Ist es ein Vor- oder Nachteil der deutschen Sprache, Wörter zusammensetzen zu können?
Mark Twain sprach einmal den Mangel der deutschen Sprache, bei der man mit dem Fernglas den zweiten Teil des zusammengesetzten Verbs suchen müsse, an.
4 Antworten
Es ist sicher kein negativer Aspekt, dass man im Deutschen durch Zusammensetzung (Komposition) von zwei oder mehr Wörtern neue Wörter (Komposita) bilden kann, beispielsweise:
- der Regen + das Wetter -> das Regenwetter
- schreiben + der Tisch -> der Schreibtisch
- die Dauer/dauern + die Wurst -> die Dauerwurst
Keine Ahnung, was es darüber zu meckern gibt, zumal es Komposita ja auch im Englischen gibt. Vermutlich meinte Mark Twain nur die überlangen Wortzusammensetzungen. Er fand auch die trennbaren Verben nicht gut, bei denen (im Hauptsatz Präsens u. Präteritum) das Präfix des Verbs ganz ans Ende des Satzes geht, z. B.:
- Ich rufe dich heute Abend gegen 22 Uhr noch einmal an. (anrufen)
- Der betrunkene Autofahrer fuhr den alten Mann einfach um. (umfahren)
- Ein nüchterner Autofahrer umfährt normalerweise Hindernisse. (umfahren)
umfahren (trennbar) ≠ umfahren (nicht trennbar)
Für deutsche Muttersprachler ist es weder ein Vor- noch ein Nachteil, dass es trennbare Verben gibt. So ist einfach die deutsche Sprache, und darüber denkt man nicht nach. Man denkt normalerweise nicht über Wortpositionen, Deklination und andere Grammatik nach, man spricht einfach. Man hatte ja von der Geburt an Zeit, sich an die Sprache zu gewöhnen.
Man darf allerdings auch Twains Essay nicht allzu ernst nehmen. Er schildert ja seine Erlebnisse mit der deutschen Sprache auf eine so humorvolle und satirische Weise, dass es wirklich Spaß macht, seinen Gedankengängen zu folgen.
Für Deutschlerner ist natürlich tatsächlich alles, was im Deutschen anders ist als in ihrer Muttersprache, eine Schwierigkeit. Trennbare Verben sind eine solche Schwierigkeit, aber sicher nicht die größte. Umgekehrt haben wir z. B. Schwierigkeiten mit dem Zeitengebrauch im Spanischen oder mit dem Gerund im Englischen. Jede Sprache hat ihre Eigenheiten, mit denen ein Ausländer zu kämpfen hat.
Sein "Werk" ist zwar mitunter recht unterhaltsam, aber seine Schlussfolgerungen wie auch seine Bewertungen darf man nicht allzu ernst nehmen, um es mal vorsichtig zu formulieren.
Persönlich sehe ich es ganz klar als Vorteil, Worte in der deutschen Sprache zusammensetzen zu können. Da sich dadurch diverse Sinn- und Sachverhalte ergeben und explizit auseinandergehalten werden können.
Dafür gibt es viele und unendliche Beispiele.
Würde ich bspw. "zu sehen" auseinander schreiben, würde es bedeuten, dass es (irgend-)etwas "zu sehen" gibt. Schreibe ich jedoch "zusehen", dann bedeutet es u. a., dass ich dir bei einer Tätigkeit zusehe oder ich mich mit einer Sache derart beschäftigen muss, dass sie endlich mal erledigt wird. ("Ich muss zusehen, dass es sobald als möglich erledigt ist.")
Schreibe ich "zu sagen", bedeutet dies, ich habe etwas zu sagen (eine Meinung, oder eine Einleitung zu einer näheren Erklärung eines Sachverhalts). Bsp: "Zu sagen sei noch folgendes....".
Schreibe ich allerdings "zusagen", möchte ich damit ausdrücken, dass ich jemanden meine Zusage zu etwas gebe. Bsp: Du fragst jemanden, ob er zu einer Feier kommen wird. Wenn dieser "ja" sagt, ist das eine Zusage.
Es gibt noch zig andere Beispiele zu solchen zusammen- und auseinandergeschriebenen Worten, die hier niemals ganz aufgeführt werden können, da es einfach zuviele sind.
Doch sehe ich auf GF auch (leider) oft falsche Schreibweisen von Leuten, die sich (eigentlich) voll gut ausdrücken, allerdings diese Unterschiede nicht wirklich zu wissen scheinen (?) Schade!
Vorteil, ganz klar.
Die deutsche Sprache ist extrem präzise, u. a. auch dadurch.
Atmest du auch, nachdem dich die Spannung auf die Vollendung des unvollständigen Verbs unter Strom hielt und du mit offenem Mund da stands, endlich nach dem Satzzeichen erleichtert auf?
Günter Grass hat dies als Vorteil empfunden. Im Gälischen ist das doch noch viel weiter verbreitet. Michael Ende hat es auf den Punkt gebracht: „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“
Wer dazu ein Fernglas braucht, ist blind...
Mark Twain stieß die Diskussion um die Spezialkonstruktion der trennbaren Verben an.
Frederick Bodmer schreibt in 'Sprachen der Welt' u. a. von der unnötigen Verkomplizierung im Deutschen nicht nur Artikel sondern auch Adjektive casusgemäß zu beugen, da eines ausreichen würde, was ja die englische Sprache viel einfacher macht, weshalb sie sich auch weltweit durchsetzte.