Ist Glauben/Kirche ein Kulturbedürfnis?

10 Antworten

Reden wir besser nicht von Glauben und Kirche, reden wir besser von Religion und Religionsausübung. Und natürlich sind sie nicht selbst das Bedürfnis, sondern sie sind evtl. die Antwort auf ein tatsächlich vorhandenes Bedürfnis.

Die wesentliche Frage ist erstmal, ob Menschen ein natürliches Bedürfnis nach Kultur haben. Die Antwort ist eher ja als nein. Nur durch Kultur ist die die menschliche Gattung überhaupt in ihrer Umwelt überlebensfähig. Eine andere Frage ist allerdings, ob jeder einzelne Mensch ein individuelles Bedürfnis nach kultureller Betätigung hat.

Ich kann nicht abstreiten, dass es da Ausnahmen gibt, so wie ja auch nicht jeder einzelne Mensch ein Bedürfnis nach sexueller Betätigung hat. Aber wenn man zugesteht, dass die Existenz von Ausnahmen der Annahme einer Regel nicht entgegensteht, ist die Antwort auch hier Ja.

Eine nächste Frage ist, ob zwischen beiden Bedürfnissen ein Zusammenhang besteht. Der große Psychoanalytiker Sigmund Freud hat einen solchen Zusammenhang nämlich gesehen. Einerseits hindert uns die Kultur nämlich (nicht nur sie), unseren Sexualtrieb frei auszuleben, andererseits bietet sie sich selbst, als kulturelle Betätigung nämlich, an als Ersatz, und nicht nur das, sondern als so etwas wie eine verfeinerte, auf höhere Ebene, im doppelten Sinne aufgehobene sexuelle Handlung an.

Wenn wir diese Sichtweise übernehmen, ist Kultur für den Einzelnen zwar tatsächlich nicht lebensnotwendig, aber oft tatsächlich unentbehrlich.

Religion und Religionsausübung sind zweifelsfrei Bestandteile der menschlichen Kultur. Ob es tatsächlich die ältesten sind, mag dahingestellt bleiben. Gewiss haben nicht alle Menschen ein Bedürfnis nach speziell dieser Form der Kultur, für andere wiederum ist es gerade die Kulturform, nach dem sie das allergrößte Bedürfnis haben.

Wenn das in unserer Gesellschaft der Fall ist, kann man vielleicht manchmal, wenn jemand in einer sehr religiösen Umgebung aufgewachsen ist, davon sprechen, dass die Kultur dies Bedürfnis hervorgerufen hat - aber eben doch nicht immer. Ob tatsächlich im kollektiven Unbewussten des Menschen ein Bedürfnis nach Religion verankert ist, so wie ein Bedürfnis nach Mutter und Vater darin verankert ist, das ist noch ein großes Geheimnis.

Religiosität ist mit Sicherheit ein "Produkt" kultureller Entwicklung um im Bewusstwerdensprozess (z.B. das jeder Einzelnen sterben muss) des Menschen ein Bewältigungsinstrumentarium in die "Hand" zu bekommen.

Das Institut der Kirche wiederum entspringt eher spezifischen Macht(durchsetzungs)strukturen, die zwar soziokulturellen und psychischen Gehalten entnommen sind, aber keinesfalls auf eine Linie mit dem geistigen Wesen des Menschen gleichgesetzt werden sollten.

Religion ist der Stoßseufzer der bedrängten Kreatur, wie Marx mal sagte. Darüberhinaus können sich so Menschen als Art Auserwählte fühlen, wieder andere mildern so ihre angst vor dem Tod ab. Auch gibt es Leute, die wahre Menschenfeinde sind und auch zu Tieren keinen Zugang haben, dann bleibt wohl nur noch der sogenannte liebe Gott übrig, mit dem man ein Techtel-Mechtel dann eingeht. Ach ja, dann soll er ja auch noch für einige Personen ein Vater-Ersatz sein, auch dafür kann er herhalten. Dem menschlichen Wahn sind nun mal keine Grenzen gesetzt.

Kommt darauf an, wie Du Kulturbedürfnis definierst.

Wenn Du damit meinst, das es ein Kulturbedürfnis ist sich über andere zu erheben, andere zu versklaven und zu unterjochen, sowie ausreden zu erfinden um sich vor der Verantwortung der eigenen Taten zu drücken, dann ja, dann ist Religion ein Kulturbedürfnis.

Wenn du damit meinst, das eine Kultur nur mit Glauben oder Religion existieren kann, dann Nein. Denn Eine Kultur kann sich durchaus auch ohne die Existenz von höheren lenkenden Wesen welche einen von jeder Verantwortung befreien entwickeln. Natüelich wäre eine Kultur ohne Religion eine Kultur von aufgeklären und tolleranten Menschen, welche für jeder Ihrer eigenen Handlungen und Entscheidungen die volle Verantwortung übernehmen würden. Also damit das genaue Gegenteil einer Religiösen Gesellschaft.

NEIN.

Menschen wollen eine Bezugsgruppe, Familie, etc. das wird gut ausgenutzt indem man künstlich einen "Heiligen Vater", einen "Gott Vater" hat und die Leute auch alle "Bruder Tuck" und "Schwester Soundso" sind.

Menschen streben nach Belohnung und versuchen Schmerz/Leid/Strafe zu vermeiden. Das wird ausgenutzt, indem da von "ewigen Belohnungen" und "ewiger Strafe" phantasiert wird und wilde Behauptungen in den Raum gestellt werden, wie man belohnt/bestraft wird und welchen Regeln man dafür zu folgen hat.

... die Liste kann man noch eine Weile weiterführen.

Religion / Glaube ist kein Bedürfnis, sie nutzt nur grundlegende Bedürfnisse geschickt aus.

Blitzlicht151  16.01.2020, 22:23

Wer aber war denn zuerst da, die Henne oder das Ei, könnte man hier auch in abgewandelter Weise fragen.

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matmatmat  17.01.2020, 20:52
@Blitzlicht151

Nee, wenn Du den Vergleich benutzten willst wäre die Frage wohl am ehesten: Was war zu erst da, das Ei oder die Käfighaltung auf einer industriellen Hühnerfarm.

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Blitzlicht151  18.01.2020, 13:37
@matmatmat

wenn das alles so einfach wäre, warum hatte die Religion/en solch einen Zulauf, solch starke Verankerung in der Bevölkerung

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matmatmat  18.01.2020, 20:36
@Blitzlicht151
warum hatte die Religion/en solch einen Zulauf, solch starke Verankerung in der Bevölkerung

Hab ich doch oben erklärt? Weil sie Grundbedürfnisse zweckentfremdet und mit überstarken Reizen bedient.

Käfighaltung produziert ja auch auf kleinem Raum ne Menge Eier... bedeutet halt nicht, das es ne gute Sache ist, nur weil viele Hühner so gehalten werden? (zum Glück: Gehalten wurden, in der EU gibts das ja nicht mehr)

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Blitzlicht151  19.01.2020, 00:50
@matmatmat

Eine gute Sache ist Religion sicherlich nicht, dennoch ist sie bei einem Teil der Menschen auch ein Kulturbedürfnis. Niemand wird schließlich gezwungen religiös zu sein.

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matmatmat  19.01.2020, 19:52
@Blitzlicht151

Find ich schwer, daß ein Bedürfnis zu nennen, nur weil viele nicht davon los kommen. Es wird auch in den USA gerade niemand gezwungen Opioidabhängig zu sein...

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Blitzlicht151  20.01.2020, 12:27
@matmatmat

Es ist für allerlei psychisch angeschlagene Menschen ein Bedürfnis religiös zu sein. So wie es ein Bedürfnis weiterer angeschlagener Menschen ein Bedürfnis ist Opium zu konsumieren.

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