Kann man Ortsvektoren addieren?
Definition: Der Ortsvektor eines Punktes ist der Vektor von einem Bezugspunkt (oft Koordinatenursprung) zu diesem Punkt.
Bei der grafischen Addition zweier Vektoren setzt man den Schaft des einen Vektors mittels Parallelverschiebung an die Spitze des anderen Vektors.
Somit wäre die grafische Addition zweier Ortsvektoren nicht definiert, da eine Verschiebung von Ortsvektoren der Definition von Ortsvektoren widerspricht.
Dennoch werden in der mathematischen Literatur Ortsvektoren addiert z.B in der Formel für die Berechnung des Mittelpunktes einer Strecke zwischen zwei durch Ortsvektoren definierten Punkten.
Ich denke eine (grafische) Addition von Ortsvektoren widerspricht der Definition von Ortsvektoren. Sobald man einen Ortsvektor verschiebt, handelt es sich entweder nicht mehr um einen Ortsvektor oder nicht mehr um den ursprünglichen Ortsvektor. Der zugrundeliegende performative Sprechakt dieser Umdeutung ist vermutlich vielen nicht bewusst oder wird stillschweigend vorausgesetzt ( sie z.B den Beitrag über Performativität bei Wikipedia)
6 Antworten
Ich sehe es genau so wie du (in der Ergänzung).
Ortsvektoren entsprechen (grob) der Ordinalskala der "Skalenniveaus" (https://de.wikipedia.org/wiki/Skalenniveau).
Für den Physiker gibt es noch weitere Argumente:
Die Lage eines beliebigen Punktes wird durch einen Ortsvektor dargestellt - und zwar durch das 1-fache eines Ortsvektors. Was ein anderes Vielfaches eines Ortsvektors darstellen soll, ist erst mal nicht definiert, jedenfalls ist es kein Punkt.
Ein Verschiebungsvektor hat eine Länge, hat aber den "Ortsvektor-Faktor" 0, damit kann man zu einem Ortsvektor beliebig Verschiebungsvektoren addieren und erhält jedesmal wieder einen Ortsvektor. (Verschiebungsvektoren kann man mit jeder beliebigen Zahl multiplizieren und erhält wieder einen Verschiebungsvektor.)
Normierte "baryzentrische Koordinaten" (https://de.wikipedia.org/wiki/Baryzentrische_Koordinaten) stellen "gewichtete Summen" von Ortsvektoren dar, die ihrerseits einen Ortsvektor darstellen, da die Summe der Vorfaktoren 1 ist.
Der Schwerpunkt eines Dreiecks ist
1/3 A + 1/3 B + 1/3 C
(wobei die Punkte A, B, C mit ihren Ortsvektoren identifiziert werden).
Jeder Punkt der Ebene lässt sich als "Linearkombination" der Ortsvektoren darstellen, wobei die Summe aller Koeffizienten wieder 1 ist; für Punkte außerhalb des Dreiecks ist mindestens einer der Koeffizienten negativ, und es kann auch ein Koeffizient größer als 1 werden.
Das lässt sich - ebenso wie Einheiten - verwenden, um auf Rechenfehler zu prüfen.
Auch im Bereich "Programmieren" unterscheidet man in manchen Frameworks zwischen Ortsvektoren und Verschiebungsvektoren. Z. B. gilt im .NET-Framework:
Ortsvektor entspricht Point
Verschiebungsvektor entspricht Rectangle (wobei "Rectangle" ursprünglich eine frei verschiebbare geometrische Form bedeutet, aber weil sie durch zwei gegenüberliegende Ecken definiert wird - die Seiten sind parallel zu den Koordinatenachsen -, lässt sich das Konstrukt auch als Verschiebungsvektor "missbrauchen")
Rectangle + Rectangle ist definiert und ergibt eine Größe vom Typ Rectangle
Rectangle - Rectangle ist definiert und ergibt Rectangle
Zahl * Rectangle ist definiert und ergibt Rectangle
Point + Rectangle ist definiert und ergibt Point
Point - Rectangle ist definiert und ergibt Point
Point - Point ist definiert und ergibt Rectangle
Point + Point ist NICHT definiert
Zahl * Point ist NICHT definiert
Rectangle - Point ist NICHT definiert
etc.
(Ebenso mit DateTime - Zeitpunkt - und TimeSpan - Zeitspanne -)
Da habe ich mich ein wenig vertan: es ist eher die "Kardinalskala" - man kann ja Differenzen bilden, jedoch gibt es immer noch keinen absoluten "Nullpunkt".
Für Vektoren ist eine Addition definiert (Vektorraum-Axiome). Wann eine solche Addition sinnvoll ist, hängt von dem konkreten Problem ab.
Stell dir die Addition zweier Ortsvektoren als Diagonale des entsprechenden Parallelogramms vor, dann haben beide ihren "Fuß" im Ursprung.
Siehe meine Ergänzung zur Fragestellung
Ein Vektor ist eine Differenz zwischen zwei Punkten. Eine Differenz kannst du auf andere Differenzen oder auch auf absolute Werte addieren.
Ein Ortsvektor ist eine Differenz zwischen Koordinatenursprung und einem anderem Punkt.
Natürlich kann man Ortsvektoren addieren. Es ist quasi, wie du schon geschrieben hast, eine Parallelverschiebung. Es wird quasi der Koordinatenursprung verschoben. Daraus resultiert ein neuer Ortsvektor, dessen Ursprung im ersten liegt.
Ich denke deine Definition ist nicht ganz korrekt. Ortsvektoren können überall im Raum liegen und es ist (im Studium zumindest) eher untypisch, dass sie bei 0 liegen.
Wozu man das allerdings braucht ist eine andere Frage. Oft ist es ja so, dass man bei Vektoraufgaben erstmal nicht versteht, was da eigentlich das Problem ist.
Interessanter Vergleich mit der Ordinalskala und interessante weitere Beispiele 👍