Liebe/-r Technohunter,
einige Sachen sehe ich ganz anders. An anderen Stellen hast du Sachverhalte gut verstanden, welche leider nicht allgemein dem Grundwissen zuzuordnen sind. Vielleicht zuerst zum Lernen:
Daß man Weisheit nicht durch die Schule erlangt, ist eine Erkenntnis, die ebenso banal ist, wie sie leider häufig verdrängt wird. Wissen und Weisheit unterscheiden sich grundlegend: Wissen lässt sich vermitteln, Weisheit erlangt man durch Erfahrung, die man selbst machen muß. Wissen kann man sich aus Büchern aneignen, Erfahrung gewinnt man durch das Leben selbst; sie lässt sich häufig nicht auf andere Personen übertragen und ist nur schwer so zu formulieren, daß ein Mensch mit einem anderen Leben den springenden Punkt darin versteht.
Dass unser Bildungssystem nicht das beste ist, sei dahingestellt; ein ideales System wird es nicht geben können, denn Systeme sind von Menschen gemacht, und die sind nunmal nicht perfekt. Viel wichtiger ist, was du von diesem System erwartest und forderst. Wer sich auf die Bank setzt und vom Lehrer fordert: "Mach mich klug!",übersieht dabei, daß Lernen ein gewünschter Prozeß sein muß. Im Umkehrschluß handelt der Lehrer, der den Schülern aus dem Buch vorliest und dann erwartet, sie hätten etwas verstanden, genauso falsch - und schlimmer: er sollte es besser wissen.
Was die Schule eigendlich leisten sollte, ist das Lernen zu lehren. Wenn Schule sinnlos ist, kannst du auch mit einem Buch nichts anfangen. Um die richtigen Fragen zu stellen, muß man den Namen der Dinge kennen. Man kann nicht alles wissen, aber wenn man zu fragen weiß, hat man das Wichtigste (meiner Meinung nach) gelernt.
In einem Punkt muß ich dir (leider) zustimmen: Schule sollte dir ein Grundgerüst an Basiswissen vermitteln, welches du um jede Frage herum aufzubauen vermagst und von welchem aus du diese Frage zu klären beginnen kannst. Nach meiner Meinung wird seit längerer Zeit schon eine Detailversessenheit in die Unterrichtsfächer gebracht, die auf Kosten des allgemeinen Verständnisses der Zusammenhänge geht. Wissen baut sich in Form einer Pyramide auf: im Lauf deines Lebens wirst du dich durch deinen Beruf und deine Lebensumstände immer mehr auf bestimmte Fachgebiete spezialisieren. Schule sollte also ein breit gefächertes Spektrum an Allgemeinwissen vermitteln, aus dem du schöpfen kannst, wenn du später in die Details gehst. Und da sind einige Spezialfälle in den Fächern für mich eher verschwendete Zeit.
Übrigens: Parabeln gehören nicht dazu. Der Umstand, daß du jetzt noch kein Anwendungsfeld für dieses Wissen siehst, sagt nicht aus, daß es keines gibt. Entscheidend ist, daß du verstehst, wie sie vom Prinzip her funktionieren. Nur dann nämlich kannst du dir später ein Buch greifen, weil du es sonst nicht verstehen wirst. Und da treffen wir uns wieder: es ist eher unwahrscheinlich, daß du später mit Integralen oder Scheitelpunktberechnungen dein Geld verdienst. Es ist aber nicht unmöglich: du wirst ihnen von der Fahrzeugindustrie über die Kaufmannslehre bis zur Bauwirtschaft immer wieder begegnen. Hast du die Funktionsweise einmal verstanden, kannst du dich mit Büchern dann heranbilden.
Nimm beispielsweise Deutsch: alle Kommaregeln auswendig zu wissen, bringt dich nicht wirklich auf die Top Ten Liste der Bewerber. Ein Bewerbungsschreiben mit grenzwertiger Grammatik aber auch nicht. Der Umstand, daß du weißt, daß es Kommaregeln gibt, die für eine eindeutige Kommunikation wichtig sind, lässt dich also nachschauen, wie man sie setzt. Und genau das ist, was Schule meiner Meinung nach leisten muß: dir ein Gespür dafür vermitteln, wann dein Basiswissen nicht mehr ausreicht, und dich dazu befähigen, es selbstständig zu erweitern.
An dieser Stelle wie auch in der Frage, wie man soziales Miteinander lernt, kommen die Lehrer ins Spiel. Leider scheint es Volkssport geworden zu sein, Verantwortung prinzipiell erst einmal abzuschieben: man nennt das "jemanden Kompetenzen entwickeln lassen", als wüchsen diese an Bäumen oder wie Warzen im Gesicht. Und diese Furcht vor der Verantwortung findest du nicht nur bei Lehrern, sondern auch bei Eltern und bei - Schülern. Fehler machen gilt als schlecht - eine dümmere Einstellung kann es nicht geben, denn nur wer nichts macht, macht keine Fehler. Wie sollte es sein?
Du bist dort, weil du wissen sollst (und hoffentlich möchtest), warum die Dinge so funktionieren und anders nicht. Lass also nicht zu, daß sich der Lehrer hinter Fachgeschwätz versteckt. Sein Job ist es, dir etwas zu erklären - fordere das ein. Den Lehrern wünschte ich mehr Mut zum Rausschmiß: ich kann den Wunsch zu lernen wecken, wenn ich ein guter Lehrer bin, aber selbst wenn ich nur mittelmäßig bin, muß ich immer noch dafür sorgen, daß störungsfrei gelernt werden kann. Und gerade das soziale Lernen findet zu Hause statt: das sollte man manchen Eltern auf die Stirn tätowieren, wenn sie für jeden Fehltritt ihres Goldkindes die Schule verantwortlich machen .
Fordere die beste Vorbereitung für dich ...
LG andisazi