Unfall - die Frage nach der Schuld?
Eins vorab: Das in den Verkehr eintretende Auto ist immer schuldtragend, egal wie schlecht sich die im Verkehr befindlichen Autos verhalten, darum soll es aber auch nicht gehen!
Folgende Situation:
In einer 30er-Zone sind neben einer Einfahrt blaue korrekt parkende Autos in Parkbuchten geparkt und gegenüber falsch parkende lilane autos geparkt.
Während das Rote auto rückwärts rausfährt, kommt das grüne Auto mit garantiert mehr als 30 km/k herangefahren, es kommt zu einer Kollision mit der Anhängerkupplung vom roten Auto, woraufhin ein Schaden am grünen Auto entsteht, der unmöglich mit nur 30 km/h hätte entstehen können.
Zusätzlich konnte in der Situation das grüne Auto nicht seitlich ausweichen, da sich dort ja falsch parkende Autos befunden haben.
Die Frage hier:
Kann in dieser Situation dem roten Auto eine Vorsätzlichkeit der Unfallverursachung unterstellt werden, wenn dieses sich vergewissert hat, dass die Straße frei ist, sie dann schlichtweg ein paar Sekunden später nicht mehr frei war weil ein zu schnelles Auto heranfuhr und dieses wegen falsch parkenden Autos nicht seitlich ausweichen und wegen zu schnellen Fahrens nicht rechtzeitig bremsen konnte - und insgesamt das rote Auto komplett unbeschadet geblieben ist, gerade weil dieses vorsichtig in den Verkehr eintreten wollte, und daher nur dessen Kupplung erwischt wurde?
Die weiterführende Frage:
Ist es vertretbar hier dem roten Auto ein Bußgeld wegen Ordnungswidrigkeit aufzubrummen weil es juristisch die Schuld am Unfall trägt?
5 Antworten
Den Roten trifft hier eindeutig die Hauptschuld. Er verstößt gegen § 9 Abs. 5 StVO:
Wer ein Fahrzeug führt, muss sich beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen.
Außerdem auch gegen § 10 Satz 1 StVO:
Wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen.
Beides setzt einen Gefährdungsausschluss und ggf. ein Einweisen voraus. Sich vergewissern und dann "ein paar Sekunden später" losfahren genügt diesen Anforderungen nicht.
Die Geschwindigkeit des Grünen ist eine Frage der Nachweisbarkeit. Kann ihm eine überhöhte Geschwindigkeit nachgewiesen werden werden, kann er sicherlich eine entsprechende Teilschuld bekommen.
Die falsch parkenden Autos werden kaum eine Teilschuld bekommen, da sie keine Unfallursache gesetzt haben.
Vorsatz wird sicherlich nicht unterstellt, aber die beiden o.g. Verstöße haben auch bei fahrlässiger Begehung ein Bußgeld zur Folge, welches auch vertretbar ist. Der Rote hat nun mal zweifelsohne gegen beide Vorschriften verstoßen.
Prinzipell sind erstmal alle Schuld, denen ein fehlerhaftes Verhalten vorgeworfen werden kann, welches direkt oder indirekt als ursächlich für den Unfall angesehen werden kann.
Da wären zunächst die Falschparker. Dann der zu schnell gefahrene. Und natürlich auch der rückwärts ausparkende.
Die Frage ist jetzt aber, wer wieviel Anteil an der Schuld bekommt. Das kann man so pauschal nicht beantworten, denn es ist sehr stark vom Einzelfall abhängig.
Ich denke aber, der der Rückwärts aus einer unübersichtlichen Einfahrt ausfährt, bekommt die Hauptschuld. In dem Falle hätte er einen Einweiser bemühen müssen, könnte man argumentieren.
Ein auf der Straße fahrender sieht ja nicht unbedingt, dass das Auto da gerade rausfährt. Er sieht nur das Heck von der Seite und nicht zwangsläufig auch den Rückfahrscheinwerfer. Auf der anderen Seite kann man ihm vorwefen unabhängig von der erlaubten Geschwindigkeit nicht angepasst gefahren zu sein ob der erkennbaren Falschparker.
Kann in dieser Situation dem roten Auto eine Vorsätzlichkeit der Unfallverursachung unterstellt werden
Vorsatz? Nein. Fahrlässigkeit? Sicherlich.
Ist es vertretbar hier dem roten Auto ein Bußgeld wegen Ordnungswidrigkeit aufzubrummen weil es juristisch die Schuld am Unfall trägt?
Sicher. Im Zweifel hat er den Unfall durch die Missachtung der Vorfahrt verursacht. Dass der Grüne eventuell zu schnell fuhr, ist dafür erstmal zweitrangig.
das grüne Auto mit garantiert mehr als 30 km/k herangefahren,
Wenn dort nur 30 erlaubt war und ein Gutachten die erhöhte Geschwindigkeit beweisen kann, kann die Hauptschuld auch bei Grün liegen.
Edit: Die Antwort ergibt für eine 30-Zone natürlich keinen Sinn, da dort RvL gilt.
In dem Fall sollte der Grüne die alleine Schuld bekommen und mMn der Rote auch kein Bußgeld für das Verursachen eines Unfalls.
setzt "Missachtung der Vorfahrt" nicht voraus, dass man bewusst jemandem die Vorfahrt nimmt
Nein. Ablenkung, toter Winkel, schlicht verschätzt...
Es gibt wenige Konstellationen, in denen man Vorsatz bei einem Unfall unterstellen kann. Auffahrunfall nach Nötigung (Ausbremsen/Brake Check) wäre ein mögliches Beispiel. Aber bei einem 0815 Vorfahrtsverstoß ist es quasi unmöglich.
Verstehe, ich finde nur den Ausdruck der Missachtung irgendwie nicht passend, das klingt einfach aktiver als es in diesem Szenario ist, weisst du ie ich meine?
Alternativ: Er hat gegen die notwendige Sorgfaltspflicht (§1 StVO) verstoßen und hätte ggf. ohne einen Einweiser/Sicherungsposten nicht in eine unüberschaubare Verkehrslage rückwärts einfahren dürfen.
Ich gebe zu bedenken, das es sich um eine 30 Zone handelt in dem rechts vor links gilt und somit das grüne Fahrzeug hätte anhalten müssen
Es ist völlig egal in welche Richtung ein Fahrzeug fährt, rechts vor links ist rechts vor links
Hier geht es aber um das herausfahren aus einer Einfahrt, entsprechend beabsichtigt der rückwärtsausparkende teil des aktiven Verkehrs zu werden, ist es aber noch nicht, entsprechend gilt für ihn auch kein rechts vor links. Bei einer Kreuzung wäre das anders zu werten.
Das in den Verkehr eintretende Auto ist immer schuldtragend, egal wie schlecht sich die im Verkehr befindlichen Autos verhalten, darum soll es aber auch nicht gehen!
Falsch. Es gilt die StVO bspw rechts vor links - auch wenn man rückwärts fährt.
Allerdings gilt auch die besondere Vorsicht beim Rückwärtsfahren.
Das rote Auto hat einen entscheidenden Fehler begangen, durch die unübersichtliche Situation hätte er sich einweisen lassen müssen, dann wäre der Unfall verhindert worden. Dadurch liegt die Hauptschuld beim roten Auto.
Danke für diene Antwort, aber setzt "Missachtung der Vorfahrt" nicht voraus, dass man bewusst jemandem die Vorfahrt nimmt? Davon kann hier ja nciht die Rede sein.