Radium in Weltkriegs Kompass?
Hallo zusammen,
ich habe als Kind einen US Kompass aus dem zweiten Weltkrieg bekommen, welcher Radium im Ziffernblatt hat. Dieser liegt bei mir im Kinderzimmer (3m vom Bett) und hat sogar einen Sprung im Glas. Ich lebe seit 5 Jahren nicht mehr zu Hause, mache mir dennoch Sorgen, dass ich mir gesundheitliche Schäden eingefangen haben. Wie schätzt ihr das ein?
PS: Damals wusste ich nicht von der Gefahr
Danke und LG
4 Antworten
Dadurch, dass ein Glas darüber ist, hast Du zwangsweise einige Millimeter Abstand. Die Strahlung ist gering, wird durch Glas blockiert und durch den Abstand verringert. Ich halte die Gefahr für extrem klein.
Es gab damals, als diese Dinge hergestellt wurden, Gesundheitsschäden insbesondere bei der Herstellung. Die Zeiger wurden von Hand angemalt, und die Malerinnen (es waren praktisch immer junge Frauen) kamen in Kontakt mit der Farbe. Teilweise wurden die Pinsel (las ich in einem Bericht) mit den Lippen befeuchtet und angespitzt.
Im Gebrauch sind mir keine Schäden bekannt.
Das Merkblatt aus der Schweiz über radiumhaltige Uhren, das ich gelinkt habe, legt nahe, dass das sein kann. Dort sind Dosisleistungen angegeben. Es kommt natürlich darauf an, wie oft und in welchem Abstand man sich der Strahlenquelle aussetzt. Ich würde den Kompass jedenfalls nicht in der Hosentasche oder im Rucksack mit mir herumtragen. Aufbewahren würde ich ihn in keinem bewohnten Zimmer, und wegen des freigesetzten Radons am besten an einem Platz, wo häufiger Luftaustausch stattfindet.
OK, doch mehr, als ich dachte. Wobei die Mengen auf so einem Kompass vermutlich echt klein sind, und man trägt ihn ja nicht am Handgelenk wie eine Uhr. Aber gut, nicht zu vernachlässigen, danke für den Link.
Eine Antwort hierauf mag zunächst einmal paradox wirken:
Die Sorge über einen möglichen Schaden dürfte schädlicher sein als ein möglicher Schaden.
Im Einzelnen. Zwar gilt:
Radium (kurz: Ra) ist radioaktiv, daher der Name. Also gilt: Abstand halten und abschirmen. Radium zerfällt zu Radon (Rn), welches ein radioaktives Edelgas ist. Beides α-Strahler. Daher gilt, nicht auftragen, nicht einnehmen, nicht einatmen (Rn). Zudem ist Ra ein Erdalkalimetall und lagert sich in den Knochen ein wie bspw. Kalzium.
Aber das alles ist nicht relevant.
Denn es ist Ra enthalten, aber als erstes ist es kein reines Ra, sondern ein Ra-Salz. Diese Salze sind sehr schwer wasserlöslich und chemisch sehr stabil. Daher wirst Du kaum die Chance haben, etwas davon chemisch (über Staub etc.) aufgenommen zu haben.
Das entstehende Rn ist zwar flüchtig, aber in der Menge so gering, dass tägliches Lüften Rn unter die Nachweisgrenze drückt. Und selbst im hermetisch abgesicherten Zimmer mag ich nicht erwarten, das Rn überhaupt nachweisbar wäre, einfach, weil es so wenig ist.
Also was tun? Durchatmen. Nichts passiert. Den Kompass ins Regal legen und als Artefakt aufheben. Vielleicht von einer Verwendung – im Besonderen weil ja das Glas kaputt ist – absehen.
Ra ist Anfang des 20 Jh. in Veruch geraten, weil es ungeschützt verarbeitet oder sogar als Schminkprodukt, das so toll im Dunkeln leuchtet, verwendet wurde. Dabei konnte Ra in Größeren Mengen aufgenommen und in die Knochen eingelagert werden. Nicht gut. Ra wurde auch als "Holzhammermethode" der damals noch jungen Krebsbekämpfung in der Medizin eingesetzt. Zudem ist es "böse" zu Bakterien, die α-Strahlen nicht gut abkönnen, was für TBC und andere, Anfang des 20 Jh. noch weit verbreiteten Infektionskrankheiten nicht gut ist, also für die Menschen gesundheitsfördernd wirkte. Langzeitfolgen waren da noch nicht bekannt und den Menschen ging es ja erst einmal wieder besser.
Dagegen sind die bei Dir vorliegenden, kleine Mengen Ra-Salze harmlos.
Radium zerfällt zu Radon (Rn), welches ein radioaktives Edelgas ist. Beides α-Strahler.
Beides auch γ-Strahler.
Ra-226: 0.19 MeV
Rn-222: 0.51 MeV
https://en.wikipedia.org/wiki/Commonly_used_gamma-emitting_isotopes
Das Bindesamt für Strahlenschutz (BfS) schlägt noch einen Abdunkelungstest vor, s. https://www.bfs.de/DE/themen/ion/anwendung-alltag/uhren/uhren_node.html
Damit wäre auch gesichert, dass es sich um ein radioaktives Selbstleichten und keine Phosphoreszenz handele.
Vielleich interessiert Dich dieses Informationsblatt der Schweizerischen Gesundheitsbehörde.
https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/str/str-wegleitungen/faktenblaetter/radium-uhren.pdf
Danke für den Link. Wenn es sich bei dem Kompaß allerdings wirklich um einen Militärkompaß mit dauerhaft leuchtenden, Radium enthaltenden Leuchtziffern handelt (was ja noch gar nicht bewiesen ist), dann ist nicht auszuschließen, daß für militärische Anwendungen evtl. eine höhere Dosierung der Radium-Leuchtfarbe verwendet wurde. Gerade alte militärische Flugzeug-Instrumente aus der damaligen Zeit sind z.B. erheblich stärker radioaktiv als Armbanduhren.
Ja, die Gesundheit auch der eigenen Soldaten ist traditionell nicht der Hauptgegenstand solcher technischer Entscheidungen. Mit etwaigen Folgen beschäftigt man sich später. Z.B. den Folgen des Umgangs mit Nuklearwaffen. https://en.wikipedia.org/wiki/Atomic_veteran
Alphastrahlung ist zwar gefährlich, aber sie kann nicht durch die Haut oder Kleidung dringen und wird sogar von einer dünnen Schicht Glas oder Papier blockiert. Außerdem verliert sie bereits über kurze Distanzen stark an Wirkung. Die Strahlung ist also hauptsächlich dann problematisch, wenn Radiumstaub eingeatmet oder verschluckt wird.
Der Sprung im Glas könnte theoretisch Radiumstaub freigesetzt haben. Solange der Kompass unberührt an einem festen Platz lag und du keinen direkten Kontakt hattest (insbesondere mit dem Ziffernblatt oder Staubpartikeln), ist das Risiko minimal. Daher denke ich nicht, das du stark beeinflusst wurdest.
Alphastrahlung ist zwar gefährlich, aber sie kann nicht durch die Haut oder Kleidung dringen und wird sogar von einer dünnen Schicht Glas oder Papier blockiert.
Auf die Alphastrahlung trifft das zu. Auf die Gammastrahlung des Radiums und des Radons trifft es aber nicht zu.
Ok, Danke! Ja, habe als Kind mit dem Kompass gespielt, ist aber nun auch schon sicher 15-20 Jahre her, von der Kontamination hätte ich vermutlich bereits etwas bemerkt?
lG
Mögliche kurzzeitige Folgen könnten:
- Müdigkeit, häufige Infektionen (weil das Immunsystem geschwächt ist)
- Schädigung der Schleimhäute (Nase, Mund) oder Zahnprobleme sein
Sonst könnten auch langzeitliche Sachen wie
- Knochenschmerzen
- ungewöhnliche Blutwerte oder
- Zahnfleischgewulste auftreten.
Wenn dem nicht so ist denke ich, dass das Radium hat dir rein garnichts ausgemacht und du nur eine schöne Zeit bei dem Spielen mit dem Kompass hattest.
Das Glas blockiert die Alphastrahlung, aber nicht die Gammastrahlung. Beide hier relevanten Nuklide, das Ra-226 und das Rn-222 sind auch Gammastrahler.