Kein Niedriglohnsektor in Schweden und Finnland?


03.02.2023, 14:23

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6 Antworten

Das hängt doch ganz davon ab, wie man den Niedriglohn definiert. Ich könnte z.B. doch eifnach behaupten: "1 Euro ist ein hoher Lohn. Weniger als das ist Niedriglohn". Dann wäre der Niedriglohnsektor offiziell 0 Prozent.

Natürlich gibt es auch in Schweden einen Niedriglohnsektor. Es ist aber wahrscheinlich schwer, ihn zu definieren. Wenn z.B. der Mindestlohn Masstab der Statistik ist, wird es schwierig mit einem Land, das gar keinen Mindestlohn hat. Und das ist in Schweden wirklich so. Hier wäre ein Lohn von 1 Cent pro Stunde legal (!)

Nach der Mindestlohndefinition wäre dann der Niedriglohnsektor sogar nur 0 Prozent.

Eine Zahlentabelle sagt überhaupt nichts, wenn man nicht weiss, wie die Zahlen zustande gekommen sind. Schwedische Behörden neigen generell dazu, nur schöne Zahlen zu erheben. Laut amtlichen Statistiken gibt es z.B. auch quasi keinen Alkoholismus, keine Drogenabhängigen. Dabei hängen überall Plakate von Alkoholiker-Beratungsstellen etc.

Das Bild der Schweden von ihrem Land ist: "wir sind alle gleich". Dabei gibt es real ein gewaltiges Gefälle zwischen Einkommen und Vermögen zwischen den Menschen. In Schulen z.B. verdient ein Rektor gleich das Doppelte dessen, was ein Lehrer verdient.

Aufgabe der Statistiker ist, diese Realitäten zu verdecken, damit die Schweden ihr Selbstbild von sich bewahren können.

sauidha4ssa3 
Fragesteller
 05.02.2023, 10:18

Nein. Ein Niedriglohn ist hier so definiert, wenn weniger als 2/3 des Medianlohns verdient wird.

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DocPsychopath  05.02.2023, 14:06
@sauidha4ssa3

Ah ok. Dann wird da aber statistisch getrickst. Diese Statistik stellt nicht die Realität im Lande dar.

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Dass die Antwort sehr komplex ist, zeigt die Satistik selbst. Portugal ist ebenfalls mit einem wesentlcih niedigeren Niedriglohnbereich ausgewiesen. Warum ist das so?

Niedriglohnquote eines Landes zeigt den Anteil der Beschäftigungen mit weniger als zwei Drittel des mittleren Bruttostundenverdienstes (Median) aller Beschäftigungsverhältnisse (ohne Auszubildendean..

Der Median teilt die Verdienste in zwei Hälften, das heißt, eine Hälfte der Beschäftigten verdient weniger und die andere Hälfte mehr als diesen Wert. Als Verdienst wird der Bruttoverdienst je Arbeitsstunde zugrunde gelegt.

Diese Definition ist somit relativ und unabhängig von der Höhe des Lohnniveaus in den einzelnen Staaten. DA gibt es hohe Niedriglohnquoten bei gleichzeitig geringen Niedriglohnschwellen aus (Beispiel Baltikum oder auch Rumänien und Bulgarien) - aber acu geringe Niedriglohnquoten bei hohen Niedriglohnschwellen.

In Portugal ist halt eine wesentlich geringere Spreizung des Lohns vorhanden, d.h. das Gehalt ist insgesamt niedriger für die Masse der AN und liegt dichter zusammen - im niedrigeren Bereich.

Der durchschnittliche Brutto-Stundenlohn in Deutschland beträgt ca. 23 Euro bei in Vollzeit beschäftigten Männern, ca.19 Euro bei Frauen. In Porugal nur ca.12. Die geamten Lohnkosten in Deutschland (2019) bei 36 Euro und in Portugal cei ca. 13 Euro. Mehr als jeder fünfte Arbeitnehmer in Deutschland arbeitet 2019 zu einem Niedriglohn, er verdient damit also weniger als zwei Drittel des durchschnittlichen deutschen Stundenlohns. Damit liegt die Bundesrepublik über dem EU-Durchschnitt

Finnland und Schweden haben höhere durchshnittliche Lohnkosten als Deutschland, aber auch hier ist eine geringe Spreizung zu verzeichnen.

Lassen wir die statistischen Effekte mal beiseite. Arbeitnehmer Schweden haben insgesamt höhere durchgängige Stundenlöhne als in Deutschland und nur ca ein Prozent der abhängig Beschäftigten verdienen weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Stundenlohns und Löhne /Gehälter sind in Schweden stark gestiegen und liegen nun auf einem höheren Niveau viel enger zusammen als in Detuschland.

In Deutschland sind vor allem bei ungelernten AN, Frauen und jungenb Menschen eine Häufung in Miedriglohnsektor feststellbar. Ein weiterer Punkt sind die im Migrationsarbeitnehmenrberecih oft gezahlten Mindeslöhne

Solche "Tabellen" haben nur begrenzte Aussagekraft. Zum Beispiel sind Portugal und Frankreich auf Platz 2 und 5. Dabei träumen die Leute dort von den Gehältern in Deutschland.

Die Lohnspreizung ist geringer. Ich hatte als Dozent für Chemie an einer technischen Universität ein Anfangsgehalt von 17.000 SEK netto. Das ist eher niedrig. Die Kehrseite ist die hohe Arbeitslosigkeit von Menschen ohne Abitur. Berufe wie Krankenschwester und Polizist setzen in Schweden Abitur voraus.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Narrativium  04.02.2023, 19:40

Heißt dann folgend, dass du ohne Abitur in Schweden, geringe Jobchancen hast.

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ADFischer  04.02.2023, 20:12
@Narrativium

Das hängt etwas vom Arbeitseinsatz ab. Ich habe schon Pakete von Amazon bekommen, die um halb zwölf zugestellt wurden. Also, abends. Das deutsche System mit Auszubildenden ist noch nicht weit verbreitet. Die Berufsausbildung erfolgt auf der gymnasialen Oberstufe (Klasse 10 bis 12).

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Kuestenflieger  04.02.2023, 20:34
@ADFischer

Aber in DK führt man das duale Berufsbildung-System seit 20 Jahren ein - mit Erfolg .

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DocPsychopath  05.02.2023, 03:20
@Narrativium

Nein. Das kannst du nicht mit deutschen Begriffen verstehen. Hier gibt es ein Einheitsschulsystem: nach 9 Jahren "Grundskola" besuchen quasi ALLE Schüler das "Gymnasiet". Danach bekommen sie den Abschluss, der zur Hochschule berechtigt.

Derzeit erhalten 80 bis 90 Prozent eines Jahrgangs diesen Abschluss und die Politik verlangt von den Schulen, die 90-Prozent-Marke zu knacken. Faktisch sind heute nur geistig Behinderte, die auf Sonderschulen gehen, ohne HZB.

Der Abschluss nach der 12. Klasse, den du "Abitur" nennst, hat in etwa das Niveau des deutschen Hauptschulabschlusses, den du nach der 9. erhältst. Nur so kann mit Ach und Krach erreicht werden, dass 90 Prozent ihn bekommen.

Und trotzdem müssen noch zehn Hühneraugen zugedrückt werden. Selbst Schüler, die quasi funktionale Analphabeten sind, haben Abschlüsse mit mittleren Noten. Hier verlassen Schüler die Schule mit Einsen und Zweien in Fremdsprachen auf dem Zeugnis, die in der Sprache nicht einen einzigen Satz formulieren können. Entsprechend ist Schweden vor 10 Jahren in PISA auf den hintersten Rängen gelandet.

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Narrativium  05.02.2023, 14:01
@DocPsychopath

Heißt also wenn ich deinen Text richtig verstanden habe und folgende Aussage noch immer zutrifft - Schweden vor 10 Jahren in PISA auf den hintersten Rängen gelandet - dass das Abitur in Deutschland einen höheren Wert hat als der Abschluss in Schweden, richtig?

Jetzt besteht die Frage, ist der Abschluss in Schweden international anerkannt? Heißt, man kann damit nach Deutschland kommen, ohne das Abitur neu machen zu müssen?

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DocPsychopath  05.02.2023, 14:09
@Narrativium

Ja, das hast du richtig verstanden. Man kann mit einem Schulabschluss, der in einem EU-Land zum Studium berechtigt, auch in einem anderen EU-Land studieren. Das ist die EU-vertragliche Rechtslage. Und es heisst wirklich, dass ca. 40 Prozent der Deutschen in Schweden studieren dürfen, und über 80 Prozent der Schweden in Deutschland.

Wie das in jedem der ca. 170 anderen Staaten auf der Welt ist, die nicht zur EU gehören, weiss ich nicht.

Dass die Schule in Schweden geringe Anforderungen stellt, stört hier niemanden. Im Prinzip denken alle, dass das Schulsystem so richtig ist. Genau wie die Deutschen ihres für richtig halten.

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ADFischer  06.02.2023, 08:48
@Narrativium

Also, Schweden liegt in Pisa in allen Fächern über dem OECD-Durchschnitt. Im Leseverständnis sogar auf dem fünften Platz. Gar so schlimm ist es also nicht.

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Kuestenflieger  04.02.2023, 20:38

Daher kommt der Trend im politischen D = alles muß Abi haben !

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ADFischer  04.02.2023, 20:51
@Kuestenflieger

Ja, das ist sozialdemokratische Politik, wenn weniger als 100 Prozent eines Jahrgangs Abitur machen, ist das ein Misserfolg. Was dazu führt, dass man sich schon in der 9. Klasse entscheiden muss, was man studieren will. Sonst hat man die falsche Fächerkombination in der Oberstufe und erfüllt die Voraussetzungen für die Zulassung zum Studium nicht. Mit meinem Abitur hätte ich in Schweden nicht Chemie studieren können (ich hatte in der 12 und 13 keine Physik).

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DocPsychopath  05.02.2023, 03:11

In Schweden verdient ein Schulrektor das Doppelte eines Lehrers. Also ein Abstand von 100 Prozent zwischen zwei Karrierestufen.

Und da siehst du eine geringe Lohnspreizung?

In Deutschland ist der Vergleichswert hier etwa 20 Prozent.

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ADFischer  05.02.2023, 09:40
@DocPsychopath

Der Unterschied ist 35 Prozent, nicht 100 Prozent. Korrigiert man für das Lebensalter (Rektoren sind in der Regel älter als der Durchschnittslehrer) fällt die Differenz noch kleiner aus. Außerdem gibt es keine Besoldungsstufen, das Gehalt wird zwischen dem Arbeitgeber, hier also der Gemeinde, und dem Arbeitnehmer individuell verhandelt.

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DocPsychopath  05.02.2023, 14:06
@ADFischer

Es gibt Tarifverträge, die das Mininum definieren, das verhandelbar ist. Und die sehen für einen Gymnasiallehrer ca. 38.000 vor und für einen Rektor ca. 80.000. In der Grundskola ist das Verhältnis dasselbe.

Darin sehe ich schon 100 Prozent und nicht 35.

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ADFischer  05.02.2023, 17:31
@DocPsychopath

Rektoren haben ein Durchschnittsgehalt von 55.000 SEK. Du scheinst das mit Hochschulrektoren zu verwechseln. Ein Mindestgehalt von 80 kSEK haben nicht einmal Universitätsprofessoren.

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ADFischer  05.02.2023, 18:20
@DocPsychopath

Nachtrag: Durchschnittsgehalt laut Saco 53.800 (2023, Teilzeitstellen in Vollzeit umgerechnet).

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ADFischer  06.02.2023, 08:53
@DocPsychopath

Kannst du mir bitte sagen, auf welchen Tarifvertrag du dich beziehst? HÖK21 enthält ausdrücklich KEINE Zahlenangaben, und der Vertrag gilt noch bis Ende 2024.

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DocPsychopath  05.02.2023, 03:15

"Berufe wie Krankenschwester und Polizist setzen in Schweden Abitur voraus"

Bedeutet ja viel, wenn jeder eines hat...

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Schweden und Finnland waren nie Länder mit sehr grosser Industrieproduktion. Darum gibt es dort kaum das Phänomen, das in bestimmten Regionen durch Strukturwandel etc. massenweise Menschen arbeitslos wurden, und irgendwie, wenn auch zu schlechten Bedingungen, andere Arbeit brauchten.

Deutschland schon!

Und Länder wie Grossbritannien und die USA auch!