Vor welchen Herausforderungen stehen Transgender und nicht-binäre Personen beim Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung?

3 Antworten

Sie müssen einen Arzt oder eine Ärztin finden, der/die damit einen souveränen Umgang hat. Ansonsten stehen auch ihnen allle Gesundheitsleistungen zu, die andere haben. Wer sich ein Bein bricht oder einen Herzinfarkt bekommt, wird ebenso im Krankenhaus behandelt wie ein binärer Mensch und auch Erkältungskrankheiten werden auf die gleiche Art und weise therapiert.

In intimen Fragen allerdings dürften geeignete Therapeuten und Therapien schwerer zu finden sein als bei herkömmlichen Patienten.

  1. Manche Behandler behandeln einen nach dem biologischen Geschlecht, sprechen einen falsch an usw. Sowas braucht man nicht, wenn man sich sprichwörtlich und wortwörtlich nackt machen muss.
  2. Manche Behandler schieben absolut jede Beschwerde, die man hat, auf die Transidentität. Entweder auf das Transthema selbst, oder auf zb die Hormontherapie, die vorgenommenen OPs usw. Auch, wenn es absolut keinen Zusammenhang gibt.
  3. Dazu kommen Stereotypen, Transpersonen wollten nur Aufmerksamkeit. Jemand, der diesen Stereotypen glaubt, wird auch eher glauben, dass die Person auch andere Beschwerden vortäuscht. Auch, wenn diese vollkommen real sind.
  4. Manche Behandler finden einen als transidenten Patienten so faszinierend, dass sie eine Ausrede suchen, um zb eine Genitaluntersuchung zu machen, nur weil sie mal live sehen wollen, wie zb die Post-OP Genitalien aussehen. Was wahnsinnig übergriffig ist.
  5. Ein Problem sind auch Messwerte. Viele Werte sind Geschlechterabhängig, insbesondere Werte in der Anämiediagnostik und Nierendiagnostik. Teils ist die Körpergröße dran schuld, teils der Hormonspiegel, teils die Menstruation - aber man weiß es nicht sicher. Deshalb gibt es keinen Konsens, wie man Transpersonen, die medizinische Angleichungen vornehmen, beurteilen soll - was teils zu unnötigen Behandlungen gesunder Patienten führt, teils zur Nichtbehandlung kranker Patienten.
Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Bin bisexuell und nichtbinär & kenne viele andere 'Queere'.

Ich schreibe hier mal aus (frauen)ärztlicher Perspektive.

Ein "Problem" ist die Seltenheit. Wenn man nicht in dem Bereich spezializiert ist, dann berät und behandelt man nur sehr selten Transmenschen. Ich kann mich an nur vier Fälle in 6 Jahren erinnern (3x Gebärmutter & Eierstockentfernung, 1x "Menstruationsphobie" in der Pubertät). Man wird so nie genug Erfahrung in dem Bereich sammeln können, um souverän damit umgehen zu können. Das betrifft das ganze Team.

Scham. Transmenschen können eine ausgeprägte Scham bezüglich ihrer Geschlechtsmerkmale haben ("Genderdysphorie"). Deshalb vermeiden sie mitunter (Vorsorge)untersuchungen.

Unseriöse Informationen aus dem Internet. Patienten sollten informiert in Organentfernungen einwilligen können. Dabei musste ich schon recht wilde Mythen berichtigen, die "im Internet gelesen" wurden. Das betrifft nicht nur Transmenschen, aber da ist es nochmals schwerer, effektiv zu kommunizieren, weil sie schon eine Art Misstrauen / Angst vor Transphobie mitbringen.

Fehlkommunikation und Fehlbehandlungen durch Angst davor "transphob" zu kommunizieren. Einfaches Beispiel: Wenn eine Frau in die Notaufnahme kommt, dann wird routinemäßig eine Schwangerschaft ausgeschlossen. Eine schwangere Frau würde nur zurückhaltend geröntgt werden, manche Medikamente nicht bekommen und es ist an andere Differentialdiagnosen zu denken. Wenn sich nun ein Transmann einfach mit seinem Namen vorstellt ohne sein biologisches Geschlecht zu nennen oder sein Geschlechtsstatus nicht ausreichend differenziert weiter kommuniziert (und verstanden!) wird, dann kann es zu Fehlbehandlungen kommen und beispielweise der Schwangerschaftstest unterbleiben oder dessen Ergebnis übersehen werden. So wurde schon bei einem Transmann mit Bauchschmerzen eine Schwangerschaft (Wehen!) übersehen und er erlitt eine Totgeburt, weil er zu lange als Mann mit Verdacht auf Appendizitis behandelt wurde. Ähnliche Fälle gibt es bei Eileiterschwangerschaften.