Pomophilus  17.12.2023, 15:33
@Darwinist

Tut mir leid, ich habe gerade erst, nach dem erneuten Kommentar eines anderen Users den einen Monat alten von dir wahrgenommen!

Die Schlüsse, die du aus dem von dir verlinkten Artikel ziehst, vermag ich nicht daraus zu ziehen. Natürlich wird die Aussage getroffen, dass:

Der Versuch zeigte, daß bei einer zurückhaltenden Bejagung vor allem auch der weiblichen Stücke, ein Rehwildbestand nicht durch Bejagung begrenzt wird, sondern sich selbst reguliert.

Das Schlüsselwort ist hier ja die "zurückhaltende Bejagung", die im Verlauf des Versuches ja wohl auch nicht variiert wurde, um ihren Einfluss messen zu können. So können die Autoren auch nur unbelegt vermuten, dass:

Eine Optimierung der jagdlichen Nutzung, wie auch die Verminderung der Verbißbelastung lassen sich nur erreichen, wenn der Rehwildbestand unterhalb der Biotopkapazität gehalten wird. Dies setzt einen jagdlichen Eingriff in ausreichender Höhe voraus.

Aber das ist ja genau meine Rede: die Jagd muss so durchgeführt werden, dass der Bestand unterhalb der durch das Nahrungsangebot vorgegebenen Biotopkapazität bleibt! Und dieses Äsungsangebot ist eben bei uns deutlich erhöht, ja, saisonal unterschiedlich, was die Situation aber eher noch verschärft! Jedenfalls kann die Jagd so durchgeführt werden, während man einen Beutegreifer niemals dazu wird dressieren können, seine Beute unter die Biotopkapazität zu bringen. Nur darf sie eben nicht zu "zurückhaltend" durchgeführt werden, die Jagd! Hier meine ich auch ziemlich viel Zeitgeist zu erkennen in der Untersuchung, die mittlerweile ja auch um die dreißig Jahre zurückliegt.

Die Untersuchungen von Fred Kurt kenne ich nicht. Ich meine, sicher wird sich die Anwesenheit eines Beutegreifers wie des Wolfes positiv auswirken, sicher besser mit als ohne - und ohne oder mit nur "zurückhaltend" ausgeübter Jagd. Eine Aussage darüber, dass die Anwesenheit des Beutegreifers den Verbiss auf ein waldverträuches Maß reduziert hätte, finde ich in deinen Ausführungen aber nicht.

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Ich hab was gegen Wölfe, weil ich eher ein "ängstlicher" Mensch bin. Da ich viel mit meinem Baby und zwei kleinen Hunden im tiefsten Wald wandern bin, hab ich schon Angst. Dennoch ist es ihr Lebensraum und ich finde, sie sollten nicht vertrieben werden. So ist es nunmal in der Natur. Wir Menschen denken, wir hätten das Recht über andere Spezies zu entscheiden...was vollkommen hirnrissig ist.

Wölfe sind wunderbar

Sie gehen nur zu den Bauern weil wir die Rehe abschiessen und ihnen so ihre Beute wegnehmen

Man sollte den Bestand überwachen; es sind immer noch Raubtiere.

Wenn Wölfe zur Bedrohung werden, muss man eingreifen. Deutschland ist keine zusammenhängende Wildnis mehr, in der Wölfe und Menschen ohne Konflikt nebeneinander leben können. Schutzgebiete zu schaffen ist notwendig, wenn sich der Wolf ansiedelt, aber nicht überall und um jeden Preis.