Ist der Spruch "Arbeit macht frei" im ursprünglichen Sinne nicht etwas Gutes?

4 Antworten

Es gibt eine Vielzahl von Aussprüchen oder Begriffen, Melodien etc., die in ihrer Grundbedeutung positiv bis harmlos sind, durch die Verwendung v.a. im Dritten Reich aber eine unmittelbare Assoziation mit dem dort Geschehenen und der damit verbundenen verharmlosenden oder höhnischen Verwendung eben dieser Aussagen hervorrufen. Da das allgemein bekannt sein sollte, wird die Verwendung solcher Sprüche oder Begriffe dann verständlicherweise als Provokation oder bewusste Herstellung eines Bezugs eben zur NS-Zeit verstanden.

Da kann man jetzt wieder lange diskutieren und die Unschuld der Worte an sich vorbringen, ändern wird das nichts. Akzeptiere es einfach.

Warum soll Arbeit besser sein als Müßiggang? Das hat die Menschheit jahrtausendelang anders gesehen. Und nicht nur die Menschheit allgemein, sondern auch die Philosophen. Für die größten Philosophen der Antike war es ganz selbstverständlich, dass nur derjenige frei sein kann, der seine Zeit nicht einer Erwerbsarbeit opfern muss.

"Arbeit" heute unterscheidet sich von früherer Arbeit dadurch, dass heutige Arbeit größtenteils Lohnarbeit ist. Lohnarbeit hat im Kapitalismus nicht primär den Sinn, irgendetwas Sinnvolles herzustellen, sondern Lohnarbeit wird angewandt um das Kapital zu vermehren. Kapital ist eine Summe Geldes, die zu einer größeren Geldsumme anwächst, und dieses Wachstum geht eben gesamtgesellschaftlich nur mit der Anwendung von Lohnarbeit. Ist das Kapital in einer Runde gewachsen, muss des in der nächsten Runde weiter wachsen und immer so fort. Die Lohnarbeit ist also weit davon entfernt, "frei" zu sein, sondern sie ist im Gegenteil Zwangsarbeit. Zwangsarbeit, die letztlich nur dem verrückten Zweck dient, aus Geld mehr Geld zu machen. Ginge es stattdessen nur um die Bedürfnisbefriedigung der Menschen, müssten wir alle viel weniger arbeiten.

Das Gerede von "Arbeit mach frei" hat aber noch einen anderen sehr üblen Kontext: In unserer Arbeitsgesellschaft kann man sich nur dadurch die Anerkennung seiner Mitmenschen erkaufen, dass man irgendwas "arbeitet". Und sei es auch noch so sinnlos. Wer nicht arbeitet, vielleicht weil er es nicht kann, darf allenfalls auf Almosen hoffen, wird in der Regel aber als fauler Schmarotzer beschimpft (wie es bekanntlich vielen Hartz-4- bzw. Bürgergeld-Beziehern geht).

Auf der Düsseldorfer "Kö" gibt es einen Bettler, der nicht einfach so da sitzt und bettelt, sondern der irgendwelche kleinen, überflüssigen Holztiere schnitzt. Vor sich hat er eine Pappe mit der Aufschrift. "Arbeiten ist besser als betteln." Es spekuliert - wahrscheinlich zu Recht - darauf, dass die Mitmenschen seine "Arbeit" honorieren, und sei diese auch noch so unsinnig.

Quetschtuete 
Fragesteller
 14.11.2023, 17:14

Interessante Sichtweise. Ich denke dass ist eher damit gemein dass man durch Arbeit eine gewisse Erfüllung erreichen kann, die man durch Müßiggang nicht erreichen kann. Es ist eine höher Zivilisationsstufe - sich zu erfüllen in der Arbeit - und einen Sinn im Leben zu finden, indem was man tut.

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Die Nazis - und andere - haben das Talent, unschuldige Sätze in Horror zu verwandeln.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Die drei Worte standen nun mal zynisch am KZ-Eingang. Da gibt es nichts zu beschönigen und ich kann sehr gut ohne diese "Weisheit" mein Leben leben.