Ich habe lange überlegt … Ja, SF, gute oder "harte" SF war immer eine Nische. Daran hat auch ein Arther C. Clarke oder Herbert W. Franke oder Peter Hamilton wenig geändert. Auch nicht Stanislaw Lem, wobei dem ein Riesennachruf folgte.
zudem hast Du richtig geschrieben, dass die Zukunft der 1970er Jahre und später in vielen Techniken schon eingetreten ist. Rein nur "fancy" Technik macht aber auch keinen SF aus. Es muss schon eine gute Extrapolation von vorhandenen Entwicklungen oder grundlegende Überlegungen zum Verhältnis von Technik und Mensch oder von Mensch und Kosmos, ansonsten wird es schnell langweilig.
Die "große KI" und die dystopische Zweiklassengesellschaft ist wiederum für SF-Kenner auch ein echt alter Hut. Denke nur an Metropolis. Oder Will Gibson mit Neuromancer.
Dennoch sehe ich es als Fehler und nicht als "geschichtliche Entwicklung", dass sich diese Gesellschaft lieber in Märchenwelten (bitte nicht abwertend, aber als Umschreibung von Fantasy) begibt anstatt voran zu denken und "neues Land" zu erkunden.
Und es gibt sie noch, die neue, gute SF. Beispielsweise Peter Schattschneider, "Hell Fever", der auf Schattschneiders unvergleichliche Art und Weise und so spannend wie fatal bis zum Schluss das Thema zu einem unerwarteten, aber krassen, realistischen Ende bringt. Oder aus dem Bereich der Space-Opera Amy Kaufman und Jay Kristoff mit der Aurora-Trilogie. Gerade jungen Leuten sehr zu empfehlen! (Weihnachten steht vor der Tür …)
Zu Deinem Thema hat Harari gerade ein Buch veröffentlicht, was Dir eine Menge "Futter" geben könnte: Yuval Noah Harari, Nexus. Eine kurze Geschichte der Informationsnetzwerke von der Steinzeit bis zur künstlichen Intelligenz, Peguin, München, 656 S., 28 € (Oder als E-Book). (Und nein: Ich verdiene an meinen Buchempfehlungen nichts.) Harari beschäftigt u. a. gerade die Frage, was mit einer sogenannten schwachen KI passiert, die zu einer allgemeinen KI wird. Und das läuft ja gerade ab und wird in einem halben Dutzend Jahren zu irgendeiner Konsequenz führen.
Dabei sieht Harari die Gefahr nicht in einer Aufspaltung der Gesellschaft, sondern in unregulierter (!) KI, die wie ein mächtiger Anwalt auftritt. Ganz anderer Move, gelle? (s. a. ZEIT, 01.12.2024, "Sie ist intelligenter als wir". Der Artikel ist zurzeit noch kostenpflichtig, mal in der Leihbücherei ZEIT ansehen …)
Und das ist ein lohnendes Thema, aber ohne 1000 Seiten eigene Lektüre wirst Du da nicht einfach so einsteigen können. Nur Mut! Leg los!