Ist alles in meinem Kopf?

37 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ein Beweis ist schwierig zu führen, wenn von ihm verlangt wird, völlig zwingend zu sein. Auseinanderzuhalten ist allerdings die Frage nach der Existenz einer Außenwelt und die Frage, ob die Welt so ist, wie sie sich in der Wahrnehmung darstellt.

Wahrnehmung ist kein passives Geschehen, bei dem die Gegenstände unmittelbar ein getreues Abbild schaffen. Beim Wahrnehmen gibt es ein aktives Erfassen durch das Subjekt. Dieses hat auch eine Denkweise, mit der es deutet, trägt Formen der Anschauung in sich, die der Erfahrung vorausgehen Bei der Deutung durch das Denken wird etwas geistig hergestellt (konstruiert). Daraus folgt aber nicht zwingend, die Wirklichkeit selbst sei vom Bewußtsein völlig abhängig oder es existiere keine andere Wirklichkeit als die subjektive Wirklichkeit, in der wir leben und die in gewisser Weise unser Konstrukt ist.

Die Sinneswahrnehmung ist keine völlig zuverlässige Gewähr für die Realität. Etwas ist nicht unbedingt so, wie es zu sein scheint. Das Denken kann Sinneseindrücke überprüfen und sich Sacheinheiten, die von der Sinneswahrnehmung nicht unterschieden werden, begrifflich erschließen. Aber auch dabei ist es nötig, von der Erscheinung darauf zurückzuschließen, wie die wirkliche Beschaffenheit ist.

Die Annahme, die Wirklichkeit selbst sei vom Bewußtsein völlig abhängig oder es existiere keine andere Wirklichkeit als die subjektive Wirklichkeit, in der wir leben und die in gewisser Weise unser Konstrukt ist, ist kaum praktisch durchzuhalten. Dann sollte es doch möglich sein, sie formen zu können, ohne damit auf sehr große Schwierigkeiten zu stoßen. Aber die wahrgenommene Welt der Erfahrung fügt sich solchen Versuchen nicht einfach widerstandslos. Dies ist ein Anzeichen für ihre vom subjektiven Bewußtsein unabhängige Existenz und Eigengesetzlichkeit. Wer dies bestreitet, soll gegen eine Wand laufen und Schäden, Verletzungen und Schmerzen überzeugend für ein bloßes Konstrukt erklären. Auch ein dauerhaftes und vollständiges Ignorieren aller anderen Menschen, als ob sie nur Einbildungen seien, ist höchst schwierig.

Außerdem ist immer eine Erklärung nötig, worauf die Sinnesdaten zurückgehen, die wir erhalten – irgendwoher müssen sie ja stammen. Allerdings könnte dann behauptet werden, sie seien alle nur erzeugte Illusionen des eigenen (bewußten und unbewußten) Denkens, möglicherweise unter Beteiligung einer irreführenden Macht entstanden.

Das Annehmen eines Beweises kann davon abhängen, was jemand, der überzeugt werden soll, als Grundlage anerkennt. Ein Minimum ist das, was als denknotwendig erwiesen werden kann. Dazu gehört z. B. der Satz vom Widerspruch, auch wenn dessen allgemeine Geltung auch bestritten wird – aber dabei hebt sich das Anzweifeln selbst auf und scheitert. Auch wenn keine absolut zwingende Beweisführung möglich ist, können Einwände vorgetragen werden und ein Beweis auf der Grundlage von Plausibilität versucht werden.

Die eigene Existenz kann niemand widerspruchsfrei bestreiten.

Réne Descartes hat bei seinem methodischen Zweifel einen raikalen Skeptizismus durchgespielt. Er verwendet die Existenz eines Gottes, der gut ist und die Menschen nicht täuschen will (er garantiert die Richtigkeit des Vernunfturteils), in seiner Gedankenkette. Diese enthält dadurch allerdings einen Zirkelschluß, weil etwas, das erst zu beweisen wäre, schon als Voraussetzung für das zu Beweisende benutzt wird.

Solipsismus (lateinisch: solus allein; ipse selbst) ist eine Bezeichnung für den philosophischen Standpunkt, nur das eigene Ich als erkennbar (und von eigenständiger Realität anzuerkennen. Erkenntnistheoretischer Solipsismus erklärt alles andere als das eigene Ich für unerkennbar (eine äußere Realität gilt ihm also grundsätzlich als unerkennbar), ontologischer Solipsismus die gesamte Außenwelt für Inhalte ohne eigenständige, vom Bewußtsein unabhängige Existenz, eine rein subjektive Vorstellung.

Bewiesen ist dieser Standpunkt nicht, aber er unternimmt einen Immunisierungsversuch gegen Bemühungen, ihn zu widerlegen, indem er nichts akzeptiert, das Grundlage eines Gegenbeweises werden könnte.

Ein Solipsist kann aber seinen Standpunkt kaum befriedigend durchhalten, vor allem praktisch. Er kommt in die Schwierigkeit, bei der Behauptung eigener Existenz als Subjekt sich selbst als Objekt gegenüberzustehen. An einem einzelnen Zeitpunkt in der Gegenwart kann er sich so sehen, aber es fehlt eine Möglichkeit, sich sicher als die gleiche Person über einen Zeitraum hinweg zu bestimmen (warum soll alles in der Vergangenheit nicht nur eine bloße subjektive Vorstellung gewesen sein, wenn nur ein sich unmittelbar erfahrendes Ich erkennbar ist bzw. sogar nur existiert?).

Intersubjektivität ist beim Solipsismus nicht möglich. Ein Solipsist ist gezwungen, sich selbst für einzig erkennbar bzw. einzig eigenständig existent zuhalten. Er kann seinen Solipsismus nicht mitteilen. Die Behauptung „Ich bin der einzige Geist, der existiert“ ist nur sinnvoll, wenn sie sprachlich ausgedrückt wird, aber Sprache setzt einen sozialen Kontext voraus. Es kann nach der eigenen Weltanschauung niemand geben, an den der Gedanke mitgeteilt werden kann.


Es gibt Gedankenexperimente, ein böser Geist täusche uns, wir lebten in einem ewigen Traum oder wir seien in einer Lage wie ein manipuliertes Gehirn in einem Tank mit Nährflüssigkeit.

Ein Argument gegen einen solchen radikalen Skeptizismus steht bei http://www.gehirnimtank.de/tank/wgiaB.pdf: Menschen befinden sich genau auf der Ebene, auf der sie sich befinden. Ein Abstreiten eines Wissens über eine äußere Welt ist ein verquerer Versuch, sich vorzustellen, Menschen könnten zu der gleichen Zeit woanders stehen, als dort, wo sie stehen. Wir könnten zwar woanders stehen als an unserem augenblicklichen Aufenthaltsort. Aber selbst dann bliebe es wahr, zu sein, wo man ist. Die Dinge, auf die sich das Sprechen und Handeln von Menschen richtet, liegen dort, woher ihre Sinneseindrücke stammen.

einfach grandios und beeindruckend! :-)

0
@aurata

Ja, da schließ ich mich an, aurata. Das macht der ständig so, der Albrecht.

0
@Luise

DAS ist mir auch aufgefallen. :-)

0
@aurata

Danke Albrecht - du bist fast zu schade für uns... ;P

0

zuuu heftig.... hast du das alles ausm kopf aufgeschrieben oder nachgelesen???

echt respekt

0

Alles was er weis hab ich Ihm beigebracht, eins hab ich aber vergessen zu lehren: Warnehmung ist eine Abstraktion, und zwar eine Individuelle.

0
@ronin123

@ronin123: ich verstehe dein Kommentar nicht, bzw. finde ich ihn seltsam. Auch wenn man etwas beigebracht bekommt, hat der Lehrer kein Anspruch auf das Wissensgut, auf die Wahrnehmung und die Reflexion des Schülers.

Somit finde ich deinen Kommentar unangebracht und überflüssig.

0
@ronin123

ok, dass wahrnehmung individuell ist, kann ich grundsätzlich teilen. jeder versuch, drei personen zum selben vorgang zu befragen, bestätigt das. ich frage mich auch, ob alles um uns herum real ist oder wir figuren in einer art computersimulation sind (siehe fassbinder-film). aber wie kommt es, dass wir alle eine farbe mit den gleichen werten (ziemlich genau) wahrnehmen? dass wir alle schon als baby auf lob und ablehnung reagieren? dass wir unserer intuition in gefahrensituationen mehr vertrauen können als unserem verstand (der ja angelernt ist)? usw. usw.

0
@ronin123

Wir nehmen die Welt so wahr wie wir sie haben wollen. Ein einfacher Versuch wäre die Empfindung einer Farbe, die bei jedem Individuum mehr oder WENIGER unterschiedlich ist.

Durch diesen Effekt wäre auch bewiesen, durch Beeinflussung, Instinkten und Erfahrungen kann durchaus die Wahrnehmung verschiedener Menschen kungruent sein.

0

Respekt so viel wie du geschrieben hast wäre mir im leben nicht eingefallen

0

Unglaublich, da scheint sich jemand so richtig derbe auszukennen.

0

johohoho

0

Und, wer oder was denkt in uns irdischen Menschen? Wir selbst, oder denkt es für uns, wenn wir es nur zulassen? GALLARIAOY

0

Ich will Philosophie studieren und dann will ich auch solche Antworten schreiben können...

0

Das nenn ich mal brainfuck

0

Ich habe mich in den letzten Monaten (eher unfreiwillig) sehr viel mit diesem Thema beschäftigt. Irgendwann kam mir der Gedanke: Ist alles real, oder ist alles nur ein Produkt meines eigenen Bewusstseins? Seitdem kann ich irgendwie nicht mehr aufhören, über dieses Thema (v.A. über Solipsismus) nachzudenken, der Gedanke, dass Letzteres wahr sein könnte macht mir zeitweise sogar richtig Angst… Leider gibt es ja nun offensichtlich keinen Beweis dafür, dass alles wirklich existiert, aber ich habe doch einige Punkte gefunden, die zumindest starke Zweifel zulassen:

1.)Wie auch schon von Albrecht gesagt: Wäre die Welt ein Produkt des eigenen Bewusstseins, würde man dann nicht erwarten, dass sie irgendwie „formbar“ , d.h. zu eigenen Gunsten beeinflussbar wäre?

2.)Wenn die Welt im eigenen Bewusstsein geschaffen wird, warum sollte man dann so furchtbare Dinge wie den Tod geliebter Menschen in diese Welt integrieren? Eigentlich würde man doch eher annehmen, dass man sich diese Dinge ersparen würde, wenn man könnte. Warum sollte man überhaupt den Tod mit in die Realität „aufnehmen“?

3.)Man kann alles, was man kann, nur deshalb, weil es einem von anderen Menschen beigebracht wurde, vor Allem von den eigenen Eltern. Streitet man nun deren Existenz ab (denn das tut man ja, wenn man die Existenz der Außenwelt abstreitet), dann fragt sich doch, woher man das Sprechen gelernt hat, bzw. warum man nicht vom ersten Augenblick seines Lebens sprechen konnte? Denn was würde es für einen Sinn machen sich einzubilden, dass man erst sprechen lernen muss?

4.)Warum sollte man sich sich selbst genau so vorstellen, wie alle anderen Menschen auch, und nicht als eine Art „Super-Mensch“, der etwas Besonderes kann, wie z.B. fliegen, Gedanken lesen, Geld herbeizaubern, oder was auch immer? Da alle Menschen sich genau so verhalten, wie man selbst auch, liegt doch eher der Schluss nahe, dass alle anderen Menschen genau so ein Bewusstsein haben, wie man selbst auch. Jetzt könnte man ja mit dem Argument kommen: Man braucht halt als Mensch Gesellschaft und möchte unter „seinesgleichen“ sein, deshalb bildet man sich ein, dass man viele Menschen um sich hat. Aber: Diese Annahme setzt voraus, dass die Tatsache, dass Menschen nicht gern allein sind, von vorneherein als gegeben angesehen wird. Wenn alles nur Produkt des eigenen Bewusstseins ist, dann gibt es aber keine Gegebenheiten, die einfach so vorhanden sind, sie sind ebenfalls Produkt des Bewusstseins! Also müsste man sich ebenfalls einbilden, dass Menschen Wesen sind, die nicht gern allein sind. Wo liegt da der Sinn?

5.)Was meiner Meinung nach total vernachlässigt wird ist die Frage danach, warum eigentlich NUR das eine ODER das andere Extrem gelten sollte, d.h. entweder existiere NUR ich - oder ALLE und ich! Es könnte aber doch genau so gut sein, dass ich und 1 anderes Bewusstsein existieren, und der Rest der Menschen nur von UNS eingebildete Wesen sind, dass ich und 2 andere existieren, ich und 3 andere, …u.s.w., es gibt ja schließlich 6,8 Milliarden Menschen. Somit gibt es ca. 6,8 Milliarden verschiedene Möglichkeiten - und die Möglichkeit, dass nur ein einziges Bewusstsein (nämlich meins) existiert, ist nur eine einzige davon und hat somit eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit. Oder hab ich hier jetzt einen Denkfehler?!

Zwar gibt es keinen eindeutigen Beweis dafür, dass die Außenwelt existiert, aber das heißt ja ebenfalls noch nicht, dass das Gegenteil bewiesen wäre. Es gibt noch eine Menge anderer Dinge, die man nicht widerlegen (aber auch nicht belegen) kann. Siehe das unsichtbare rosafarbene Einhorn oder das fliegende Spaghettimonster http://de.wikipedia.org/wiki/Spaghettimonster . Es KÖNNTE ja auch wahr sein, dass jeder Mensch von einem Alien ferngesteuert wird, ohne es zu merken… Es KÖNNTE auch sein, dass es wirklich Hexen und Zauberer gibt, wir es aber nicht bemerken (siehe Harry Potter), es KÖNNTE… sooooo vieles sein!

Eigentlich ist es ja auch vollkommen sinnlos, sich mit solchen Gedanken zu befassen, denn man wird eh niemals herausbekommen, was die WAHRHEIT ist. Aber wenn man einmal angefangen hat, darüber nachzudenken, kommt man so schnell nicht mehr davon los (zumindest ich nicht, leider). Kann also nur jedem raten, sich in diese Gedanken nicht zu sehr zu vertiefen, wie auch schon von johmarie angeraten…

In der Hoffnung, dass irgendwann DOCH mal jemand einen Beweis dafür findet, dass die Außenwelt wirklich bewusstseinsunabhängig existiert, grüßt Euch Eure MissMaple!

Vielen Dank für deine ausführliche und beeindruckende Antwort! :-)

0

Mir ist grad aufgefallen, dass eine Formulierung in meiner Antwort falsch ist: Ich meinte natürlich, dass ich ein paar Punkte gefunden habe, die Zweifel daran zulassen, dass alles NICHT existiert - und nicht andersherum, wie man vielleicht wegen der etwas ungeschickten Formulierung denken könnte.

0
@MissMaple28

Aus dem Kontext heraus, war es völlig klar zu verstehen! :-)

Leider wird deine herausragende Antwort kaum Leser finden, weil die Frage nicht mehr aktuell ist. Zudem ist die Antwort noch sehr weit unten und für wenig Interessierte viel zu lang.

Ich finde es einfach großartig, dass du dennoch in dieser Art geantwortet hast! :-)

0
@roma2701

Danke danke, fand es halt einfach interessant, dass du dir anscheinend die gleiche Frage gestellt hast wie ich mir - daher gehts auch gar nicht darum, ob diese Antwort noch mehr Leser findet oder nicht ;)

0
@MissMaple28

sich über den Sinn des Lebens und die eigene Existenz Gedanken zu machen, weist von höherer Interlegenz. Ich habe auch oft und viel nachgedacht, viel gelesen und darüber gesprochen. Letzt endlich hat jeder Mensch seine eigene Wahrheit und oft ist es besser, nicht so viel zu wissen, denn wissen bedeutet auch, dass man Angst bekommt. Nicht wissend macht glücklich. Ich lebe seit dem jeden Tag viel intensiver und erfreue mich an den Fröschen, die meinen Weg kreuzen, wenn ich mit meinen Hunden spazieren gehe. Genießt euer Leben und macht es euch nicht mit so vielen Fragen unnötig schwer. Eine Antwort werdet ihr erhalten, am jüngsten Tag! Dennoch: tolle Beiträge!

0

Ich beweiße dir, dass es eine Welt ausserhalb deines Kopfes gibt, indem ich dir das hier schreibe. Natürlich kannst du jetzt auch glauben, dass deine Gedanken das Universum in der Art gestaltet hat, dass ich dir das schreiben muss und in Wirklichkeit ist dies alles nur eine Widerspieglung deiner Gedanken. Such dir was aus :P.

Und wenn du nur in seinen Gedanken existierst?

0

Es gibt für uns keine Methode das zu bestimmen, weil die dafür zu messenden Größen außerhalb unseres Wahrnehmungsbereiches liegen. Wir müssten aus unserem Körper "herausschlüpfen" können (evtl sterben?), um sehen zu können wo und wann wir uns befinden.

Das ganze heißt im Prinzip, dass sich beide Theorien (sowohl die, welche wir als selbstverständlich halten, als auch jene, die du für möglich hältst) sich mit unseren Wahrnehmungen vereinbaren. In der Tat könnte es möglich sein, dass man ein "Leben" verspürt auch wenn man nicht mehr ist als ein Gehirn (oder noch nicht einmal das) in einer Nährlösung, welches über Kabel mit externen Reizen stimuliert wird. Nur weil wir das, was wir "erleben" so interpretieren wie wir es interpretieren, heißt es noch lange nicht, dass es die Wirklichkeit ist. An dem Punkt stellt sich dann sofort die Frage was "die Wirklichkeit" überhaupt ist, ob sie absolut ist und ob die Frage nach er Wirklichkeit überhaupt relevant ist.

kann doch sein, dass diejenigen die für unsereins Spinner sind z.B. die mit jemanden reden, diskutieren - wir sehen aber niemanden usw. dass diejenigen weiter sind wie wir. Vielleicht gibt es doch andere Dimensionen die nicht für alle sichtbar sind. Kann ja sein.