Sollte man als Verdächtigter / Täter eine Aussage bei der Polizei grundsätzlich verweigern?
Hab in einer Kriminaldoku gehört, dass ca. 75 % aller Verurteilten nicht aufgrund von Beweisen, sondern aufgrund ihrer Aussagen verurteilt werden. Viele Verdächtigte / Täter verwickeln sich in Vernehmungen in tatsächliche oder scheinbare Widersprüche, belasten sich durch verdächtiges Verhalten (z.B. Nervosität) und reden sich um Kopf und Kragen.
Wenn die Polizei eine Vernehmung durchführt, tut sie dies ja nur, weil sie offenbar keine ausreichenden Beweise hat. Warum lassen sich dennoch so viele Verdächtigte / Täter auf eine Vernehmung ein, wenn sie dabei nur verlieren können?
5 Antworten
Soweit mir bekannt ist, wird ein Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden. Eine polizeiliche Vernehmung ist Teil der Ermittlungen.
Entscheidend ist es Beweise zu sammeln und das Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft zur juristischen Bewertung vorzulegen. Ob eine Person wegen eines möglichen Tatverdachtes aussagt oder nicht ist in der Regel für die Polizei uninteressant.
Bei einer Großzahl der einer Tat verdächtigen Personen handelt es sich leider um kriminelles Gesindel, in der Mehrheit dazu natürlich unschuldig. Was man sich bei Vernehmungen für dreiste Lügenmärchen anhören muss ist oft kaum vorstellbar.
Entscheidend ist das, was bewiesen werden kann.
Jeder verantwortungsbewusste Verteidiger als Organ der Rechtspflege weiss das und handelt entsprechend letztendlich zum Wohl des (möglichen) Täters.
Ich empfehle mal den Besuch einer Verhandlung und dafür weniger angebliche Krimidokus zu sehen.
Man muss nicht aussagen, und man sollte es sich gut überlegen was man sagt, sich besser von einem Anwalt beraten lassen, wenn man eine Anklage befürchtet. (Oder weiss dass man schuldig ist und nur hofft, dass die Beweise nicht ausreichen.
Es gibt aber auch Fälle in denen man sicher unschuldig ist und die Sachlage durch eine Aussage und Vorlage von Beweismitteln, Alibis, einfach klären kann. Dann kann man sich den Anwalt sparen und die Angelegenheit schneller zu Ende bringen.
Ebenso wenn die Beweislage eindeutig ist und man mit einer Ausage und Reue zeigen eher mit einer milden Strafe davonkommt, und eine Aussageverweigerung oder alles abstreiten nur dazu führt dass man als uneinsichtig gilt, ein Gerichtsverfahren nötig macht und dann eine härter Strafe bekommt.
Die Aussage: IMMER ANWALT, oder NIE IRGENDWAS SAGEN muss man also relativieren.
Wenn die Polizei eine Vernehmung durchführt, tut sie dies ja nur, weil sie offenbar keine ausreichenden Beweise hat
Das ist so nicht richtig. Es ist zwingend erforderlich, dich als Beschuldigten spätestens vor Anklageerhebung vorzuladen oder zur schriftlichen Stellungnahme aufzufordern, sofern das Verfahren nicht eingestellt wird (§ 163a I StPO).
Sollte man als Verdächtigter / Täter eine Aussage bei der Polizei grundsätzlich verweigern?
Ja, grundsätzlich ist von einer mündlichen Einlassung stets abzuraten. Einlassen sollte man sich zu der Sache schriftlich gegenüber der StA, regelmäßig auch erst nach gewährter Akteneinsicht und Konsultation eines Verteidigers.
Eine direkte Einlassung ist nur in wenigen Fällen sinnvoll, nämlich dann, wenn die Tat ohnehin bewiesen ist, es sich um ein leichtes Vergehen handelt, wie etwa bei einem geringwertigen Diebstahl als Ersttäter, und man hierdurch eine Einstellung, die ohnehin wahrscheinlich wäre, zu seinen Gunsten beeinflussen kann (bspw. nach § 153 StPO statt § 153a StPO oder in letzterem Fall mit geringerer Geldauflage).
LG
Die meisten Personen lassen sich überhaupt nicht erst beraten, sondern hoffen, die Situation irgendwie regeln zu können. In der Theorie wäre es natürlich wünschenswert, wenn dies funktionieren würde, in der Praxis ist die Polizei aber nun einmal nicht dein Freund und Helfer, wenn du Beschuldigter bist, und hat sowieso keinen Einfluss darauf, wie die StA weiter verfahren wird.
und hat sowieso keinen Einfluss darauf, wie die StA weiter verfahren wird.
Offensichtlich schon, ansonsten würde die Polizei ja keine Vernehmungen durchführen. Und wenn sich der Vernommene in der Vernehmung durch seine Aussagen belastet, steigen die Chancen, dass der Staatsanwalt Anklage erhebt.
Was ich meine ist folgendes: Die Polizei entscheidet nicht darüber, wie das Verfahren weiter verläuft. Sie trägt Beweise zusammen und präsentiert der StA das vorläufige Ergebnis der Ermittlungen, nichts weiter. Ob es zu einer Einstellung kommt, Nachtermittlungen durchgeführt werden, Strafbefehl beantragt, oder Anklage erhoben wird, entscheidet aber einzig der Sachbearbeiter der StA.
Insofern ist es immer sinnvoller, sich direkt an die StA zu wenden. Selbst wenn du einen Polizisten davon überzeugst, dass du die Tat ernstlich bereust und so etwas nie wieder tun wirst, heißt das nicht, dass das Verfahren deswegen eingestellt wird oder die Rechtsfolgen milde ausfallen – denn der zuständige Amts- oder Staatsanwalt kriegt im Zweifel bloß die Info, dass du geständig warst, konnte sich aber zu keinem Zeitpunkt ein eigenes Bild von dir machen.
Entscheiden nicht, aber beeinflussen. Wenn die Polizei zu einer Vernehmung lädt, zeigt dies ja nur, dass sie gegen eine Person keine ausreichenden Beweise hat, damit die StA Anklage erhebt. Ansonsten bräuchte die Polizei ja keine Vernehmung durchführen, um durch die Aussagen des Verdächtigten belastendes Material zu gewinnen.
Weil die Polizisten es schon auf der Polizeischule lernen, den/die Beschuldigten(n) möglichst zeitnah zu einer Äußerung zu veranlassen.
Wie bereits in meiner Antwort erwähnt: Eine Vorladung muss verschickt werden, egal wie die Beweislage aussieht. Dies passiert bei so gut wie allen Delikten bereits standardmäßig kurz nachdem das Verfahren eingeleitet wurde. Solange es hier nicht gerade um Wirtschaftskriminalität, schwere Sexualdelikte oder Kapitalverbrechen geht, braucht eine Vorladung oder Aufforderung zur schriftlichen Äußerung nicht lange auf sich warten lassen.
Bei solch schweren Verbrechen wird wohl auch die Polizei zum Beschuldigten kommen, weil die nicht mehr zur Vernehmung kommen können, außer sie werden zur Ausantwortung gebracht.
Bei Kapitalverbrechen in der Tat, bei Wirtschafts- und Sexualdelikten ist es aber ganz normal, dass man schriftlich vorgeladen wird. Dass die Polizei hier direkt mit einem Haftbefehl anklopft, bevor man überhaupt von dem Verfahren erfahren hat, ist eher selten.
Lies du gerne erstmal den Satz 1 bis zum Ende. Eine Erstbegehung rechtfertigt im Zivilrecht grundsätzlich eine Wiederholungsgefahr, nicht aber im Strafrecht. Es müssen konkrete Tatsachen die Gefahr einer erneuten Tatbegehung begründen, damit ein Haftgrund vorliegt. Wie bereits gesagt, bei Sexual- und insbesondere Wirtschaftsverbrechen ist dies die absolute Ausnahme.
Dann erzähle das mal den Beschwerdekammern/ -Senaten. Die lachen Dich aus.
Da gibt es nichts zu lachen, denn ich benenne hier ausschließlich Fakten. Worüber du hier überhaupt diskutieren möchtest, erschließt sich mir nicht.
Bei Wirtschaftsdelikten ist eine Vorladung der absolute Standard und im Übrigen einer der wenigen Fälle, in denen diese teils direkt von der StA anstatt einer Polizeidienststelle verschickt wird. Die meisten Staatsanwaltschaften haben entsprechende Fachabteilungen mit eigenen Ermittlungspersonen. Im Zweifel erfährt der Beschuldigte durch das Verfahren auch schon, weil ein Durchsuchungsbeschluss vollstreckt wird, eine direkte Verhaftung wäre aber die absolute Ausnahme.
Bei Sexualdelikten ist eine Vorladung ebenso die Norm. Selbst ein schweres Sexualdelikt wie eine sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung führt nicht automatisch zum Erlass eines Haftbefehls. Wiederholungsgefahr kann nicht allein aufgrund einer Erstbegehung angenommen werden – das würde dir im Übrigen auch die Beschwerdekammer des LG erzählen und einen solchen Haftbefehl ohne ausreichenden Grund kassieren. Liegen keine einschlägigen Vorstrafen vor und sind auch keine sonstigen konkreten Umstände erkennbar, die die Besorgnis begründen würden, dass der Beschuldigte vor Aburteilung weitere gleichartige Taten begehen wird, kann kein Haftbefehl auf Grundlage von § 112a StPO erlassen werden (LR/Lind § 112a Rn. 55; Schmitt/Köhler/Schmitt § 112a Rn. 14 m. w. N., 15).
Wenn man sich noch nicht mit einem Verteidiger beraten hat: Angaben zur Person ja, Angaben zur Sache nein. Weiß man doch.
Man kann als Beschuldigter Aussagen, die einen selbst belasten, immer verweigern, nicht nur vor Polizei und Staatsanwalt, sondern auch vor Gericht.
Dann sage ich es, wie es der Praxis entspricht: weil Krimnelle doof sind und sich in Widersprüche verwickeln. Und je dümmer sie sind, umso eher kommt man ihnen auf die Schliche.
Das kann man als Zeuge. Als Beschuldigter musst du überhaupt nichts sagen.
Wie lässt sich dann erklären, dass sich dennoch so viele Beschuldigte / Verdächtigte auf eine Vernehmung einlassen, statt auf den Rat ihres Verteidigers zu hören?