Stifneck bei VU selber anlegen. Ja oder Nein?

5 Antworten

Die Antwort ist ein definitives NEIN!

Warum nicht? Nun, da gibt es mehrere Gründe:

  1. Ein Stifneck ist ein Tool zur Immobilisierung der Halswirbelsäule. Diese ist mit der restlichen Wirbelsäule verbunden. Immobilisiert man den Hals, aber den Rest nicht, dann kommt es trotz Stifneck zu Scherbewegungen auf die Wirbelsäule, die eher schaden als nutzen können, wenn tatsächlich ein Schaden vorliegt.
  2. Nicht jede Wirbelsäule gehört immobilisiert. Wenn, dann aber komplett. Ein Laie kann kaum erkennen, ob oder ob nicht eine Gefahr besteht, dass die Halswirbelsäule tatsächlich möglicherweise kaputt ist. Wenn man aber den Verdacht hat und immobilisieren möchte, kann man dies einfach und effektiv tun, indem man den Kopf des Verletzten einfach mit beiden Händen hält, um Bewegungen zu vermeiden.
  3. Ein Stifneck ist mal gar nicht so leicht angelegt, wie man denkt. Ein paar YouTube Videos zu dem Thema zu sehen, reicht nicht aus. Es setzt regelmäßige und beaufsichtigte Übung voraus. Sogar einige Profi-Retter, die ich kenne, sind sich da nciht sonderlich sicher.
  4. Stifnecks haben Kontraindikationen, sprich es gibt Situationen, in denen man sie nicht anlegen darf, auch wenn eine Wirbelsäulenimmobilisation notwendig wäre. Hierzu zählt z.B. Hirndruck oder eine kompromittierte Spontanatmung ohne Atemwegssicherung. Auch das kann ein Laie mit Sicherheit nciht richtig einschätzen.
  5. Ein Ersthelfer kann ja eigentlich alles machen, wenn was kaputt geht am Patienten ist er versichert. So weit so gut. Das gilt aber durchaus nicht immer. Maßt der Ersthelfer sich medizinische Maßnahmen an, die er nicht beherrscht und deren Sinn er nicht richtig einschätzen kann, dann kann es durchaus sein, dass er doch für Schäden haftbar gemacht werden kann. Wobei mein juristisches Wissen hier nicht ausreicht, um zu sagen wann es kritisch ist und wann nicht.

Merke: ein VU ist keine Indikation für einen Stifneck. Nur eine korrekte Verdachtsdiagnose mit dem Bedarf einer Wirbelsäulenimmobilisation und dem Fehlen von Kontraindikationen ist eine Rechtfertigungfür einen korrekt angelegten Stifneck. Weil das ein Ersthelfer niemals sicher richtig erkennen kann, gehört ein Stifneck nicht in Ersthelferhände.

Sorry und danke für deinen Einsatz und die gut gemeinte Idee. Aber tu dir selbst und den Patienten einen Gefallen und lass es. Die allgemeinen Maßnahmen der Ersten Hilfe (und wenn es "nur" gutes Zureden und einfach für den Patienten da sein ist) sind wesentlich wichtiger, als in guter Absicht falsch eingesetzte Medizinprodukte.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Ein eine HWS-Immobilisation allein (also ohne komplette Immobilisierung) macht relativ wenig Sinn. Und selbst im Rahmen einer kompletten Immobilisation ist die HWS-Immobilisation durchaus kritisch zu hinterfragen.

Ich sehe also keinen Sinn darin, im Rahmen der Ersten (Selbst-)Hilfe pauschal ans Stifneck zu denken.

Wenn es in Einzelfällen notwendig ist bzw. Sinn macht, kann ich mir nicht vorstellen dass sich eine Person (auch, wenn sie mit der Anlage grundsätzlich Übung hat) ein Stifneck korrekt selbst anlegen kann. Das ist ja für einen Helfer, der nur zwei Hände hat (aber wenigstens sieht was er tut), schon nicht ohne.

Man sieht übrigens auch bei langjährigen Berufsrettern ziemlich häufig, dass sie Stifnecks falsch anlegen. Also ein "ich bin seit 10 Jahren Rettungsassistent" ist absolut kein Grund zur Annahme, man könne ein Stifneck anlegen!

Hi,

im Sinne von "sich selbst ein Stifneck anlegen"? Ein eindeutiges Nein, weil es nicht vernünftig funktioniert.

Im Sinne von "im Rahmen der Ersten Hilfe ein Stifneck vor Eintreffen des RTW anlegen" - ebenfalls ein eindeutiges Nein, aus verschiedenen Gründen...

  • ein Stifneck ordnungsgemäß anzulegen erfordert grundsätzlich zwei Helfer - alleine ist durch die Anlage eine mehr oder minder starke Manipulation an der HWS wahrscheinlich
  • ein Stifneck alleine reicht nicht aus, um die HWS vollständig zu immobilisieren - konsequenterweise müsste dann eine unmittelbare Vollimmobilisation erfolgen
  • ein falsch angelegtes Stifneck erhöht das Risiko von Folgeschäden immens, während ein korrekt angelegtes Stifneck nach derzeitiger Studienlage nur einen fraglichen Schutz bietet
  • ein Stifneck hat auch Kontraindikationen (Hirndruck...)
  • Haftung - wie schon unter der Antwort von Rollerfreake erläutert. Ein Stifneck ist eindeutig Profi-Material - der Anwender haftet also im Zweifelsfall auch wie ein Profi und kann sich nicht (mehr) auf den "Ersthelfer-Bonus" bzw. -schutz berufen.

Davon abgesehen: ein Stifneck ist seltenst eine lebensrettende Maßnahme und es gibt daher kaum einen Grund, dieser eine derart hohe Priorität einzuräumen - als Ersthelfer erst recht nicht.

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäter, Blogger, Medizinstudent

Nein, der Leitsatz lautet: "Ganz oder gar nicht immobilisieren", ein HWS- Stützkragen alleine, stellt keine ausreichende Immobilisation der HWS dar, deswegen, wird auch im Rettungsdienst immer manuell mit den Händen die HWS stabilisiert, solange, bis der Patient auf einer Vakuummatratze oder auf einem Spineboard mit Kopffixierungssystem vollständig immobilisiert worden ist!. Zudem wird in den Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften zunehmend "Abstand" von einem HWS- Stützkragen genommen, beim SHT, gelten diese zum Beispiel mittlerweile als kontraindiziert, da bei falscher Anlage die venösen Gefäße komprimiert werden können, was die Bildung eines Hirnödems dann sogar begünstigt!. Zudem braucht man für die fachlich korrekte Anlage eines HWS- Stützkragens ein regelmäßiges Training, selbst mancher Rettungsdienst'ler beherrscht es nicht richtig, da im alltäglichen Dienst ein Stifneck gar nicht so häufig zur Anwendung kommt, in der Ausbildung wird da mehr damit trainiert, als er in der Praxis zur Anwendung gebracht werden muss, daher kann derjenige, der kürzlich seine Ausbildung abgeschlossen hat, routinierter damit sein als derjenige, der über 10 Jahre Berufserfahrung verfügt. Fazit: lasse es sein, das sollten ausschließlich Personen machen, welche über eine dementsprechende rettungsdienstliche Ausbildung verfügen, du würdest dir damit eventuell nur Ärger einhandeln, strafrechtlich und zivilrechtlich, denn wenn du keine notfallmedizinische Ausbildung hast, welcher Richter würde dir dann glauben, dass du es kannst?!!. Mfg.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Rettungsdienst🚑, sehr großes Interesse an Notfallmedizin.
roboboy  27.03.2020, 17:44

du würdest dir damit eventuell nur Ärger einhandeln, strafrechtlich und zivilrechtlich, denn wenn du keine notfallmedizinische Ausbildung hast, welcher Richter würde dir dann glauben, dass du es kannst?

Da eine solche Handlung nicht vorsätzlich wäre, würde kein Richter einen Ersthelfer dafür verurteilen. Die wichtige Leitlinie als Ersthelfer gilt immer noch: Du bist Sicher vor irgendwelchen Anzeigen. Da der FS in diesem Falle alles richtig machen wollte, kann man ihn dafür nicht dran bekommen. Die meisten Ersthelfer sind völlig Ahnungslos, was einen Verband angeht-müssen die jetzt auch Angst vor Anzeigen haben?

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Rollerfreake  27.03.2020, 18:21
@roboboy

Man kann darüber eine Diskussion führen, außerdem habe ich geschrieben "eventuell". Ein Verband ist aber etwas Anderes als die Anlage eines HWS- Stützkragens, letzteres, das lernt man in keinem erste Hilfe Kurs, man sollte, auch wenn es in guter Absicht erfolgt, die Finger von Sachen lassen, welche nicht in erste Hilfe Kursen unterrichtet werden. Mich würde interessieren, was der Kollege "SaniOnTheRoad" dazu sagt, er kennt sich mit solchen (Rechts-)Fragen noch deutlich besser aus. Mfg.

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roboboy  27.03.2020, 18:27
@Rollerfreake

Bei der FFw kommt das durchaus in den EHK vor, wie man einen Stifneck anlegt. Für über eine Millionen Mitbürger also nicht völlig Weltfremd einen Stifneck anzulegen....

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Rollerfreake  27.03.2020, 18:30
@roboboy

Der Fragesteller ist aber nicht bei der Freiwilligen Feuerwehr, wenn man das ist und damit trainiert, dann spricht natürlich auch nicht's gegen die Anlage. Mfg.

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SaniOnTheRoad  27.03.2020, 20:09
@roboboy
Die wichtige Leitlinie als Ersthelfer gilt immer noch: Du bist Sicher vor irgendwelchen Anzeigen. 

Zunächst einmal ist niemand sicher vor irgendwelchen Anzeigen, da grundsätzlich jeder jeden wegen fast allem anzeigen kann.

Davon abgesehen: auch ein Ersthelfer genießt keine absolute "Narrenfreiheit", wie Du es suggerierst. Er ist im Rahmen der Ersten Hilfe rechtlich sicher.

Und das ist der springende Punkt: im Rahmen der Ersten Hilfe. Das umfasst nach gängiger Definition die Maßnahmen, die ohne medizinische Vorbildung durchführbar sind bzw. die im Rahmen eines normalen EH-Kurses vermittelt werden.

Die Anlage eines Stifneck gehört hier genauso wenig dazu wie die eines Tourniquets (siehe diverse andere Fragen).

Der Ersthelfer kann natürlich Profi-Material besorgen - spätestens hier braucht man nicht mehr von "Ahnungslosigkeit" zu sprechen, denn das bekommt man nicht einfach in der Apotheke geschenkt (sondern im Fachhandel), sondern von Vorsatz - und es auch anwenden.

In diesem Falle geht er selbstständig über die von einem Ersthelfer zu erwartenden Maßnahmen hinaus - kann er machen, er haftet dann aber auch wie ein "Profi".

Bei der FFw kommt das durchaus in den EHK vor, wie man einen Stifneck anlegt. 

Das wird zunehmend zurückgefahren und ist bei "uns" mittlerweile komplett raus. Warum? Weil es regelmäßige Übung erfordert und in der Praxis unheimlich schlecht funktioniert - und dann eben genau die Haftungskeule winkt.

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roboboy  27.03.2020, 20:19
@SaniOnTheRoad

Ja, ich hab das Ding seit der Grundausbildung nicht mehr angefasst. Wir haben das zwar auf'm Karren irgendwo liegen, aber nicht einmal da wäre ich mir sicher, wo. Aber danke für deine Einschätzung!

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Die Anlage des Stifneck ist aktuell sowieso stark in die Kritik geraten und sollte deshalb nicht pauschal bei jedem Trauma Patienten erfolgen.

Wenn du als Laie jetzt im Stande bist 1. abzuwägen ob die Indikation hier gegeben und ihn dann 2. auch noch fachlich korrekt anlegen kannst, spräche nichts dagegen.

Das nächste Problem ist dann wohl nur noch, dass der normale Mensch so ein Ding ja nicht immer dabei hat (ich besitze sowas auf jeden Fall nicht und habe auch nicht vor in absehbarer Zeit sowas privat zu beschaffen)

Woher ich das weiß:Berufserfahrung