Trauern um einen gehassten Menschen?
Hallo Community!
ich versuche es so kurz wie möglich zu machen:
Meine Großmutter mütterlicherseits ist nun 85 und hat mich mein ganzes Leben nur gequält. Am meisten haben mir die Sachen wehgetan, die mir meine Mutter nicht geglaubt hat. Zum Beispiel als mich meine Großmutter mit einer Eisenstange verprügelt hat oder als sie mich immer im Zimmer eingesperrt hat, als sonst keiner im Haus war. Omas sollen doch nett sein und Kindern Geschichten vorlesen statt ihnen wehzutun. ='(
Auch, dass sie schuld daran ist, dass mein Vater ausgezogen ist, nehme ich ihr sehr übel, denn mein Vater hat mir, wie eigentlich jedem Kind, sehr viel bedeutet, aber er war zu feinfühlig um es mit ihr auszuhalten. Und dass sie meine Mutter zu einer willenlosen Marionette gemacht hat, die sämtliche Freude am Leben verloren hat, kann ich ihr nicht verzeihen.
Ich könnte glatt wieder anfangen zu heulen, wenn ich nur daran denke, aber um es auf den Punkt zu bringen.
Wenn meine Oma stirbt, werde ich nicht um den "Verlust" weinen können. Im Gegenteil.
Ich weiß, dass man so nicht denken sollte und darf. Ich bin kein Menschenfeind. Ich mag alte Leute sehr gerne und bin sehr mitfühlend. Aber für diese Frau empfinde ich nichts und ich schäme mich dafür. Sie ist schließlich meine Großmutter. Und was sollen die Verwandten denken, wenn ich nicht um meine Oma trauere? Nach außen hin ist sie nämlich immer ganz nett und freundlich.
Ich weiß, dass böse Menschen grundsätzlich gefühlte hundert Jahre leben, aber dennoch kann es ja von einem auf den anderen tag vorbei sein. Was dann? Wie soll ich mich verhalten um nicht die böse Enkelin zu sein, die nicht weint über den Tod einer "armen alten Frau".
Ich wohne mit meinem Freund, meiner Mutter und meiner Oma in einem großen Haus auf einem ehemaligen Bauernhof.
MfG,
-Sina
25 Antworten

nein, du brauchst keine trauer vorzuheucheln und du hast das recht, nicht um deine oma zu trauern - warum auch - für dich ist es doch eine erlösung, wenn sie nicht mehr da ist...
versuche nur irgendwann - das wird eine lange zeit dauern, sie in "frieden ziehen" zu lassen - sie so weit wie möglich aus deinem gedankenkreis zu verbannen.
mir ging es so mit meiner mutter, die uns 3 kinder mißhandelt und übel behandelt hat - ich konnte bei ihr nicht trauern. als sie starb habe ich mir nur gedacht: "endlich kann sie uns nichts mehr antun..."
dann habe ich sie auf irgendeine wolke zwischen himmel und erde verfrachtet und mir gedacht: "so mädel, das ist jetzt dein part, ganz oben anzukommen - damit habe ich nichts mehr zu tun..."
ich denke auch noch oft an die vielen misshandlunngen - doch nicht mehr verbittert. ich konzentriere mich auf mein leben und bemühe mich täglich, das schönste und beste daraus zu machen - im kreis der menschen, die mich lieben, schützen und achten.
eigentlich brauchst du noch nicht mal zur beerdigung gehen - wobei ich glaube, dass du recht dörflich lebst und dann schwieerig werden kann, wenn die nachbarn anfangen zu reden. na - dann ziehe den termin noch durch und danach versuchst du, mit dem thema für dich abzuschliessen und dich auf die schönen, wichtigen dinge in deinem leben zu konzentrieren - deine oma kann dir nie wieder etwas tun - die ist dann weg...
und wenn dich andere auf die "ach so liebe oma" ansprechen, sagst du einfach, dass du nicht drüber reden möchtest - du bist nicht verpflichtet, dich in gegenwart anderer irgendwie mit "oma" auseinanderzustzen, geschweige denn höfliche gespräche zu führen, die dir nichts bringen...
also - kein schlechtes gewissen haben - du hast alles recht der welt, wegen eines menschen, der dir nur schlechtes im leben gegeben hat - NICHT zu trauern... lg

Jetzt hast du mir geholfen, sehr geholfen....Auf die Wolke verfrachte ich jetzt auch eine verstorbene Person aus meinem Leben ... so schön in Schriftform gebracht. Absolut DH!!!!!!

liebe/r gegnhang, man kann das mit "auf eine wolke verfrachten" auch mit geliebten menschen machen.
meinen vater und meinen bruder habe ich direkt ganz nach oben "verschickt und die beiden spielen jetzt (in meinen gedanken) vergrnügt skat und trinken gemütlich ihr wohlverdientes "himmelsbierchen, meine kleine schwester habe ich direkt in die himmlische modeabteilung (also auch direkt in die oberste himmeletage) verschickt - dort kann sie jetzt nach herzenlust schöne klamotten anschauen und sich vergnügen...
mag in den 3 fällen vielleicht eine etwas kindliche form der verarbeitung sein, doch mir hilft es - und wenn ich spazieren gehe - oder nur so unterwegs bin, schaue ich ab und zu nach oben und winke hinauf - in dem gefühl, dass die drei ein auge auf mich haben und auf mich aufpassen... und dann geht es mir gut...
wie gesagt - mag so mancher albern finden - aber mir tut es gut, so zu denken und fühlen... ;-))) lg

Ich möchte mich hiermit noch einmal herzlich für all die tollen Antworten bedanken. Ihr habt euch ziemlich viel Mühe gegeben, mir Trost zu spenden und eine Lösung für das Problem zu finden.
Ich sehe jetzt einige Dinge aus einem anderen Blickwinkel und kann die Sache etwas neutraler betrachten.
Was ich letztendlich tun werde, werde ich entscheiden, wenn sie weg ist aber die Ansätze sind geschaffen. Ich werde mich diesbezüglich nur noch nicht festlegen - wer weiß was die Zukunft für einen bereit hält...
Noch einmal vielen Dank euch allen!

danke für das sternchen und ich wünsche dir alles liebe für deine zukunft, lg marlylie

Ob böse oder nicht, weißt du, es ist trotzallem deine Oma. Wenn sie einmal stirbt, dann geh wie alle zur Beerdigung. Damit zeigst du ein großes Herz. Manche, die dich kennen, sagen dann: Oh, das habe ich von ihr aber nicht erwartet.
Aus deinen wenigen Zeilen hier kann man lesen, das du ein gutes Gemüt hast. Du würdest dir immer Vorwürfe machen, wenn du den Trauertag ignorieren würdest.
Ich wünsche dir viel Kraft. Hol sie dir auch von deinem Vater, halte die Verbindung.

niemand verlangt, dass du trauerst. es ist auch deine entscheidung, ob du aufs begraebnis gehst. sch* drauf, was andere leute sagen oder denken!!!! das ist wirklich nicht wichtig. und obwohl ich deinen zorn verstehe, moechte ich dir nur anraten irgendwie damit frieden zu schliessen, auch wenn das jetzt noch nicht geht. du bist die einzige, der es schadet, wenn du dich mit diesen gedanken quaelst.den kontakt zu vermeiden waere wohl ein guter schritt, aber vl nicht gleich an den tod dabei denken... ich will dich nur darauf hinweisen, dass du nichts bereust. alles gute

Doch ... wenn dich jemand sehr verletzt und gequält hat, dann DARFST du so denken. UND DU BRAUCHST DICH NICHT DAFÜR ZU SCHÄMEN, dass du für diese Frau nichts empfindest und sie sogar in deinem Innersten verabscheust.
Das ist normal, und lasse dir BITTE nicht einreden, dass du nicht so denken und nicht so empfinden dürftest, du darfst es nicht nur, du hast jedes Recht dazu.
Es wäre gut, wenn du den gesellschaftlichen "Anfoderungen" genüge tun könntest und im Falle des Todes dieser Frau, die die Titel "Oma" nicht zu verdienen scheint. Es wäre gut und ratsam, dass du dich normal verhältst, wie man das bei solchen Anlässen eben tut .. ruhig und gesittet und ernst sein ... das ist alles.
Du brauchst nicht zu weinen ... warum denn auch? Es gibt so viele Menschen, die beim Begräbniss eines von ihnen unendlich geliebten Menschens nicht weinen KÖNNEN.
Echte Trauer zeigt sich nicht an der Anzahl der in der Öffentlichkeit geweinten Tränen.
Und Tränen hast du wegen dieser Frau vermutlich schon genug geweint ... lass es dabei bewenden.
Sei einfach nur erst und still ... und denke an die vergangene Zeit mit deiner "Oma" .. dann wirst du vielleicht sogar weinen ... und wenn du wirklich beim Begräbnis weinen willst, weil die Leute das von dir erwarten (was ich nicht glaube) dann denke an all das Böse, dass sie dir getan hat, dann kommen die Tränen vermutlich von ganz alleine.

Wenn Du nicht willst und kannst, brauchst Du auch nicht zu trauern.
Man trauert ja um Menschen, die man dann vermisst. Und die eine Lücke im Leben hinterlassen. Und Deine Oma hinterlässt bestimmt keine Lücke bei Dir. Eher Erleichterung.
Deshalb brauchst Du auch nicht zu trauern. Das wäre eh geheuchelt.
Du solltest an der Beerdigung teilnehmen - weil es sich so gehört. Aber mehr brauchst Du auch nicht zu tun.
Ich halte den Spruch: Blut ist dicker als Wasser, nicht immer stimmig.
Als mein Bruder starb, mit dem ich seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte, habe ich auch nicht getrauert.
Und als meine Mutter starb, die mir ähnliches Leid zugefügt hatte wie Deine Oma Dir, habe ich es eher als Erleichterung angesehen. Getrauert habe ich nicht um sie - wenn es jetzt auch hart klingt. Aber ich kann mich nicht an schöne Erlebnisse erinnern. Warum sollte ich sie dann vermissen.
Allerdings hatte ich es auch nie fertig gebracht, mit meiner Mutter über meine Gefühle und den Schaden, den sie bei mir angerichtet hatte, zu sprechen. Wäre vielleicht hilfreich gewesen. Aber meine Mutter war so stur und herzlos, dass sie es eh nie eingesehen hätte.
Wow ... toll ... und so oder so ähnlich sollte es sein:
Gratulation zu deiner inneren Reife und deiner Einstellung
lg
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