Warum regt man sich immer über Bürgergeldempfänger auf?

Das Ergebnis basiert auf 63 Abstimmungen

Kritik ist trotzdem gerechtfertigt 60%
Kritik ist nicht gerechtfertigt 40%

30 Antworten

BürgergeldempfängerInnen gelten in einer Gesellschaft, in welcher Arbeit einen sehr hohen, wenn nicht sogar den höchsten Stellenwert hat, vielfach als faul und als arbeitsunwillig.

Dies u.a. deshalb, da man sich gar nicht erst die Mühe macht, darüber nachzudenken, ob diese (Vor)Verurteilung überhaupt gerechtfertigt ist.

Die genannte Zahl halte ich nicht für sonderlich aussagekröftig,

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich war selber schon arbeitslos.
Kritik ist nicht gerechtfertigt
Warum regt man sich immer über Bürgergeldempfänger auf?

Blanker Neid und boshafte wahnhafte Unterstellungen kommen da zusammen.

Es wurden in 2023 gerade mal um die 15-16.000 ArbeitsUNwillige sanktioniert, was nichts ist im Vergleich zu denen, die immer wieder versuchen, in Arbeit zu kommen. Gründe dafür sind in diesem Land vielfältig geworden, sei es Kündigung, zu wenig Lohn, zu viele unbezahlte Überstunden (Sklavenhalterzeit ist vorbei), steigende Krankheitszahlen, oft viel zu schlechte Infrastruktur um zur Arbeit zu kommen, zusätzlich zu hohe Spritpreisen, schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Arbeitgeber-Insolvenzen usw usw.

Wer mehr Geld will, soll gefälligst selbst seinen Allerwertesten bewegen und streiken gehen statt auf die Ärmsten der Armen der Gesellschaft zu schimpfen. Widerlich a-sozial sowas. Unter den Bürgergeldempfängern sind der größte Teil Alleinerziehende, Mütter/Väter mit Kindern, Familien, vergesst das nicht!

Kritik ist trotzdem gerechtfertigt

Weil viel zu wenig sanktioniert wird ist es also kein Problem?

Der war gut.

Wer vom Faulen Bürgergeldempfänger spricht meint für gewöhnlich auch eben dieses Klientel und nicht den Anteil der nicht arbeiten kann (aber will).

Ich sehe das bei Bürgergeldempfängern ebenso wie bei Hartz-IV-Empfängern und das, weil ich selbst mal über viele Jahre Hartz-IV-Empfänger war - nicht weil ich es sein wollte, sondern weil ich, so seltsam oder unmöglich es für manche erscheinen mag, anfangs nur kurzfristige Anstellungen fand und später, abgesehen von einem Job als Austräger eines kostenlosen Wochenblattes, gar keine Anstellung mehr. Erst als mir ein Personalmanager eines Callcenters eine Chance gab, die ich so nie zuvor im Leben gesehen hatte, ging es beruflich für mich endlich aufwärts. Zwar war das mit dem Callcenter nur eine Sache von ein paar Monaten, und ich musste zum Glück nie irgendwelche Leute wegen Verträgen, Abos oder so einen Mist anrufen, aber ich fand dadurch einen Einstieg in weiteren Anstellungen, zunächst dann als Paketlieferant, später als Sicherungsposten und darauf aufbauend Sicherungsaufsicht am Bahngleis, und der letzte Arbeitgeberwechsel beim Jahreswechsel 2019/2020 war derart fließend, dass mir der vorherige Arbeitgeber noch meinen Resturlaub auszahlen musste, weil ich mich erstens noch darauf eingelassen habe, meinen Jahresurlaub ab dem 4. Tag abzublasen, weil ich noch um einen letzten Arbeitsauftrag gebeten wurde.

Ich finde daher, es gibt mindestens zwei Arten von Bürgergeldempfängern bzw. Hartz-IV-Empfängern: Diejenigen die einfach keine Anstellung finden oder aus welchen Gründen auch immer nicht arbeiten können und diejenigen, die schlichtweg nicht arbeiten wollen. Bei ersteren, egal ob sie keine Arbeit finden oder nicht arbeiten können, wofür es nachweisbare Gründe gibt, finde ich jede Kritik unangebracht, aber bei jenen die einfach nur nicht arbeiten wollen, um es harmlos auszudrücken ist jede Form von Kommunikation angebracht, um Betreffende dazu zu bewegen, ihre Einstellung zu einem aktiven Arbeitsleben definitiv produktiver zu gestalten, und sei es auch nur, dass sie ernsthaft nach Arbeit suchen in der festen Absicht eine Anstellung zu finden, egal wann und ob es klappt oder nicht. Ich selbst habe allein rein rechnerisch (und da bin ich immer pro Monat darüber geblieben) insgesamt weit über 1000 Bewerbungen geschrieben und obwohl es in der gesamten Zeit lediglich 6 Zusagen und insgesamt 8 Vorstellungsgespräche gab, also nur 0,8 % der Bewerbungen überhaupt zu einem Fortschritt führten, und 0,6 % zu einer jeweiligen Anstellung, hatte ich trotzdem nie aufgegeben und ich finde, so lange man die Möglichkeit hat, dass man eine Arbeit ausüben kann, sollte man auch nie aufgeben, ja nicht einmal aufgeben wollen.

Man würde mit dem Bürgergeld die "Faulheit fördern" und so weiter.

Dahingehend sehe ich das ähnlich, aber das werfe ich nicht den Bürgergeldempfängern, sondern dem Staat vor, denn wenn man als Bürgergeldempfänger mehr erhält, als jemand der nur einen Teilzeitjob findet, sich einen abrackert und dafür weniger bekommt, als wenn man zuhause bleiben würde, dann liegt das nicht an der Faulheit derer, die da zuhause bleiben, sondern an der falschen staatlichen Einstufung, dass Faulheit, statt Arbeit gefördert würde. Grundsätzlich sollte staatliche Förderung ein Überleben zusichern mit sicherer Unterkunft, also dass man sich eine Mietwohnung leisten kann, einschließlich aller normaler Versorgung, wie Strom, Gas, Medien, Telefon und allem, was man braucht, um vernünftig leben und sich mit fairen Möglichkeiten um eine Anstellung zu bemühen, aber wenn man eine Arbeit hat, egal wie gering die Arbeitsstundenzahl pro Woche bzw. Monat auch immer sein mag, sollte das Einkommen auf jeden Fall entsprechend höher ausfallen, als es beim Bürgergeld oder Hartz IV wäre. Und je physischer belastend und mit je mehr direkter Verantwortung für Gesundheit und Leben anderer die entsprechende Anstellung verbunden ist, umso besser sollte sie pro Arbeitsstunde bezahlt werden, nicht aber wenn es nur um bürokratische "Verantwortung" geht, welche allenfalls eine wirtschaftliche Verantwortung bedeutet, aber keine für Gesundheit und Leben von Angestellten oder Kollegen durch Gefahren aus der Arbeit oder Interaktionen mit dieser Arbeit. Anders ausgedrückt fehlt mir jedes Verständnis dafür, dass Manager oder gar Politiker zum Teil um ein Vielfaches entschieden höheres Einkommen und trotzdem sogar noch verschiedene Vergünstigungen haben, von jenen normale Arbeiter, die zum Teil mehr Arbeitsstunden mit nicht selten stark physisch belastender Arbeit leisten, nur träumen könnten.

Kritik ist nicht gerechtfertigt

Wir haben 5,5 Millionen Bürgergeldempfänger. Das Bürgergeld ist Sammelbecken für zahlreiche Problemstellungen, die nicht direkt etwas mit Arbeitslosigkeit zu tun haben. Das hat auch etwas mit dem Versuch des Bürokratieabbaus zu tun, der allerdings nur rudimentär funktioniert.

Zu den 5,5 Millionen Kunden des Bürgergeldes gehören:

  • 1,6 Millionen tatsächlich Arbeitssuchende, die dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Im Jahr 2023 wurden insgesamt ca. 16.000 Menschen wegen Arbeitsverweigerung sanktioniert. In der Regel wird man schon beim ersten Fehltritt sanktioniert. Etwa 1.600 Personen sind Totalverweigerer, also Personen, die über mindestens 1 Jahr hinweg Stellenangebote, Beschäftigungsmaßnahmen und Qualifizierungsangebote ignorieren.
  • 1,5 Millionen Kinder unter 15 Jahren. Diese werden bald über die neue Kindergrundsicherung aus dem Bürgergeld in eine andere Behörde/Statistik geholt. Damit sinkt die Zahl der Bürgergeldempfänger bereits um ca. 27,5%. Am Elend ändert sich nicht viel.
  • 1 Million Menschen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen und ihr Verdienst mit Bürgergeld aufstocken müssen. Als Erwerbstätigkeit gilt ein sozialversicherungspflichtiger Beruf, also keine Minijobs. Ein Bürgergeldbezieher, der einen Minijob ausführt, muss weiterhin nach einem richtigen Job suchen.
  • 1 Million Menschen, die arbeitsfähig sind, dem Arbeitsmarkt jedoch nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Es sind Personen, die auf jeden Fall in der Lage wären, mindestens 3 Stunden am Tag zu arbeiten bzw. handelt es sich auch um Personen, die aufgrund der Umstände Teilzeit arbeiten, jedoch auch mehr können und wollen, allerdings durch Kinderversorgung oder anderer Pflegeverpflichtungen örtlich und zeitlich unflexibel sind.
  • Der Rest setzt sich aus Personen zusammen, die kurzfristig oder chronisch Krank sind und dem Arbeitsmarkt eingeschränkt zur Verfügung stehen. Personen zwischen 58 und Rente und anderen arbeitswilligen Personen, die keiner mehr haben will. Aber auch Personen, die sich in der beruflichen Ausbildung befinden.

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Das herumhacken auf die Bürgergeldempfänger mobilisiert die ältere Bevölkerungsschicht. Diejenigen, die mit Fleiß und Schweiß unser Deutschland aufgebaut haben. Die Alten, die sich kaputtgearbeitet haben, von Ihrer Rente nicht leben können und nur nach unten treten können, weil sie die Beine nicht mehr hoch bekommen.

JackJack321  08.05.2024, 21:16
Etwa 1.600 Personen sind Totalverweigerer, also Personen, die über mindestens 1 Jahr hinweg Stellenangebote, Beschäftigungsmaßnahmen und Qualifizierungsangebote ignorieren.

Heftig ich alleine kenne 5 davon. Statistisch fast unmöglich wenn es doch nur einer von 50.000 Menschen sein soll.

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FinisTerrae  08.05.2024, 22:05
@JackJack321

Die Bürgergeldempfänger sind aber nicht gleichmäßig auf Deutschland verteilt. Ein übermäßig großer Teil konzentriert sich in strukturschwachen Einzugsgebieten bzw. strukturschwachen Stadtteilen.

In den Bundesländern NRW, Hamburg und Berlin leben bereits 3,2 Millionen der 5,5 Millionen Bürgergeldempfänger. Das sind knapp 60% aller Bürgergeldempfänger, die in 3 von 16 Bundesländern leben. Würde man für die Bürgergeldempfänger Berlins eine eigene Stadt herrichten, wäre es die 6. größte Stadt in Deutschland.

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JackJack321  09.05.2024, 00:23
@FinisTerrae

Nur blöd das ich in Bayern lebe und weit weg von der nächsten Großstadt. Selbst wenn ich den guten Standort ignoriere dürften nur 2 Schmarotzer im ganzen Landkreis zu finden sein...

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FinisTerrae  09.05.2024, 19:40
@JackJack321

Was soll ich dir über Wahrscheinlichkeiten berichten? Ich war einmal im Krankenhaus. Um mich mit dem Tablet im Patienten-WLAN einzuloggen, wurde mir ein 6-stelliger Verifizierungs-Code ausgedruckt ausgehändigt. Direkt im Anschluss, 1-2 Minuten später, musste ich mich auch mit dem Tablet bei Netflix verifizieren. Ich bin fast vom Stuhl gefallen, als ich gesehen hab, dass dort der exakt selbe Verifizierungscode an meine E-Mail geschickt wurde. Statistisch ist das absolut unmöglich. Dieses Phänomen wäre als Fehler in der Matrix zu klassifizieren.

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