Muss man als Mensch tatsächlich immer funktionieren?
Mir kommt es so vor, als dürfte man sich heutzutage weder Fehler noch Schwächen leisten. Was in einer Leistungsgesellschaft ganz klar zu sein scheint, wird aber auch im sozialen Miteinander vorausgesetzt. Wenn es um Leistung geht, wird ein nahezu perfektes Funktionieren vorausgesetzt. Nur minimale Fehler, die dann auch noch eine Seltenheit darstellen sollten, sind gestattet. Wenn es um das Soziale geht, ist es ähnlich. Zum einen sollte man individuell, aber dann wiederum auch konform sein. Auf der einen Seite sollte man immer seine eigene Meinung vertreten, auf der anderen Seite darf man aber auch nicht allzu weit von allgemeinen Standpunkten abweichen. Zudem ist es angebracht, sich mit seinem individuelle Standpunkt der Gemeinschaft anzupassen, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Das symbolisiert Zusammenhalt. Jedes andere Verhalten muss Vorurteilen und Verurteilungen stand halten. Und das schlägt meist ziemlich auf die Psyche, wenn man nicht hart gesotten ist. Aber auch Uneinigkeit bei sich selbst, wonach man sich nun richten soll, kann zu Gewissenbissen führen. Schnellstmöglich sollte man dann einen Weg für sich, der auch vereinbar mit dem Gemeinwesen ist, gefunden werden. Für angeschlagene Psychen, die sich nicht mehr zurecht finden, gibt es jetzt schon Hilfe, damit sie schneller wieder in Leben finden. Und trotz der wohl steigenden Akzeptanz bei der Allgemeinheit, gilt diese nur zu einem gewissen Grad. Wenn es sonst heißt, Ehrlichkeit sei etwas Gutes, kann diese auch Nachteile mit sich bringen. Das Verständnis hält sich in Grenzen je nach Krankheitsbild. Manche Krankheit scheint eine Gefahr, eine andere mehr ein sich Drücken vor den Anforderungen des Lebens. Aber auch die Menschen, die stabiler sind, müssen immer eine Fassade aufrecht erhalten. Am besten nie traurig oder übel gelaunt sein vor anderen. Immer in der Rolle bleiben. Ein Lächeln ist wichtig, genauso wie Höflichkeit. Aber einfach mal "Hallo" zu sagen, ohne das dabei ein Lächeln über die Lippen geht grenzt an Arroganz oder gar schon an miese Laune, die ansteckend ist oder einfach nur Trauer, die keiner sehen möchte. Das Leben ist doch schon miesepetrich genug. Man sollte es mit positiven Gedanken füllen und das geht schlecht, wenn man mit einer Heulboje oder einer Miesmuschel zu tun hat, die einen mit seiner Laune auch noch ansteckt. Dies zeigt, dass es auch eine andere Seite im Leben gibt.
So manches Mal habe ich hier Beiträge gelesen, in denen stand, dass der Antwortgeber nur dann mit seinen Mitmenschen hervorragend agieren und sie schätzen kann, wenn sie tadellos "funktionieren". Alles andere sei inakzeptabel. Auch im Reallife beobachte, höre und sehe ich täglich ähnliches. Aber muss man als Mensch tatsächlich immer funktionieren? Ist es nicht möglich auch mal aus seiner Rolle zu schlüpfen und sich selbst zu spielen? Besteht eine Chance so angenommen zu werden? Oder ist es doch klüger, ständig ein Bild zu vermitteln, was so nicht stimmt, und woran man zerbrechen könnte?
76 Antworten
Funktionieren hat für mich etwas mechanisches, routiniertes. Ein Ablauf wo ein Rad ins andere greift. In unserer künstlich hochgezüchteten Leistungsgesellschaft krankt es an vielen Dingen, deswegen sind es gerade die
- wenig wehrhaften
- die Kranken
- Schwachen
- Arme
- Ältere
- Kinder
- die ohne Lobby sind
- Minderheiten
- die aus der Norm fallen
die hier unter die Räder kommen, die als Störfaktor gesehen werden wenn sie den Fluss des Systems, die Ausbeute, das Wirtschaftsinteresse vermindern, verlangsamen etc.
Du hast richtig erkannt, das gerade für sensible Menschen der Leidensdruck sehr hoch ist. Burn out, Depressionen und zunehmende Suizide sprechen eine deutliche Sprache!
Doch wer in richtiger Weise erkennt, analysiert, Ursachen ergründet - kann auch zu den richtigen Schlüssen kommen dh. unserem Gesellschaftssystem etwas entgegensetzen,
-mit dem Ergebnis, das manches Rädchen im Getriebe wieder geschmeidiger und widerstandsfähiger wird.
Das Schmiermittel (weich kontra hart) = Nächstenliebe
die sich durch Menschlichkeit, Moral, Uneigennützigkeit, Hilfsbereitschaft, Lebensfreude, Gelassenheit auszeichnen muß. Dann kann man durch"bewußt leben" und"bewußt handeln" das eigene und das Leben anderer, ein wenig vereinfachen und Unebenheiten glatter machen. Jeden so zu nehmen wie er ist und nach Bemerkenswertem, Edlem, Lobenswerten zu suchen, hilft uns dabei auch mal ein (oder zwei ;) Augen zuzumachen.
Aber um deine Frage noch zu beantworten:
Das Gesellschaftssystem muß richtig funktionieren, nicht der Mensch!
Denn wo es seine Funktion erfüllt, hilft es dem Menschen sich als Teil einer harmonischen, sozialen Gesellschaft zu fühlen.
Schöne Antwort, die ich leider übersehen habe. Vielen Dank dafür KatzeNini.
Ich kann das nur bedingt bestätigen. Ich kenne so viele Menschen, die ihre unüberwindlichen "Macken" haben, die man eben schon kennt und mit deren Eintreten beinahe fest zu rechnen ist. Wenn man weiß, dass so etwas (auch zu "funktionierenden") Menschen gehört, wird einem bald bewußt, dass alle "nur mit Wasser kochen". Wer allerdings seine Launen und Mißstimmungen an seiner Umwelt auslässt (bewußt oder fahrlässig), erfährt nur wenig Gegenliebe, da wir nun mal soziale Wesen sind, deren Gemeinwesen auf ein Minimum an Kooperation, Mässigung, Umsicht und Einfühlungsvermögen angewiesen ist.
Bei Einzelhändlern, deren Verkäufer "grundsätzlich und immer" widerwillig und schroff im Kundenverkehr sind, kaufe ich nur sehr ungerne ein. Dabei habe ich nichts gegen Authentizität bei Menschen, Ehrlichkeit und Offenheit sind wichtig und eine "Krämermentalität" mag ich wiederum auch nicht besonders.
Vielen Dank für deine Antwort HektorPedo. Und ja, der Satz stammt von mir.
Voranmerkung von mir:
- Herzlichen Glückwunsch du hast das Problem der Menscheit seit an Beginn der Zeit beschrieben, neben dem imm funzen müssen kann man hier auch immer beeinflusst sein durch andere in deine frage mit einbinden!!
2.Stimme dir da voll und ganz zu, jedoch ist eine Antwort extrem schwierig, keider ist es so das sich nur Leute mit Wut im Bauch und teilweise kaltem verhalten ein wenig individualismus erlauben können, jeder andere ist ein sklave unser Zeit ohne ein ich!!!Ich vermute das es daran liegt das viele alle ungelösten Konflikte in ihr´Leben mitnehmen und es an dem schwächsten auslassen um sich gut zu fühlen, dazu zählen auch drängen zu bestimmten ansichten, einem den eigen willen aberkennen und vieles mehr, den schaden kann sowohl körper als auch geist erhalten!!!
Auf Dauer so ist es meine Meinug müssen wir die das ganze erkennen zusammenhalten und aufklärungarbeit leisten!! Das wird aber selbst dann noch Jahrzehnte dauern, doch HOFFNUNG gibt es, den unsere Gesellschaft mit ihren Gesetzen und Richtlinen ist 1000mal besser als aller anderen, da wird mir wohl jeder der ein wenig ahnung von Geschichte hat zustimmen, solange wir lernen können wird es zumindest für unsere nachfahren besser auch wenn wir in die röhre schauen, ein wenig schade durchaus, aber besser als nichts!!!!
Es fragt sich nur, in welche Richtung sich diese Richtlinien entwickeln werden. Aber derzeit gibt es einige Möglichkeiten.
Dankeschön.
wer sich so verstellt um anderen zu gefallen wird irgendwann einmal nicht mehr er selbst sein sonder eine mischung bzw ein abklatsch aus dem wie einem das umfeld gern sehen möchte.
fehler sind menschlich, ohne fehler ständen wir nicht da wo wir sind.wir lägen viel weiter hinten in der entwicklung.
man muss aber unterscheiden. ist man in einem job, wo andere leben davon abhängig sind sollte man sein gebiet beherschen zb ein arzt.ist man in der ausbildung macht man fehler, das ist vollkommen normal und jeder mensch mit verstand sieht das auch ein.
niemand ist perfekt und kann es auch nie sein.
wenn jemand im privaten bzw sozialen von mir erwartet perfekt und ohen fehler zu sein, dann ist es jemand mit dem ich nichts zu tun haben werde.
individualisten sind die, die ich gern um mich habe :-)
Danke für deine Sichtweise.
Es ist nur so, dass viele genauso denken, aber dies in der Praxis kaum beherzigen. Vielleicht bist du da anders.
Liebe JackySmith,
an dieser Frage habe ich lange gekaut und tue es noch. Vielleicht hat es damit zu tun, wie sehr man die anderen zum Leben braucht? Wie wohl man sich in der Mitte fühlt? Ob einen ein "Bad in der Menge" aufbaut und bestätigt - oder ob man sich in ihr verliert, ob sie einen zerreißt?
Funktionieren heißt kalkulierbar sein - und warum ein mathematischer Begriff so positiv belegt wird teilweise, kann ich nicht sagen. Müssen mich die anderen verstehen - oder reicht es, wenn ich ihnen nicht schade? Was verpflichtet mich, den Wunsch der Menge mitzutragen?
Ich sehe jedenfalls einen Unterschied zwischen der Freundlichkeit, mit der man den Abgleich der verschiedenen Wünsche und Interessen erleichtert - und einer Maske, die die Erwartungen der anderen bedient und in deren Schatten ich ängstlich Schutz suche. Persönlichkeiten ohne jeden Bruch machen mich mißtrauisch. So wie ich den gesichtschirurgischen Jungbrunnen instinktiv als unnatürlich ablehne, sind mir funktionierende, also mit der Bedienung fremder Interessen vollständig ausgefüllte Menschen suspekt. Menschen, an denen ich mich nicht reiben kann, erscheinen mir glatt ...
LG andisazi
Ich könnte mir nicht vorstellen, meinen Kiddies so etwas zu wünschen ... Ist denn ein Mensch ein Automat, in den man oben den Stundenlohn einwirft und unten die gewünschte Handlung herauskommt? Sicherlich muß man Kraft übrig haben, um querzudenken oder zu -handeln. Doch sollte mir diese einmal so ausgehen, wäre es Zeit für mich, selbst einen Bruch hervorzurufen...
Na ja... Aber es ist schon klar, dass so gut wie jeder von uns andere in gewisser Weise "braucht". Denn was wären wir ohne andere? Ein Einsiedlerdarsein würde vielen von uns mehr als nur einen einfachen Schaden zufügen. Und es gibt meiner Meinung nach bestimmte Erwartungen, die wenn sie gebrochen werden, verheerende Folgen haben können. Einfach, weil ein Mensch nicht funktioniert und damit zieht er den Zorn vieler auf sich, gliedert sich aus oder er muss in tiefer Demut weiter leben. Während andere zumindest einen Hauch von Freiheit spüren, ist diese ihm nicht (unbedingt) gestattet. Natürlich gibt es auch die Menschen, die sich dann ihre wunderschönen Nischen suchen, während andere kaputt gehen. Jeder ist eben anders. Es tut mir leid, dass ich keine konkreten Beispiele nenne. Vielleicht würde man besser verstehen, was ich meine. Doch in dieser Frage möchte ich darauf verzichten.
Es wird schon eine Rolle spielen, ob man sich im Bad der Menge wohl fühlt oder zerrissen wird. Oder eben sich selbst verliert. Danach bestimmt man teils sein Denken und Handeln. Kann eben freier oder eingeschränkter handeln. Kann die Schleichwege gebrauchen, sich anpassen oder die Masse für sich nutzen. Oder man ergibt sich eben seinem "Schicksal". Jeder auf seine Weise. Aber jeder wird tatsächlich nicht funktionieren, außer vielleicht in seiner Fassade, die er erhalten muss (?). Und wenn man eine Fassade aufgebaut hat, erwartet man, dass andere sie eben so halten, wobei ich denke, dass das nicht jeder kann, weil die Kraft dazu fehlt. So ist eben nicht jeder gleich.
Aber ich bin froh darüber, dass es noch einige Dinge gibt, bei denen wir nicht funktionieren müssen, was einige Menschen verstehen und tolerieren. Es kommt eben nur darauf an, welchen Status sie haben. Umso mehr oder weniger haben auch Verständnis und be-/verurteilen nicht. Also gibt es auch Menschen, die nicht glatt sind. Und einige, die brechen mussten, um es nicht mehr zu sein.
Trotzdem gibt es da noch einiges, was mir Sorge bereitet. Schon alleine weil ich sehe, welchen Einfluss die "glatten" Menschen auf andere ausüben. Wie sich einige Sichtweisen und Gedanken einfach so übertragen und ich nicht einschätzen kann, ob die meisten wirklich mal darüber nachgedacht haben, wie sie zu manchen Ansichten kommen und was eigentlich alles dahinter steckt.
Bevor ich das vergesse....... Danke für deine Antwort andisazi.
Vielleicht ein Nachgedanke:
Bis zu einem gewissen Punkt sind wir gewiß über die Anerkennung durch andere definiert. Und so bemühen wir uns, deren Wünsche und Erwartungen zu erfüllen und erhoffen im Gegenzug, daß unsere Wünsche und Erwartungen erfüllt werden. Jedoch ist zum einen gar nicht sicher, ob unsere Wünsche und Erwartungen durch andere überhaupt erfüllbar sind. Und dann haben wir die Möglichkeit, unser Umfeld und damit auch die Art und Weise der Erwartungshaltung der anderen zu verändern. Es ist nicht überall so, wie es hier ist. Weggehen ist nicht immer Flucht; es sollte nur nicht zum Reflex werden ...
Eine der Liebliebsaussagen meines Vaters war: ich will doch nur, dass du funktionierst !
Du fasst exakt in Worte was ich dabei empfunden habe,,,.- da war der Bruch praktisch vorprogrammiert.